Für einen sozialen und ökologischen Umbau der Automobilindustrie

Ein Beschluss des 31. Bundeskongresses der NaturFreunde Deutschlands

Heute müssen die Weichen für eine nachhaltige Energie- und Mobilitätswende gestellt werden, wenn wir die zunehmende Klimakrise noch verhindern wollen. Die NaturFreunde Deutschlands wollen den notwendigen ökologischen Umbau der Industriegesellschaft sozial gestalten. Gemeinsam mit den Gewerkschaften, sozialen Initiativen und Mobilitätsinitiativen wollen die NaturFreunde einen Beitrag zum sozialen und nachhaltigen Umbau der Automobilindustrie leisten.

Eine zentrale Forderung seit Gründung der NaturFreunde ist das „Recht auf Mobilität“ als wichtige Grundlage für gesellschaftliche Teilhabe. Mobilität ist ein soziales Menschenrecht, das in einer Weise organisiert werden muss, dass sie weder heutigen noch künftigen Generationen schadet.

Noch immer verdienen die Autokonzerne mit schweren und ressourcenintensiven Autos viel Geld. Durch diese Politik der Autokonzerne fließen Milliarden Euro Investitionen in die falsche Richtung. Statt einen konsequenten Umbau der Automobilindustrie hin zu einer Mobilitätsindustrie zu forcieren, setzen die Konzerne noch immer auf den motorisierten Individualverkehr. Durch ihre Lobbyarbeit wurde eine autozentrierte Verkehrspolitik festgeschrieben und die Bahn kaputtsaniert. Zwischen 1993 und 2017 wurde das nutzbare Schienennetz um rund 7.000 Kilometer reduziert sowie die Deutsche Bahn als Aktiengesellschaft kaputtgespart. Eine solche Verkehrspolitik hat keine Zukunft und wird die Klimakrise weiter anheizen.

Die NaturFreunde erwarten von der Bundesregie- rung, dass sie sich für eine konsequente Begrenzung der Erwärmungsobergrenze auf 1,5 Grad Celsius einsetzt. Dies bedeutet für den Mobilitätssektor eine drastische Reduzierung der Emissionen und einen konsequenten Umbau der Automobilindustrie.

Umbau der Automobilindustrie sozial gestalten

Bereits in den 1970er- und 1980er-Jahren wurden von betrieblichen und gewerkschaftlichen Initiativen Vorschläge für eine grundlegende Veränderung des bisherigen Produktions- und Mobilitätsmodells vorgelegt. Sie forderten konkrete Konversionsschritte für die Automobilindustrie und die Förderung eines nachhaltigen und klimagerechten Verkehrs ein. Heute gibt es eine immer breitere gesellschaftliche Zustimmung, dass eine auf den motorisierten Individualverkehr ausgerichtete Verkehrspolitik an ihre planetarischen Grenzen stößt und soziale und ökologische Verwerfungen mit sich bringt.

Ziel hierbei muss der Aufbau von alternativen Produktionen in der Automobilindustrie sein. Die Natur- Freunde Deutschlands wissen, dass die Autoindustrie für ganze Regionen eine sehr hohe Bedeutung hat. Aufgrund der Exportorientierung der bundesdeutschen Automobilindustrie sind etwa 800.000 Beschäftigte und ihre Familien mit ihren Einkommen von der Automobilindustrie abhängig. Die NaturFreunde wollen gemeinsam mit den Gewerkschaften dafür eintreten, dass beim notwendigen ökologischen Umbau der Automobilindustrie niemand auf der Strecke bleibt.

Die NaturFreunde setzen sich für einen grundlegenden Umbau der Automobilindustrie hin zu einer Mobilitätsindustrie ein. Ziel muss dabei eine klimagerechte und ressourcengerechte Produktion werden. Die Automobilindustrie steht hier vor einem grundlegenden strategischen Wendepunkt:

  • Die Produktion und Nutzung des motorisierten Individualverkehrs trägt zu einem deutlichen Anstieg der globalen Emissionen bei und fördert damit die Klimakrise;
  • Autos tragen erheblich zur Verschmutzung der Luft in den urbanen Großräumen bei und stellen für viele Menschen eine erhebliche Gesundheitsgefährdung dar;
  • die Produktion von Autos verbraucht erhebliche Ressourcen und fördert aufgrund des ungerechten Weltwirtschaftssystems die Ausbeutung vieler Regionen im Globalen Süden.

