Die neue Völkerwanderung

Wir brauchen eine neue inhaltliche Qualität in der Debatte über Flüchtlinge

Zur aktuellen Flüchtlingsdebatte erklärt Michael Müller, Bundesvorsitzender der NaturFreunde Deutschlands:

Aus der Menschheitsgeschichte wissen wir: Immer wenn es dramatische soziale, ökonomische, politische oder auch ökologische Ungleichgewichte gibt, dann kann es zu Völkerwanderungen kommen. Manche der Völkerwanderungen in Europa hatten mit massiven Klimaveränderungen zu tun, auch in Mitteleuropa. Ende des letzten Jahrhunderts kam es im Sudan zu einer gewaltigen Migrationsbewegung – nicht zuletzt durch die Austrocknung der Böden und die verheerende Verschlechterung der Ernährungslage. Ethnische und weltanschauliche Differenzen kamen hinzu und kosteten viele Menschen das Leben.

Auch heute sind neben Bürgerkriegen und Diktaturen vor allem ökologische Verwüstungen und eine Verschlechterung des Klimas Hauptgründe für die neuen Völkerwanderungen. Und die sind menschenverursacht. Auch die Menschen in den Industriestaaten sind vor den Folgen nicht geschützt. Es wird, das ist die Erkenntnis, keine abgeschotteten grünen Oasen auf einem verwüsteten Planeten geben. Die Welt gerät immer tiefer in ein nicht auflösbares Dilemma: Auf der einen Seite verlassen gerade die leistungsfähigsten und am besten ausgebildeten Menschen ihre Länder, deren Zukunft gerade von ihrer Leistungskraft abhängig ist. Auf der anderen Seite werden die unmenschlichen Bilder der Abschottung unerträglich. Ohne eine Weltinnenpolitik kann es keine Lösung geben.

Ungeklärte Fragen schaukeln die Emotionen hoch. Die neue Völkerwanderung wird zur größten Herausforderung an Demokratie, Menschlichkeit und Zusammenleben. Lösungen setzen ein gegenseitiges Verständnis voraus und einen Blick auf die Ursachen, damit Perspektiven entwickelt werden können. Die Debatte über Flüchtlinge und Migrationsbewegungen muss auf eine neue Ebene gehoben werden.
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