Die Oktoberrevolution führte zum größten Umbruch der Weltgeschichte

Die Bilder, die die meisten Menschen mit der russischen Oktoberrevolution verbinden, stammen aus einem Film. In Sergei Eisensteins „Oktober“ feuert der Kreuzer Aurora einen Schuss auf Sankt Petersburg ab. Dieser Schuss veränderte die Welt, gab er doch das Signal zum Sturm auf das Winterpalais, den Regierungssitz. Das war nach dem Julianischen Kalender Russlands am 25. Oktober, nach dem westlich gregorianischen am 7. November.

Dem Ereignis folgten „Zehn Tage, die die Welt erschütterten“, so der Titel der Aufzeichnungen über die „Große Sozialistische Oktoberrevolution“ von John Reed, US-Journalist und Gründer der kommunistischen Partei der USA. Die Machtübernahme der Bolschewiki erfolgte so reibungslos, dass viele Bürger Russlands erst aus der Zeitung erfuhren, was geschehen war.

Die wichtigsten Beschlüsse waren drei Umsturzdekrete. Lenin proklamierte die Sozialistische Sowjetrepublik, die vom Rat der Volkskommissare geleitet wurde. Die politische Führung blieb jedoch bei der Kommunistischen Partei, die ihr Machtmonopol rigoros ausbaute – auch durch die Kommission für den Kampf gegen die Konterrevolutionäre und Sabotage (Tscheka). Diese wurde verantwortlich für die Tötung Hunderttausender Gegner.

In Russland war es schon die dritte Revolution in kurzer Zeit. Der erste Aufstand wurde 1905 in Petersburg blutig niedergeschlagen. Der Zweite, von den meisten Russen unterstützte Revolution, fand im März 1917 statt, als Russland nach grausamen Hungersnöten und einer obszönen Kluft zwischen Arm und Reich am Ende war. Die Armee zerfiel, Zar Nikolaus II. dankte ab, nach 300 Jahren endete die Herrschaft der Romanows. Aus dieser „Februarrevolution“ ging eine Doppelherrschaft aus sozialliberaler Regierung und den Arbeiter- und Soldatenräten (Sowjets) hervor. Aber das Land blieb unter der zerstrittenen provisorischen Regierung fragil, hin- und hergeschüttelt vom Machtkampf zwischen Parlament (Duma) und Sowjets.

Wladimir Iljitsch Lenin, der Führer der bolschewistischen Fraktion der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Russlands, setzte auf eine Niederlage Russlands, um den Weltkrieg in einen Bürgerkrieg zu verwandeln, als deren Folge er eine neue Revolution heraufziehen sah. Die deutsche Reichsregierung unterstützte ihn bei der Destabilisierung Russlands und brachte ihn nach Petersburg. Dort veröffentlichte er seine Aprilthesen, in denen er jede Zusammenarbeit mit der Provisorischen Regierung strikt ablehnte.

Lenin forderte "alle Macht den Sowjets", sofortige Beendigung des Krieges, Enteignung der Großgrundbesitzer, Verstaatlichung der Banken, sozialistische Kontrolle der Industrie. Weil es in der Bevölkerung zu einem deutlichen Linksruck kam, beherrschten die Bolschewiki die Sowjets in Moskau, Petersburg und den großen Arbeiterstädten. Lenin nutzte sie, um Duma und Regierung auszuschalten.

Für den Revolutionär war „nur die Diktatur der Proletarier und der armen Bauern […] imstande, den Widerstand der Kapitalisten zu brechen“. Die Folge war die gewaltsame Übernahme des instabilen Gemeinwesens durch eine totalitäre Partei. Doch die sozialen Probleme konnten nicht gelöst werden, zumal ein langer, grausamer Bürgerkrieg folgte, verbunden mit dem Kriegskommunismus. In Russland kämpfte die Rote Armee noch bis 1920 gegen die Weiße Armee.

Maxim Gorki kritisierte die Folgen: „Nach und nach wird all das Großartige vernichtet, was Vorfahren erarbeitet haben, verschwinden die nationalen Reichtümer und die Möglichkeiten, die Schätze dieser Erde zu mehren, werden Industrie, Verkehr und Post zerstört.“ Die unabhängige Macht der Sowjets wurde nicht hergestellt, der Aufstand der Kronstädter Matrosen, die das forderten, wurde niedergeschlagen. Nach Lenins Tod übernahm Josef Stalin die Macht. Mehrere Millionen Menschen fielen seiner Diktatur zum Opfer.

In der Folge der Oktoberrevolution kam es zum bisher größten Umbruch der Weltgeschichte, die 72 Jahre lang vom Ost-West-Konflikt geprägt wurde. Aber das zentrale Problem blieb: Zu einer leistungsfähigen Wirtschaft, einer gerechten Gesellschaft und einer breiten Demokratisierung kam es nicht.

Michael Müller
Bundesvorsitzender NaturFreunde Deutschlands