Für eine sozial gerechte Gesellschaft

Resolution des 29. ordentlichen Bundeskongresses der NaturFreunde Deutschlands

Für Ludwig Erhard war es eine konservative, ja reaktionäre Vorstellung, dass einer kleinen Schicht Wohlhabender eine große Masse sozial schwacher Einkommensgruppen entgegensteht. Das war für ihn nicht vereinbar mit den Zielen der sozialen Marktwirtschaft. Das soziale und demokratische Element unserer Wirtschaftsordnung müsse seine Verwirklichung in Verteilungsgerechtigkeit finden.

Der Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung zeigt, wie sehr sich die neoliberale Politik von den Zielen der sozialen Marktwirtschaft entfernt hat. Dass der soziale Konsens demontiert wurde, zeigt sich auch daran, dass der Vorsitzende des Sachverständigenrates für die Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Lage massiv gegen den Mindestlohn polemisiert. In unserem Land haben sich unter dem Dach der Marktideologie Finanzgier und Egoismus breit gemacht.

In den letzten zwei Jahrzehnten hat die Ungleichheit zwischen Arm und Reich stark zugenommen. Aus der Gesellschaft mit einem breiten Mittelstand droht eine steil ansteigende Pyramide der Ungleichheit zu werden: Laut statistischem Bundesamt sind 16 Millionen Deutsche arm, zehn Prozent besitzen etwa 50 Prozent des Vermögens, während rund 50 Prozent etwa ein Prozent des Vermögens halten.

„Die reichen Nationen werden nicht reich bleiben, wenn die Armenhäuser der Menschheit wachsen.“ Dieses Zitat von Willy Brandt gilt im Großen wie im Kleinen. Eine reiche Nation wie Deutschland kann die ungerechte Verteilung von Vermögen und damit von Lebenschancen nicht hinnehmen. Deswegen fordern die NaturFreunde eine faire Verteilung von Lebenschancen.

Armutskrisen, Verteilungskrisen, Klimakrisen und Finanzkrisen dürfen nicht länger gegeneinander ausgespielt werden. Soziale und ökologische Probleme sind untrennbar miteinander verbunden. Deswegen ist die Energiewende nicht in erster Linie ein ökologisches, sondern ein soziales Projekt. Der Sozialstaat ist darauf ausgerichtet, dass wirtschaftliches Wachstum Jahr für Jahr um 2,5 Prozent nach oben geht. Diese Wachstumsraten erreichen wir schon lange nicht mehr. Und Wirtschaftswachstum wird oft auf Kosten anderer Weltregionen und der Natur erzielt. Dabei kann es mit begrenzten Ressourcen kein endloses Wachstum geben, egal ob wir es soziales, grünes oder qualitatives Wachstum nennen.

Wenn wir aber Wohlstand und Gerechtigkeit nicht mehr über „immer mehr“ sichern können, müssen wir sie anders sichern: Wir müssen umfairteilen. Verantwortungsvolle Politik darf sich nicht länger hinter der Systemfrage verstecken. Wer Gerechtigkeit will, muss Mut haben.

Bei jeder Zukunftsinvestition, die für mehr Gerechtigkeit sorgt, malen Neoliberale und Wirtschaftsvertreter den Staatsbankrott an die Wand. Deutschland hat Schulden: 2 Billionen Euro. Deutschland muss sparen. Zum Beispiel an sinnlosen Ausgaben wie dem Betreuungsgeld oder fragwürdigen Großprojekten wie dem Stuttgarter Bahnhof, Berliner Flughafen oder der Hamburger Elbphilharmonie. Und wir müssen entscheiden, wie unser Geld sinnvoll eingesetzt wird: Ein Land, das nur 3 Milliarden Euro ins Bafög für die Zukunft junger Menschen investiert, aber gleichzeitig jedes Jahr 42 Milliarden umweltschädliche Subventionen zahlt, die unsere Zukunft untergra¬ben, muss umsteuern und umverteilen.

Die Deutschen besitzen ein Privatvermögen von mehr als 10 Billiarden Euro. Das ist so viel wie die Staatsschulden aller 27 EU-Mitglieder zusammen. In Deutschland und Europa sind Geld und Vermögen falsch verteilt:

  • Menschen, die ihr Geld in die Schweiz schaffen, sind keine Flüchtlinge, sondern Betrüger.
  • Menschen, die ihren Reichtum nur für den eigenen Wohlstand einsetzen, entziehen sich ihrer Verantwortung.
  • Dagegen leisten Menschen, die mit ihren Steuern dafür sorgen, dass der Staat das betreibt, wofür er da ist, nämlich für Sicherheit, Dasein und Wohlstand zu sorgen, einen guten Beitrag für das Allgemeinwohl.


Wir müssen aber nicht nur Arbeit, sondern auch Vermögen besteuern. Es ist höchste Zeit für einen grundlegenden Kurswechsel, weg von einer Wirtschaft, die von den Erwartungen der Wall Street, der Londoner oder Frankfurter Finanzcity diktiert wird. Politik und Steuerzahler wurden von Gelddealern, die sich maßlos bereichern, regelrecht vorgeführt. Die Gewinne wurden privatisiert und die Verluste werden sozialisiert. Deshalb:

  • Wir brauchen Regeln für die Banken und eine starke Finanztransaktionssteuer.
  • Wir müssen klarstellen, dass in Europa nicht die Banken, sondern die Menschen systemrelevant sind.
  • Wer für Vermögenssteuern und höhere Spitzensteuersätze plädiert, ist verantwortungsvoll.
  • Wer für Mindestlöhne und gegen das Zerschlagen von Vollzeitstellen kämpft, sichert den sozialen Frieden.
  • Engagieren sich die NaturFreunde in Bündnissen und Initiativen wie UMfairTEILEN.


Wer den Satz des Grundgesetzes „Eigentum verpflichtet“ nicht nur für eine Leerformel hält, will erreichen, dass Freiheit und Gerechtigkeit zusammengehören. Und zwar untrennbar.