Die größte Pandemie kommt erst noch

Ein Standpunkt von Michael Müller, Bundesvorsitzender der NaturFreunde Deutschlands

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Wir leben in einer Welt, in der wir neue Pfade gehen müssen, um zu mehr sozialer Demokratie und Nachhaltigkeit zu kommen. So zeigt die Corona-Pandemie, wie dünn die Schutzschichten des menschlichen Lebens geworden sind. Mit all unseren Kräften und Ideen müssen wir dem entgegenwirken. Wir brauchen eine starke und reformfähige Gesellschaft für die Abwehr von Pandemien und ökologischen Krisen. Wir brauchen eine starke Demokratie.

Das Jahr 2021 muss zu einem neuen Aufbruch werden. Vieles ist ins Rutschen geraten, aber die größte Pandemie kommt erst noch auf uns zu: Die globale Erderwärmung ist das Fieber, das die Immunität der Erdatmosphäre zerstört. Neue Ideen und Konzepte sind erforderlich, denn es darf nicht so bleiben, wie es ist. Es darf aber auch nicht wieder so werden, wie es war. Wie bereits im Manifest der NaturFreunde beschrieben, zeigt sich nun mit aller Schärfe: Wir müssen nach einer neuen Ordnung suchen, die wir auch unseren Nachfahren überlassen können. Das aber bedeutet weit mehr als nur Teilkorrekturen oder einzelne Ergänzungen des Bestehenden.

Neben dem Neustart unserer Arbeit in allen Bereichen wollen wir in diesem Jahr zwei programmatische Schwerpunkte setzen: eine neue Friedens- und Entspannungspolitik sowie die sozial-ökologische Gestaltung der Transformation. Mit dem Friedensfokus schließen wir an unsere Geschichte an. Erst kürzlich haben wir mit einer Unterschriftenaktion gegen bewaffneten Drohnen dazu beigetragen, dass die Gewaltschwelle nicht ohne breite öffentliche Debatte weiter gesenkt wird. Vielmehr brauchen wir eine neue Entspannungspolitik. Das wird auch ein wichtiges Thema unserer großen Friedenswanderung sein, die von Ende April bis Anfang Juli von Hamburg bis Konstanz führen wird. Bitte wandert zahlreich mit.

Der andere Schwerpunkt ist die Transformationsdebatte – auch weil der Begriff, der eine historische und analytische Würde hat, in Gefahr ist, zu einem inhaltsleeren Plastikwort zu verkommen, das für alles und nichts gebraucht wird. Tatsächlich handelt es sich bei der Transformation um die Verselbstständigung von Marktprozessen, die den Menschen erniedrigen, die Natur zerstören und die Wirtschaft krisenanfällig machen. Das wiederum löst Gegenbewegungen aus, die entweder nationalistisch-ausgrenzend sind oder zu Reformen führen. Das ist die Erfahrung aus der Geschichte und diese Spur nehmen wir auf.

Wir sind davon überzeugt, dass ökologische Herausforderungen wie die globale Klimakrise nur auf einer sozialen und ökologischen Basis gebändigt werden können. Für die Verbindung von sozialer und ökologischer Gerechtigkeit sowie für mehr Demokratie treten wir NaturFreund*innen seit jetzt schon über 125 Jahren ein. Heute ist das wichtiger denn je. Die NaturFreunde sind ein Verband mit Zukunft.

Michael Müller
Bundesvorsitzender der NaturFreunde Deutschlands