Intelligente Kampfmaschinen

Die Rüstungsindustrie steht vor ihrer dritten Industriellen Revolution

© 
Lizenz: 
CC BY-SA 4.0

Im Januar flog die französische Luftwaffe in Mali einen Vergeltungsschlag. Nachdem zwei Soldat*innen der Friedensmission MINUSMA getötet worden waren, hatte eine Reaper-Drohne die Islamist*innen ausfindig gemacht und anderthalb Stunden verfolgt. Nahe des Dörfchen Bounti kam dann der Einsatzbefehl: Bis zu 30 Menschen starben. Aber waren das auch Terrorist*innen? Ein Untersuchungsbericht der UNO erhebt schwere Vorwürfe: Demnach wurde eine malische Hochzeitsgesellschaft angegriffen. Hat die Drohnentechnik versagt?

Die Bundeswehr ist in Mali mit bis zu 1.100 Soldat*innen im Einsatz. Seit Längerem tobt hierzulande eine Debatte über Drohnen. Generalinspekteur Eberhard Zorn fordert eine schnelle Aufrüstung der Bundeswehr, „und zwar nicht irgendwann, sondern in den Auslandseinsätzen, die wir heute erleben“. Im Koalitionsvertrag von Union und SPD heißt es: „Wir werden im Rahmen der Europäischen Verteidigungsunion die Entwicklung der Euro-Drohne weiterführen. Als Übergangslösung wird die Drohne Heron TP geleast.“

„Europa-Drohne ist von höchster Priorität“

Die Drohne Heron TP entwickelte die israelische Armee. Wie die Reaper-Drohne in Mali wird sie von der Bundeswehr überwiegend zur Aufklärung genutzt. Nun sollen drei Milliarden Euro deutsches Steuergeld in die Entwicklung einer „Europa-Drohne“ gesteckt werden, um unabhängig von ausländischen Mächten zu sein. Auch neue Systeme zur Abwehr von Drohnen soll es bis 2026 geben. „Dieses Vorhaben ist von höchster Priorität“, heißt es in einem Konzeptpapier von Bundesverteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU). Die Sorge scheint begründet. Im Krieg um Bergkarabach wurden im vergangenen Jahr erstmals an Europas Grenzen bewaffnete Drohnen auch als Angriffswaffen eingesetzt. Im Verteidigungsministerium wird der Konflikt angesichts des massiven Einsatzes unbemannter Systeme als „erster echter Drohnenkrieg der Geschichte“ bezeichnet.

Die NaturFreunde unterstützen den Appell „Keine Kampfdrohnen!“:
www.drohnen-kampagne.de

Doch es geht längst um mehr als „nur“ Drohnen: Immer mehr Waffensysteme werden mit „Künstlicher Intelligenz“ (KI) ausgestattet, also selbstlernenden Systemen, die das Kommando übernehmen. Denn der Job beispielsweise eines Fregattenkapitäns ist komplex: Lagebeurteilung, Luftraumkoordination, Zielerfassung, Feuerverteilung müssen im feindlichen Angriffsfall binnen Sekunden abgearbeitet und entschieden werden. Natürlich bietet die Digitalisierung auch hier „Assistenten“ – und zwar solche, die neuerdings selbst dazu lernen.

„Die Kalaschnikows von morgen“

Kein „intelligenter Krieg“
Das NaturFreunde-Positionspapier zum Thema
Warum Digitalisierung und sozial-ökologische Transformation zusammengedachtwerden müssen befasst sich auch mit Künstlicher Intelligenz (KI). Die NaturFreunde Deutschlands fordern darin ein sofortiges Verbot aller Waffensysteme, die mit KI gesteuert werden. Denn KI mache den Krieg nicht etwa „intelligenter“, sondern nur anonymer und brutaler, warnen die NaturFreunde.

Das Papier kann hier heruntergeladen werden:
www.kurzelinks.de/nfd-digitale-transformation

Die digitale Automatisierung auf dem Schlachtfeld gilt in der Rüstungsindustrie mittlerweile als die „Dritte Revolution“ nach dem Schießpulver und der Atombombe. Expert*innen sprechen vom „Hyperwar“ – einem räumlich entgrenzten Krieg, der gleichzeitig in der Luft, am Boden und im Cyberraum geführt wird. Was in der Welt der Militärs als fantastisch gilt, treibt die Wissenschaft zum Wahnsinn. Schon vor fünf Jahren haben Tausende Wissenschaftler*innen aus dem Bereich KI und Robotik einen offenen Brief gegen autonome Waffen unterzeichnet: „Wenn irgendeine der großen Militärmächte die KI-Waffenentwicklung fortführt, ist ein globaler Rüstungswettlauf letztlich unvermeidlich, und der Schlusspunkt dieses technischen Pfades ist klar: Autonome Waffen werden die Kalaschnikows von morgen sein.“

Anders als Nuklearwaffen benötigen diese keine teuren oder schwer zu erlangenden Materialien mehr. Daher werden sie allgegenwärtig und für alle bedeutenden Militärmächte in der Massenproduktion kostengünstig sein – der Beginn eines neuen Kriegszeitalters. Nach langem Zögern hat die SPD im April dem Bau der „Europa-Drohne“ zugestimmt, Haushaltsausschuss und Verteidigungsausschuss des Bundestages machten den Weg für die Serienproduktion frei. Ab dem Jahr 2029 soll die Drohne an die beteiligten Staaten Frankreich, Italien, Spanien und Deutschland ausgeliefert werden, mindestens 7,6 Milliarden Euro sind veranschlagt.

Nur ob die Drohne auch schießen darf, ist noch nicht entschieden: Herta Däubler-Gmelin, die Grande Dame der Sozialdemokratie, soll eine Kommission leiten, die verfassungsrechtliche und ethische Aspekte einer solchen Tötungsswaffe beleuchtet.

Nick Reimer