Demokrat_innen müssen Gesicht zeigen

Warum mensch auf die AfD mehr als nur einen „Vogelschiss“ geben sollte

Schlagzeile des „Echo Germania“ im Oktober 1927, gezeigt in der Ausstellung „Techniker der Endlösung“ im Erfurter Erinnerungsort Topf & Söhne.
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Sollte man auf die AfD mehr als einen „Vogelschiss“ geben? Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat auf die Einlassung des AfD-Vorsitzenden Alexander Gauland, die NS-Zeit bedeute nur einen Vogelschiss in einer tausendjährigen erfolgreichen Geschichte der Deutschen, klar Position bezogen: „Wer heute den einzigartigen Bruch mit der Zivilisation leugnet, kleinredet oder relativiert, der verhöhnt nicht nur die Millionen Opfer, sondern der will ganz bewusst alte Wunden aufreißen und sät neuen Hass, und dem müssen wir uns gemeinsam entgegenstellen“, sagte Steinmeier Anfang Juni.

Natürlich folgen die ständigen Provokationen von AfD-Redner_innen einer Strategie, Aufmerksamkeit in den Medien zu findet. Sie dient zugleich dem Zweck, das öffentliche Klima weiter nach rechts zu verschieben, in dem man das bisher „Unsagbare“ als Testballon aufsteigen lässt. Sollte man deshalb die AfD und ihre Nazisprüche nicht besser einfach ignorieren?

Diktaturen kann man nur bekämpfen, bevor sie an die Macht kommen

Ein Blick in die Geschichte spricht dagegen. Der Schriftsteller Erich Kästner sagte im Jahr 1958 anlässlich des 25. Jahrestages der Bücherverbrennung durch die Nazis: „Die Ereignisse von 1933 bis 1945 hätten spätestens 1928 bekämpft werden müssen. Später war es zu spät. Man darf nicht warten, bis der Freiheitskampf Landesverrat genannt wird. Man darf nicht warten, bis aus dem Schneeball eine Lawine geworden ist. Man muss den rollenden Schneeball zertreten. Die Lawine hält keiner mehr auf.“ Drohende Diktaturen würden sich nur bekämpfen lassen, bevor sie an die Macht kommen.

Auch angesichts der Faschisierungstendenzen in anderen Ländern Europas müssen Demokrat_ innen Gesicht zeigen und dem zunehmend durch völkische Ansichten geprägten Diskurs demokratische und internationale Perspektiven entgegensetzen.

In der Weimarer Republik nahmen völkische und antisemitische Organisationen wie schon im Kaiserreich gezielt Einfluss auf die öffentliche Meinung. Als der Alpenverein bereits im Jahr 1923 auf seinen Hütten Hakenkreuzfahnen hisste und in seinen Sektionen einen „Arierparagraphen“ einführte, kam das nicht von ungefähr und blieb nicht wirkungslos. Zu den Wegbereiter_ innen der Nazis gehörte zum Beispiel Adolf Schmalix, eine verkrachte Existenz mit langem Vorstrafenregister, der sich nach seiner Entlassung aus dem Thüringer Staatsdienst zum rechten Hetzer und Antisemiten entwickelte. Schmalix gründete den „Kampfbund Vaterland“, betätigte sich als antisemitischer und extrem nationalistischer Vortragsreisender und gab entsprechende Zeitschriften heraus – ab 1925 in Erfurt die Wochenzeitschrift „Echo Germania“.

Gewöhnung an Tabubrüche

Nach Jahren belächelter Propaganda gelang ihm 1929 ein reichsweit beachteter Coup: Schmalix holte mit seiner Gefolgschaft aus dem Kleinbürger_innentum und niedrigen Beamt_innen mit der „Großdeutschen Freiheitsbewegung“ bei der Stadtverordnetenwahl in Erfurt 17,8 Prozent der Stimmen, in kleinbürgerlich geprägten Stadtteilen bis zu 28,8 Prozent. Die Dauerpropaganda seiner Zeitschriften mit Titeln wie „Das verjudete Erfurt“ bereitete die Stadtgesellschaft auf die Herrschaft der Nazis vor. Als diese im Jahr 1933 die Macht übernommen hatten, wunderten sich viele Erfurter_innen nicht über das Konzentrationslager Buchenwald vor ihrer Stadt.

Dauerausstellung in Erfurt
Erinnerungsort Topf & Söhne – die Ofenbauer von Auschwitz www.topfundsoehne.de

In einem Großbetrieb „Topf & Söhne“ wurden in den nächsten Jahren die Öfen für die Krematorien der Konzentrations- und Vernichtungslager von Buchenwald bis Auschwitz gebaut und ständig auf Hochleistung optimiert. Ohne jegliche Geheimhaltung kannten Hunderte von Arbeiter_innen und Ingenieur_innen die Verwendung ihrer Hochleistungsprodukte, die Belegschaft nahm geschlossen an den üblichen Aufmärschen der „Arbeitsfront“ teil.

Der AfD-Politiker Björn Höcke ist schwerlich mit Adolf Schmalix zu vergleichen. Aber die ständige Gewöhnung an Tabubrüche wie zum Beispiel in seinen Reden zum „Denkmal der Schande“ wirken in Kreisen von Pegida und AfD, wo sich wieder enttäuschte Kleinbürger_innen sammeln, ganz ähnlich. Und das, was Schmalix damals aussprach, findet sich heute in den sogenannten sozialen Netzen rund um die AfD.

Rassismus ist keine Alternative – weder für Deutschland noch für Europa.

Hans-Gerd Marian