Ein Kommentar zur UN-Biodiversitätskonferenz in Sharm El-Sheikh von Janinka Lutze, Naturfreundejugend
Mit einer Jacke bekleidet sitze ich im Konferenzsaal im ägyptischen Sharm El-Sheikh, das am südlichsten Zipfel der Halbinsel vor Israel liegt – ich friere. Als offizielles Mitglied der Deutschen Jugenddelegation für Biologische Vielfalt darf ich für die Naturfreundejugend die Verhandlungen der 14. Weltbiodiversitätskonferenz verfolgen. Auch dieses Jahr liegt das Konferenzgelände in einem Gebiet mit fast ausschließlich großen Luxusresorts, vieles ist in Plastik verpackt und die Räume sind viel zu stark gekühlt. Meiner Ernüchterung über die fehlende Nachhaltigkeit in der Veranstaltungsdurchführung folgt die Enttäuschung über das schwache Ergebnis und die Unverbindlichkeit der Zusagen.
Viele kennen wahrscheinlich das UN-Klimaabkommen, doch kaum jemand weiß, dass auf dem Erdgipfel in Rio de Janeiro von 1992 auch weitere Umweltabkommen der Vereinten Nationen entstanden sind. So zum Beispiel die Biodiversitätskonvention (CBD = Convention on Biological Diversity) zum Schutz der Biodiversität, also der Vielfalt an Arten, Lebensräumen und der Genetischen Vielfalt. Die Konvention hat inzwischen 196 Vertragspartner und wurde von 168 Staaten sowie der Europäischen Union unterzeichnet. Alle zwei Jahre findet eine zweiwöchige Konferenz der Vertragsstaaten (COP = Conference of Parties) statt, bei der neue Beschlüsse gefasst werden und sich die Vertragsstaaten auf die nächsten Schritte verständigen. Dieses Mal darf ich dabei sein.
Denn anders als bei der Klima-COP haben bei der CBD-COP auch Interessensvertreter*innen von Gruppen wie etwa Frauen, indigene Bevölkerung und Jugend ein Mitspracherecht. So bietet Deutschland sechs jungen Menschen die Möglichkeit, an der COP teilzunehmen, eine davon bin ich. Als deutsche Jugenddelegation sind wir Teil des Global Youth Biodiversity Network (GYBN), das der globalen Jugend im Biodiversitätsschutz auf UN-Ebene eine Stimme gibt und sich auch zwischen den COP verstärkt für die Bewusstseinsbildung und für die Notwendigkeit des Schutzes einsetzt.
25 Jahre nach der Erstellung der Konvention und kurz vor Ablauf der 20 ambitionierten „Aichi-Ziele“, die 2010 in Nagoya festgelegt wurden, gewinne ich in Sharm El-Sheikh den Eindruck, dass die Staaten schon aufgegeben haben – zwei Jahre vor Ablauf der Ziele. Schon 2014 wurde festgestellt, dass die biologische Vielfalt weiterhin stark bedroht ist und stetig abnimmt und die Aichi-Ziele nicht ausreichend umgesetzt werden. Auf der damaligen COP wurde daraufhin der Pyeongchang-Aktionsplan für verbesserte Umsetzung aufgelegt: mehr finanzielle Mittel von den Mitgliedstaaten und genaue Schlüsselaufgaben. Beides geschah jedoch nur in begrenztem Maße. Mein Eindruck während der Konferenz ist, dass viele Delegierten die Aichi-Ziele einfach ignorieren – auch wenn pro forma ein kurzfristiger Aktionsplan erstellt wurde – und sich bereits auf den Prozess nach 2020 konzentrieren.
Am Ende der Konferenz bleibt das Gefühl der Ernüchterung: Wie schon zuvor scheitert die CBD zu großen Teilen in ihren Planungen, vor allem, da die Implementierung der Ziele nicht ausreichend geplant, festgelegt und mit finanziellen Mitteln abgesichert wird. Die große Frage ist nun, ob sich dies für den Post-2020 Prozess ändern wird.
Um den Rückgang des Verlustes der biologischen Vielfalt zu sichern, sollte auch an tiefgreifenden und grundlegenden Problemen in den Staaten gearbeitet werden. Das betrifft beispielsweise das Aufheben der Machtasymmetrien, vor allem zwischen Nord und Süd, das Aufgeben eines Wirtschaftssystems, das ausschließlich auf Wachstum, Produktion und Konsum ausgelegt ist sowie die mangelnden Kapazitäten für die Umsetzung der Maßnahmen.
Auch die Zeitspanne muss überdacht werden: Können so ambitionierte Ziele bei dem derzeitig rasanten Tempo des Biodiversitätsverlustes wirklich erreicht werden? Ein längerfristiger Plan mit ambitionierten, aber realistischen Meilensteinen wäre eine mögliche Alternative.
Auch die oftmals sehr schwachen Textformulierungen sind enttäuschend: Einige Länder profitieren von vagen Formulierungen und können sich bei dem System der Konsensentscheidungen so durchsetzen. Im Beschluss zu „synthetische Biologie“ finden sich zum Beispiel viele Formulierungen wie „as appropriate“ oder „as may be applied“. Das sind sehr schwache Aussagen, die kaum zu wahren Verpflichtungen führen. In diesem Fall hätten wir in der Jugenddelegation uns strengere Formulierungen wie etwa „are oblieged to“ oder „are urged to“ gewünscht. Einzelne Länder kämpften für stärkere Vorgaben. Andere dagegen beharrten darauf, die Formulierungen vage zu lassen.
Die nächste CBD-COP findet 2020 in China statt. In den letzten zwei Jahren vor dieser COP müssen starke Anstrengungen der Staaten unternommen werden, um den Aichi-Zielen überhaupt nahe zu kommen. Die Forderungen unserer Jugenddelegation waren klar: 2020 müssen schärfere Ziele aufgestellt und ausreichende und verbindliche Zusagen gemacht werden. Die Staaten müssen sich anschließend verstärkt für die Umsetzung der zugesagten Maßnahmen und die Implementierung der Beschlüsse einsetzen.
Janinka Lutze
Naturfreundejugend Deutschlands