Naturschutz und Rechtsextremismus

Fachstelle Radikalisierungsprävention und Engagement im Naturschutz (FARN) nimmt Arbeit auf

© 

Die NaturFreunde und die Naturfreundejugend Deutschlands haben gemeinsam die Fachstelle Radikalisierungsprävention und Engagement im Naturschutz (FARN) gegründet. FARN untersucht die historischen und aktuellen Verknüpfungen des deutschen Natur- und Umweltschutzes mit extrem rechten und völkischen Strömungen. Hierzu bietet FARN im Jahr 2018 eine Reihe von Bildungsmaterialien und -veranstaltungen.

 

Naturschutz und Rechtsextremismus?

Natur- und Umweltschutz wird in der Öffentlichkeit zumeist als eine junge Bewegung wahrgenommen und zudem mit alternativen Lebensstilen, liberalen Werten und linkspolitischen Strömungen verknüpft.

Die mehr als 100-jährige Geschichte des deutschen Naturschutzes, die immer wieder auch Verknüpfungen und Überschneidungen mit nationalchauvinsistischen und völkischen Ideen und Strömungen aufweist, ist kaum jemandem präsent.

Auch die Verstrickungen des deutschen Natur- und Umweltschutzes mit den Schrecken des Faschismus sind in der Öffentlichkeit wenig bekannt. In der NS-Ideologie war der Naturbegriff geodeterministisch geprägt. Natur wurde primär als Lebensraum für das „Volk“ gesehen und von dessen Kultur überformt. So wurden Landschaften zum vermeintlich sichtbaren Ausdruck völkischer Kultur.

Konkret äußerte sich das in der Vorstellung, dass die germanische Herkunft zusammen mit der Natur die körperlichen, geistigen und charakterlichen Eigenschaften des deutschen Volkes geprägt habe. Um diese spezifischen Merkmale des eigenen „Volkes“ zu bewahren, wurde also auch die natürliche Umgebung geschützt. Der „Deutsche Wald“ – als sinnstiftender Mythos von hoher Bedeutung – sollte für die Erhaltung und Entfaltung der deutschen Kultur bewahrt werden. Ebenso wurden unter strenger Achtsamkeit bei Projekten wie der Autobahnbegrünung nur sogenannte heimische Arten gepflanzt, um den Eingriff in die Landschaft und damit die völkische Kultur möglichst gering zu halten.

Eine Verbindung zwischen dem deutschen Naturschutz, der „Endlösung der Judenfrage“ und der „Osterweiterung“ lässt sich an vielen Stellen nachweisen. So galt Oswiecim (Auschwitz) als ein Pilotprojekt für die „Eindeutschung“ einer Stadt und ihrer Umgebung. Die entstehenden Siedlungen sollten „durchgrünt“ (hierzu zählte das Anlegen von Selbstversorgergärten und Heckenlandschaften) und so zu „deutschen Gebieten“ geformt werden. Die Neugestaltung der Stadt und ihrer Umgebung (darin impliziert ist auch die Neugestaltung des Konzentrationslagers Auschwitz-Birkenau) wurde durch den Einsatz von Zwangsarbeiter*innen realisiert. Eine Ansiedelung deutscher Volksgruppen wiederum konnte natürlich nur vollzogen werden, wenn zuvor die „volksfremden Bevölkerungsanteile“ mittels organisiertem Massenmord „entfernt“ wurden.

Personelle und ideologische Kontinuitäten bis hinein in den bundesrepublikanischen Naturschutz sind in großer Zahl vorhanden. Konrad Lorenz, Reinhold Tüxen, Heinrich Wiepking-Jürgensmann und Alwin Seifert sind nur einige Beispiele. Eine systematische Aufarbeitung hat bis heute nicht stattgefunden.

Ist das heute noch relevant?

Extrem rechte Einzelpersonen und Gruppierungen engagieren sich im Natur- und Umweltschutz. Sie wehren sich gegen Gentechnik und Atomenergie. Wir begegnen ihnen auf Demonstrationen gegen Freihandelsabkommen und gegen eine ausbeuterische industrialisierte Landwirtschaft.

Die Grenzen zwischen den politischen Lagern scheinen zu verschwimmen. Tatsächlich decken sich viele Forderungen der grünen Braunen mit denen von (Jugend-) Umweltverbänden und Naturschutzorganisationen.

Während die Veranstalter*innen der Demonstrationen zunehmend nach Strategien gegen eine rechte Unterwanderung suchen, hört man aus den Reihen der aktiven Natur- und Umweltschützer*innen aber auch immer wieder ganz andere Töne: „Ist es der Natur nicht egal, von wem sie geschützt wird?“ oder „Muss man sich nicht über jeden Menschen freuen, der sich engagiert? Sollten politische Differenzen an dieser Stelle nicht beiseitegelegt werden?“

Gerade junge Menschen, die oft keinen familienbiographischen Bezug mehr zu den Schrecken des Faschismus haben und in den meisten Fällen wohl auch nicht mehr die Chance erhalten werden, mit Überlebenden der Shoah zu sprechen, mögen sich angesichts der nahezu allgegenwärtigen Bedrohung ihrer Lebensgrundlagen durch Übernutzung der Ressourcen die Frage stellen, ob es nicht Wichtigeres gibt, als die politische Gesinnung einzelner Natur- und Umweltschützer*innen. Eine Querfront scheint verlockend.