Die NaturFreunde fordern einen grundlegenden Strategiewechsel in der Automobilindustrie, denn

  • ohne eine grundlegende Veränderung der derzeitigen Produktionsweise werden die dort Beschäftigten keine berufliche Zukunft haben, da die aktuelle Produktionsgrundlage an die planetarischen Grenzen stoßen wird;
  • ohne betriebliche Mitbestimmung durch Gewerkschaften und Beschäftigte wird der Umbau der Automobilindustrie zulasten der Beschäftigten durch die Konzerne organisiert werden;
  • eine Mobilitätswende, die einseitig die Gewinne und Konzerninteressen in den Mittelpunkt stellt, wird keine sozial gerechte Mobilitätswende ermöglichen;
  • eine grundlegende Transformation der Automobilindustrie muss mit der sozialen Absicherung der Beschäftigten verbunden werden, um einen sozialen Abstieg der betroffenen Kolleg*innen zu verhindern;
  • ohne staatliche Rahmensetzung und die Durchsetzung von Beschäftigungsgarantien für betroffene Kolleg*innen wird der Umbau der Automobilindustrie von den Betroffenen als Bedrohung und sozialer Abstieg und nicht als Chance für eine nachhaltige, zukunftssichere und tarifvertraglich abgesicherte Beschäftigung in Zukunftsbereichen gesehen werden;
  • ohne die Entwicklung von neuen Mobilitätsprodukten durch eine gleichberechtigte Teilhabe der Betriebsräte und Gewerkschaften an dem Umbau der Automobilindustrie, werden keine zukunftsfähigen Arbeitsplätze entstehen.

Die NaturFreunde wollen gemeinsam mit den Beschäftigten und ihren Gewerkschaften für einen sozialverträglichen Umbau der Automobilindustrie zu einer Mobilitätsindustrie eintreten. Hierfür wird eine branchenübergreifende Transformationsstrategie benötigt. Für die NaturFreunde steht dabei nicht vorrangig eine Antriebswende für den motorisierten Individualverkehr, sondern eine grundlegende Mobilitätswende im Zentrum.

Die NaturFreunde werden die Interessen der Beschäftigten nach einem sicheren und tarifvertraglich abgesicherten Arbeitsplatz in den Mittelpunkt ihrer Politik stellen. Deshalb fordern wir die verlässliche soziale Absicherung der betroffenen Kolleg*innen und die Sicherung der tariflich erworbenen Ansprüche.

Die NaturFreunde fordern

  • die Ausweitung der Mitbestimmung und die Verankerung ökologischer Mitgestaltungsrechte in der Betriebsverfassung;
  • die Schaffung von regionalen Transformationsräten, die paritätisch aus Politik, Gewerkschaften, Umwelt- und Sozialverbänden und Industrie zusammengesetzt werden;
  • massive Investitionen in Zukunftsprodukte für eine klimagerechte Verkehrswende;
  • die Konzentration der öffentlichen Finanzmittel auf den Umbau der Infrastruktur hin zu einer ökologischen Infrastruktur;
  • ein Recht auf Qualifizierung der Beschäftigten;
  • Investitionen und eine Arbeitsplatzoffensive für den öffentlichen Nah- und Fernverkehr;
  • den Ausbau der Mitbestimmung und die Beteiligung der Beschäftigten bei den anstehenden Veränderungen.

Die NaturFreunde werden

  • in Gesprächen mit der IG Metall für eine gemeinsame Arbeitsgruppe zur ökologischen Transformation der Automobilindustrie eintreten;
  • sich für eine Einschränkung der Macht der großen Automobilkonzerne einsetzen;
  • sich für die Beendigung der Förderung und Subventionierung umweltschädlicher Verkehrsträger einsetzen;
  • sich für einen ordnungspolitischen Rahmen einsetzen, der einen klimagerechten und sozialen Umbau der Industriegesellschaft ermöglicht.

Empfänger*innen: Abgeordnete des Bundestags und der Landesparlamente, die Bundesregierung und Landesregierungen, IG Metall und Betriebsrät*innen in den Automobilunternehmen

Verabschiedet vom 31. Bundeskongress der NaturFreunde Deutschlands, der vom 8.–10. Oktober 2021 in Falkensee bei Berlin tagte.