Ein halbes Leben Revolution

Warum der radikale Kriegsgegner Fritz Rück ab 1955 die NaturFreunde politisierte

Als Fritz Rück 1955 zum Bundesvorsitzenden gewählt wurde, endete für die NaturFreunde Deutschlands eine unpolitische Nachkriegszeit. Rücks Vorgänger, der 76-jährige Franz Xaver Steinberger, hatte die Organisation seit 1921 geleitet und sich 1933 in vorauseilendem Gehorsam mit den Nationalsozialisten arrangiert. Trotzdem wurden die NaturFreunde verboten. Und trotzdem übernahm Steinberger nach Kriegsende erneut den Vorsitz, vermied aber weiterhin jegliche Politisierung der Verbandsarbeit.

Sein Talent als Redner
Rück hingegen, der auch bei der Naturfreundejugend großen Anklang fand, kündigte gleich nach seiner Wahl eine politische und kulturelle Neuordnung der NaturFreunde-Arbeit an. Unter anderem sollte in den Naturfreundehäusern wieder ein lebendiges Kulturleben stattfinden. „Von der Wanderherberge zum Kulturheim“ wurde zur Losung. Das Vertrauen der NaturFreunde hatte Rück durch sein Talent als Redner und Journalist gewonnen sowie durch seine Vergangenheit als Gegner der Nationalsozialisten. Bis zu seinem Tod im Jahr 1959 wurde er noch weitere zwei Mal zum Bundesvorsitzenden gewählt.

Fritz Rück war ein eigenwilliger Vertreter der Arbeiterbewegung, er wechselte von der SPD zur KPD und wieder zurück zur SPD. Das sozialdemokratische Arbeitermilieu im Stuttgarter Osten, wo er 1895 geboren wurde, prägte ihn für sein ganzes Leben. Als junger Schriftsetzergeselle ging er mit seinem Freund Emil Birkert, dem späteren Vorsitzenden der württembergischen NaturFreunde, auf Wanderschaft. Bei Ausbruch des Ersten Weltkriegs stellte er sich auf die Seite der radikalen Kriegsgegner und bekämpfte den Anpassungs- und Unterwerfungskurs der SPD unter Friedrich Ebert. Schließlich wurde er gegen seinen Willen doch noch in eine Uniform gezwungen und erfuhr so aus nächster Nähe den harten Drill in der Kaserne und das menschliche Elend im Lazarett.

Nachdem er während einer illegalen Versammlung in einem Stuttgarter Wald Kriegsgegner aufgefordert hatte, eine eigene Partei zu gründen, wurde er denunziert und zu Gefängnis verurteilt. Trotzdem suchte er Kontakt zu führenden Spartakisten und wurde letztlich zum Organisator der sogenannten Württembergischen Novemberrevolution: Am 4. November 1918 zogen 10.000 kriegsmüde Arbeiter von Untertürkheim auf den Stuttgarter Schlossplatz. An ihrer Spitze marschierte Fritz Rück, der in seiner Rede die Abschaffung der Monarchie forderte. Eine Republik der Arbeiter, Soldaten und Bauern solle an ihre Stelle treten. Es bildete sich der erste württembergische Arbeiterrat, als dessen Vorsitzender Rück schließlich mit dem letzten königlichen Innenminister verhandelte. Die Übernahme eines Ministeramts unter dem neuen SPD-Ministerpräsidenten Wilhelm Blos lehnte er aber ab.

Seine Ablehnung der SPD-Politik führte ihn in die KPD. In den 1920er Jahren schrieb er für die kommunistische Presse, reiste als Wanderredner durch die Republik und lebte dann lange Zeit im Berliner Wedding. Dort betrieb er mit seiner ersten Frau Dora eine kleine Buchhandlung, bis die Nazis sein Leben bedrohten und er flüchten musste. Es folgte ein 17-jähriges Exil, erst in der Schweiz, schließlich in Schweden. Dort konnte sich Fritz Rück eine neue Existenz aufbauen: Er lernte schnell die schwedische Sprache, heiratete ein zweites Mal und verfasste sieben Bücher.

Rück warnt früh vor der Atomkraft
Im Jahr 1950 kehrte Rück mit seiner schwedischen Frau und vier Kindern in das zerstörte Stuttgart zurück. Inzwischen wieder SPD-Mitglied erhielt er die Stelle des Chefredakteurs der Gewerkschaftszeitung „Druck und Papier“. Wie alle zurückgekehrten Emigranten stieß er in der antikommunistisch geprägten Adenauerzeit aber auf starke Ablehnung. Trotzdem bekämpfte er offen die Wiederaufrüstung und warnte früh vor den „Höllenkräften“ der Atomindustrie.

Durch seine integre Persönlichkeit und seine nonkonformistische Haltung faszinierte und prägte Fritz Rück die Gewerkschafts- und Arbeiterjugend. In beiden seiner so unterschiedlichen Lebenshälften brachte der Querdenker stets frischen Wind in die Arbeiterbewegung. Auch die heutige Friedens- und Umweltbewegung kann ihn als einen höchst eigenwilligen Vordenker und Vorkämpfer betrachten.

Elisabeth Benz
Dieser Artikel ist zuerst erschienen in NATURFREUNDiN 4-2014.