Erst bei genauerem Hinsehen wird deutlich, dass die politische Verortung von Natur- und Umweltschützer*innen eben nicht irrelevant ist. Zwar gibt es tatsächlich viele gesellschaftspolitische Forderungen im Bereich des Natur- und Umweltschutzes, die in allen politischen Lagern gleich zu sein scheinen, die Herleitungen und Begründungen unterscheiden sich jedoch deutlich. So ist der rechte Natur- und Umweltschutz stets verknüpft mit rassistischen, biologistischen und völkischen Ideen – etwa mit den Neu-Rechten-Konzepten vom „Ethnopluralismus“ oder der „Umvolkung“. Hier geht es immer auch um die Ideen von „angestammten Territorien der Völker“, um die „Reinhaltung“ von Staaten und Gesellschaften, um die „Verteidigung des Eigenen“ und schließlich auch um Remigration und Schutz der Grenzen.

Aktive im Natur- und Umweltschutz tun demzufolge gut daran, hier Distanz zu suchen. Eine Querfront mit extrem rechten Natur- und Umweltschützer*innen ist abzulehnen. Natur- und Umweltschutz darf nicht ausgespielt werden gegen Demokratie und Menschenrechte. Das Engagement gegen die Ausbeutung der Natur muss vielmehr Hand in Hand gehen mit dem Engagement gegen die Ausbeutung des Menschen.

FARN will personelle und konzeptionelle Kontinuitäten im Natur- und Umweltschutz sichtbar machen. Die Fachstelle wird Schnittmengen und Anknüpfungspunkte von rechten Positionen im Natur- und Umweltschutz identifizieren und Vermeidungsstrategien erarbeiten. Präventionskonzepte für Jugendliche und junge Erwachsene werden konzipiert.

Veranstaltungen 2018

28.4.2018
Seminar | Natur- und umweltpolitische Themen in Publikationen der extrem Rechten

Natur- und Umweltschutzthemen finden sich immer wieder auch in Publikationen von extrem Rechten. Und das nicht ohne Grund: Das Engagement für Umwelt, Natur und Tier ruft in der Mehrheitsgesellschaft Sympathien hervor. So werden demokratiefeindliche und menschenverachtende Positionen und Ideen in die Mitte der Gesellschaft transportiert. Wie erkennt man Publikationen von rechten Gruppierungen? Wie kann trotz gleicher Themenfelder deutlich und unmissverständlich Distanz hergestellt werden?
Ort: Landesgeschäftsstelle NaturFreunde Hessen (Frankfurt)

2.6.2018
FARN-Fachtagung | Schöne neue Heimat? Nationalchauvinistische und völkische Ideologien im Natur- und Umweltschutz und wie man sich dagegen wehren kann

Die Fachtagung informiert Tätige im Natur- und Umweltschutz, der Jugendverbandsarbeit sowie der Rechtsextremismusprävention über historische und aktuelle Verknüpfungen zwischen Rechtsextremismus und Natur- und Umweltschutz. Die Teilnehmenden lernen Präventions- und Interventionsstrategien kennen und erwerben Kenntnisse über Unterwanderungsstrategien von rechten Gruppierungen und Einzelpersonen.
Ort: Naturfreundehaus Teutoburg (Bielefeld)

8.–10.6.2018
Fortbildung: Diversität – mehr als biologische Vielfalt. Diversitätssensible Arbeit in Natur- und Umweltschutzverbänden

Vielfalt und Verschiedenheit sind zentrale Bestandteile einer offenen, demokratischen Gesellschaft. Die Förderung und Pflege von Diversität stellt ein unmittelbares Gegengewicht zu rechtsextremistischen, demokratiefeindlichen und menschenverachtenden Haltungen und Aktivitäten dar. Die Fortbildung richtet sich an Aktive im Natur- und Umweltschutz sowie der Kinder- und Jugendarbeit, die mit der Organisation von Veranstaltungen betraut sind.
Ort: Naturfreundehaus Hannover

31.8.–1.9.2018
Seminar: Heimatschutz – Naturschutz – Umweltschutz: Die völkische Tradition des Umweltschutzes

Seit seiner Entstehung ist der Natur- und Umweltschutz oft mit völkischem, nationalistischem und faschistischem Gedankengut verbunden. Ist das Zufall oder bieten gerade Umweltschutzthe­men Ansatzpunkte für die menschenfeindlichen Ideologien der Parteien der Rechten? Das Seminar geht auf die Geschichte des Natur- und Umweltschutzes sowie der Lebensreformbewegung ein, analysiert das Konzept des Heimatschutzes als Teil der rechten Umweltideologie und erläutert die Ansatzpunkte der politischen Rechten in der umweltpolitischen Diskussion.
Ort: Naturfreundehaus Hannover

19.–21.10.2018
Fortbildung | Auf ein Wort und mit klarer Kante. Präventions- und Beratungsarbeit für Jugendliche und junge Erwachsene

Die Fortbildung richtet sich an Aktive im Natur- und Umwelt­schutz sowie der Kinder- und Jugendhilfe. Rechtsextremismus, Demokratiefeindlichkeit und gruppenbezogene Menschen­feindlichkeit sind Phänomene, die überall auftauchen können. Wie sehen Präventionsstrategien aus? Wie können sie ganz praktisch umgesetzt werden? Was können wir schon? Welche Hilfen brauchen wir?
Ort: Naturfreundehaus Teutoburg (Bielefeld)

10.–11.11.2018
Fortbildung | Zwischen den Zeilen. Von der biologischen Invasion zur neurechten „Umvolkung“

Die Fortbildung richtet sich an Tätige in der Öffentlichkeitsarbeit von Natur- und Umweltschutzverbänden. Untersucht werden gängige Sprachbilder und Begrifflichkeiten auf Anschlussfähigkeit für extrem rechtes Gedankengut. Alternativen werden aufgezeigt. Ein besonderer Fokus liegt auf der Arbeit mit Social Media.
Ort: Naturfreundehaus Teutoburg (Bielefeld)