Ein Standpunkt von Michael Müller, Bundesvorsitzender der NaturFreunde Deutschlands
Im Frühjahr hat der 30. NaturFreunde-Bundeskongress in Nürnberg das Manifest für eine soziale und ökologische Transformation beschlossen. Es geht davon aus, dass unsere Zeit in einer tiefen Interpretations- und Orientierungskrise steckt: „Die Demokratie wird geschwächt, der soziale Zusammenhalt zerbricht, die Idee des Fortschritts ist fragwürdig geworden, das Kräfteverhältnis zwischen Kapital und Arbeit hat sich kräftig verschoben.“
Wir NaturFreunde wollen uns einmischen. Mit vielen demokratischen Organisationen werben wir zum Beispiel gerade für die Einführung von bundesweiten Volksentscheiden. Die künftige Regierungskoalition soll eine Grundgesetzänderung vereinbaren, mit der Volksinitiativen, Volksbegehren und Volksentscheide auf Bundesebene eingeführt werden. Und zwar nach dem Vorbild der Länder. 72 Prozent der Bürgerinnen und Bürger wollen diese direkte Demokratie.
Viele NaturFreunde engagieren sich in einer Partei, aber wir sind auch eine außerparlamentarische Opposition. Beides gehört aus unserer Sicht zusammen, damit sich etwas bewegt. Denn unsere Gesellschaft braucht dringend eine sozialökologische Transformation. Sie ist eine ungeheuer große Kraftanstrengung.
Nicht wenige glauben, dass die umständlichen und langsamen Willensbildungsprozesse der parlamentarischen Demokratie dazu nicht in der Lage sind. Manchmal wird sogar der Ruf nach einem starken Mann oder einer starken Frau laut, die das Steuer entschlossen herumreißen.
Wir NaturFreunde halten davon nichts. Vielmehr wollen wir die Demokratie stärken und glauben, dass sich viele Menschen aus wohlverstandenem Eigeninteresse und aus solidarischer Überzeugung für den Weg eines neuen Fortschritts entscheiden. Ihnen ist das Überleben der Mit- und Nachmenschen nicht einerlei. Aber sie müssen ernst genommen werden und mehr Möglichkeit haben, sich beteiligen zu können. Heute geht es um eine universelle, sozial fundierte und ökologisch verträgliche Freiheit.
„Mehr Demokratie wagen“ von 1969 ist hochaktuell, gerade wegen der angeblich alternativlosen und meist wirtschaftlichen Sachzwänge, die über die Köpfe hinweg durchgezogen werden. Betroffene werden nicht einbezogen, Entscheidungsgründe nicht offengelegt.
Weil wir das nicht wollen, auch nicht, dass die Zahl der Nichtwähler weiter steigt und sich von der parlamentarischen Demokratie frustriert abwendet, drängen wir auf eine direktdemokratische Ergänzung der parlamentarischen Demokratie. Wir sprechen uns dafür aus, neue Formen der Bürgerbeteiligung gesetzlich festzulegen und die parlamentarische Gesetzgebung eng mit der direkten Demokratie zu verzahnen.
Dazu gehören bundesweite Volksentscheide. Sie sind ein notwendiger Beitrag, um den demokratischen Raum zurückzuerobern.
Michael Müller
Bundesvorsitzender der NaturFreunde Deutschlands