Die letzte, damals schon illegale Landeskonferenz der NaturFreunde war im März 1933 im Stuttgarter Rotwildpark abgehalten worden. Die erste nach dem Zweiten Weltkrieg fand am 23. und 24. März 1946 im Saal der Technischen Werke statt, dem einzigen nicht fliegergeschädigten Saal in Stuttgart.
Bei dieser Tagung überreichte Geschäftsführer Keller vom Landessportbund die Lizenz der amerikanischen Militärregierung zur Zulassung der NaturFreunde. Damit war der Weg frei zum Aufbau der Organisation, zum Kampf um die Rückführung der beschlagnahmten Häuser und der Wiedergutmachung entzogenen Eigentums.
Zum Landesvorsitzenden wurde Albert Kern gewählt, der schon vor 1933 bis zum Verbot Vorsitzender der württembergischen Naturfreunde und Angestellter beim Metallarbeiterverband war und den die Nazis im KZ Struthof inhaftiert hatten. Sein Stellvertreter wurde Wilhelm Kober und Kassierer Carl Grötzinger.
Für das Ressort Bildung wurde Emil Birkert gewählt, dem wir eine ausführliche Darstellung des Neuanfangs in den ersten 15 Jahren nach 1945 verdanken. Er wurde auch Schriftleiter der Vereinszeitschrift „Aufstieg“, die am 1. August 1946 zum ersten mal wieder erschien. Das Papier hatte die IG Metall zur Verfügung gestellt.
Mit einer monatlichen Auflage von 5.000 Exemplaren erreichte sie zahlreiche versprengte NaturFreundinnen und NaturFreunde im ganzen Land. Die Schriftleitung erhielt aber auch viele Zuschriften aus Gefangenenlagern, etwa Southampton in England oder Orleans in Frankreich, von Emigranten aus Johannesburg, Stockholm, Syracuse, Brooklyn, Russland, Kuba ...
Die amerikanischen NaturFreunde, unter ihnen Georg Schmidt (New York, Landesobmann in den USA) und Joe Boehmer (Philadelphia) setzten sich bei der US-Regierung für die Wiederzulassung der NaturFreunde in Deutschland ein und organisierten auch materielle Hilfe.
Über die Schwierigkeiten des Neuanfangs schrieb Emil Birkert:
„In allen Organisationen (der Arbeiterbewegung) fand sich ein neuer, oft rein willkürlich bestimmter oder zufällig entstandener Funktionärsstab zusammen, der sich erst selbst wieder Tradition und feste Richtlinien für die weitere Arbeit schaffen musste. Auf die Entwicklung reagierten die einzelnen Organisationsteile der NaturFreundebewegung verschieden.
Es gab Ortsgruppen, die eine Art idyllisches Vereinsleben entwickelten, von Diskussionen nichts wissen wollten, Wanderungen und die allmählich aufkommenden Ferienreisen organisierten, geistige Anstrengungen und eine Stellungnahme zu drängenden Zeitfragen abwiesen und von den Landesleitungen forderten, dass sie in ihrer Ruhe nicht gestört werden. Andere Ortsgruppen engagierten sich etwas zu heftig und einseitig im politischen Gelände.
Die Jugend zeigte sich überwiegend geistig regsam, führte Diskussionen unter sich und anderen, entwickelte zuweilen aber eine Tendenz sich nun ihrerseits etwas abzukapseln und ihre eigenen Wege zu gehen. Von einigen Landesverbänden wurde die Aufgabe ernst genommen, nicht nur eine Wandervereinigung oder eine hausbesitzende Organisation zu sein, sondern auch die alte Tradition einer sozialistischen Kulturorganisation ernst zu nehmen und mit neuem Inhalt zu erfüllen.“
In der französischen Zone Süd-Württemberg und Hohenzollern bemühte sich Ludwig Becker nach mehrjähriger Haft im KZ Buchenwald um die Zusammenführung der NaturFreunde.
Erste Kontakte zur internationalen NaturFreundebewegung knüpfte unter anderem Fritz Langer aus Singen unter den Augen der französischen Zöllner im Frühjahr 1946 am Schlagbaum in Bietingen zu Vertretern der schweizerischen Freunde und später zur NaturFreunde Internationale (NFI), die ihren Sitz vor dem Zweiten Weltkrieg noch rechtzeitig von Wien nach Zürich verlegt hatte.
Mehr Informationen zum Wiederaufbau der NaturFreunde-Bewegung in Württemberg in:
Emil Birkert: Wiederaufbau der NaturFreunde-Bewegung in Württemberg 1945–1960(Ein Exemplar des Manuskriptes liegt im Stadtarchiv Stuttgart [Emil-Birkert-Archiv] und eines in der
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