Die Weiße Elster in Mitteldeutschland ist die neue „Flusslandschaft des Jahres“
Wer weiß schon, dass es an der Weißen Elster 83 Burgen, Schlösser und Herrenhäuser gibt? „Bei 257 Kilometern Länge ist das dieselbe Schlösserdichte wie an der Loire“, sagt Matthias Prasse, Vorsitzender des Verbandes "Historische Häuser und Gärten Sachsen-Anhalt". Anders aber als der französische Fluss fristet die Weiße Elster ein Dasein als Unbekannte.
Vielleicht auch deshalb wird diesem wichtigsten Fließgewässer Mitteldeutschlands am 21. März der Titel „Flusslandschaft des Jahres“ verliehen. Mit dem über einen Zweijahreszeitraum ausgerufenen Titel soll auf die besondere Bedeutung der Weißen Elster aufmerksam gemacht werden.
Mit dem gleichnamigen Vogel hat der Fluss übrigens nichts zu tun: Der Name stammt in seiner Grundform von Al-astra oder Al-istra ab, Indogermanisch für fließen oder strömen mit dem germanischen -str. Auch die Alster geht auf die gleiche Grundform zurück.
Die Weiße-Elster-Quelle liegt im Elstergebirge, dem südlichsten Zipfel Sachsens, auf 724 Metern Höhe über dem Meer. Zuerst schlängelt sich das Wasser durch die Tschechische Republik, bevor es dann ins sächsische Vogtland geht, hin zur Talsperre Pirk. In ihrer Hymne singen die Vogtländer: „Dort, wu dorchs Land de Alster fließt, dort sei mir her, ihr Leit.“
An der Grenze zu Thüringen steht die 68 Meter hohe Elstertalbrücke, die zweitgrößte Ziegelsteinbrücke der Welt. In Thüringen durchfließt die Weiße Elster die Städte Greiz und Gera, dann folgen die Leipziger Tieflandbucht und Leipzig. In der Messestadt ist der Fluss schiffbar und Stadtkultur: mit Leutturm, Drachenbootrennen und Kahnverleih. Es folgt die Saale- Elster-Aue, ein fast 915 Hektar großes Naturschutz- Gebiet mit der größten Graureiher-Kolonie Sachsen-Anhalts. Bei Halle mündet die Weiße Elster dann in die Saale. Von hier sind es noch 422 Flusskilometer bis zur Nordsee.
Der Bergbau hat den Fluss stark geprägt
In der DDR hatte die Weiße Elster stark unter dem Bergbau gelitten. Zu nennen sind nicht nur die Hinterlassenschaften des Uranerzabbaus im West-Erzgebirge, sondern auch die Folgen des Braunkohleabbaus. Die Elster wurde wegen geplanter Tagebaue umgeleitet und vielerorts in ein eingedeichtes Industrie-Flussbett gezwängt. Der Fluss ist heute noch immer eines der am stärksten belasteten Fließgewässer in Mitteldeutschland. Vom verbindlichen Ziel der EU-Wasserrahmenrichtlinie, bis spätestens zum Jahr 2027 einen „guten ökologischen Zustand“ zu erreichen, ist der Fluss weit entfernt.
Andererseits ist diese Flusslandschaft ein wichtiger kulturlandschaftlich geprägter Erlebnis- und Erholungsraum. Die geschwungenen Hügel, bunten Felder, beschaulichen Dörfer und dichten Wälder ziehen die Menschen an. Und Radfahrer*innen lieben den Elster-Radweg.
Geplant sind in den kommenden zwei Jahren Renaturierungsprojekte, Fischneuansiedlungen und auch die Ausweisung von neuen Natura Trails, insbesondere in den Regionen um Plauen, Gera und Zeitz. Die Flusslandschaft des Jahres soll darüber hinaus bestehende Angebote des sanften Tourismus miteinander verknüpfen, etwa durch Radsternfahrten, Exkursionen, umweltpädagogische Angebote, eine Wanderausstellung sowie die Produktion eines Films.
„Wir laden alle NaturFreund*innen ein, die neue Flusslandschaft des Jahres zu erkunden“, sagt Tilo Wetzel, Koordinator dieser Flusslandschaft. „Wir helfen euch gerne beim Programm und vermitteln Kontakte.“
Dem Fluss seine Bedeutung zurück geben – dafür setzen sich die NaturFreunde und der Deutsche Angelfischerverband mit der Auszeichnung zur Flusslandschaft des Jahres ein. Und der Auftakt zeigt, wie wichtig das ist: Zur Proklamation am 21. März in Gera hat sich auch Bodo Ramelow (Linke) angesagt, falls nicht wieder etwas dazwischen kommt.
Nick Reimer / Joachim Nibbe