„Kleine Kommunen haben es schwer“

Interview mit Andreas Vetter vom Bundesumweltamt, der Konzepte für die Anpassung an den Klimawandel entwickelt

NATURFREUNDiN Der Weltklimarat IPCC hat gerade seinen 5. Sachstandsbericht zur Erderwärmung vorgestellt und warnt vor gigantischen Folgen für uns Menschen. Herr Vetter, was kommt da auf uns zu?

Andreas Vetter Die Durchschnittstemperaturen und auch die Niederschlagsmuster verändern sich. Niederschläge verlagern sich stärker vom Sommer in den Winter. Extremwetter wie Starkregen treten häufiger auf. Darauf muss die Gesellschaft reagieren. Gerade in Städten können solche Starkregen zu Sturzfluten führen. Hitzeereignisse hingegen, die im Sommer über einen langen Zeitraum andauern, heizen die Städte auf. Das wiederum kann zu gesundheitsgefährdenden Hitzeinseln führen. Politiker, Wissenschaftler und Unternehmen müssen jetzt überlegen, wie sich die Gesellschaft daran anpassen kann.

NFiN Deshalb hat das Umweltbundesamt das „Kompetenzzentrum Klimafolgen und Anpassung“ eingerichtet. Was ist das?

AV Unser zehnköpfiges Team entwickelt Forschungsprojekte zu den Folgen des Klimawandels. Dabei forschen wir aber nicht selbst, sondern schreiben die Projekte für Universitäten und Forschungsinstitute aus. Unsere Aufgabe ist es vielmehr, die Ergebnisse für Politik und Gesellschaft aufzubereiten.

NFiN Wo also mus sich die Gesellschaft anpassen?

AV Das betrifft ganz unterschiedliche Bereiche: zum Beispiel das Bauwesen, den Wasserhaushalt, die Landwirtschaft, die Forstwirtschaft oder auch die menschliche Gesundheit. In der deutschen Anpassungsstrategie haben wir 13 Handlungsfelder identifziert, in denen die Erderwärmung gravierende Veränderungen unseres Lebens mit sich bringen wird. An die müssen wir uns anpassen.

NFiN Zum Beispiel?

Andreas Vetter, geboren 1975 im brandenburgischen Altdöbern, hat Landschaftsplanung studiert und hilft heute Kommunen, sich an die Folgen des Klimawandels anzupassen. Mit seinen Kollegen vom Kompetenzzentrum Klimafolgen und Anpassung (KomPass) entwickelt Vetter Forschungsprojekte, die Wissen für die Klimaanpassung liefern sollen. andreas.vetter@uba.de

AV Zum Beispiel unser Wasserhaushalt. Der wird sich durch die Erderwärmung stark verändern. Das hat Konsequenzen für die Stadtentwässrung, für die Trinkwasseraufbereitung oder auch die Verfügbarkeit von Grundwasser. Und wenn sich das Wasser in den Flüssen erwärmt, dann hat das sogar Auswirkungen auf die Stromerzeugung. Denn Flusswasser wird zum Kühlen von Kraftwerken verwendet. Schon heute müssen in heißen Sommern Kraftwerke abgestellt werden, weil die Flüsse nicht genug kühlen.

NFiN Ein anderes Beispiel?

AV Unsere Böden, die Grundlage des Lebens. Durch die Folgen der Erderwärmung dürfte es zu einer stärkeren Erosion kommen. Das klingt vielleicht harmlos. Der Sturm aus Ackerstaub 2011 auf der Autobahn A19 zeigt aber auf eine gewisse Art, wie gefährlich das ist: Damals kam es zu einer Massenkarambolage mit zehn Toten. Aber der Klimawandel verändert wahrscheinlich auch die Böden selbst, ihren Nährstoffhaushalt. Das macht es immer schwieriger, demnächst neun Milliarden Menschen zu ernähren.

NFiN Wie verhält es sich im Bauwesen?

AV Die Städte zum Beispiel müssen grüner werden, wenn es immer wärmer wird. Denn Schatten und die Verdunstungseffekte von Bäumen senken die Temperaturen. Von heute auf morgen kann man aber keine Stadt umbauen. Das muss langfristig angelegt werden und in Konzepte der Stadtentwicklung integriert werden. Und es ist natürlich günstiger, wenn man einen solchen Stadtumbau peu à peu betreibt.

NFiN Wie viel Zeit bleibt eigentlich für die Anpassung an den Klimawandel?

AV Einige Folgen der Klimaänderungen, zum Beispiel Starkregen- und Hochwasser, sind heute schon real und besonders schwerwiegend. Da muss man sofort ran. Anders ist es bei  Veränderungen von Meeresökosystemen oder der Migration von Menschen aus von Klimaänderungen stark betroffenen Regionen: Diese Folgen des Klimawandels sind für uns vielleicht erst in 20 bis 50 Jahren relevant, weil sich die Problemlage erst nach und nach für uns sichtbar entwickelt.

NFiN Im Juni hat das Orkantief „Ela“ einen Schaden von 650 Millionen Euro verursacht. Besonders die Kommunen leiden unter solchen Extremwettern. Ist denen das Problem überhaupt bewusst?

AV Die Kommunen haben vor allem in der Stadtentwicklung beste Möglichkeiten, sich auf das vorzubereiten, was kommt. Es gibt inzwischen ein Programm, mit dem das Bundesumweltministerium die beispielhafte Anpassung an den Klimawandel auf kommunaler Ebene fördert. Auch der Bund finanziert Anpassungskonzepte für Kommunen. Das heißt: Jede Kommune kann einen Auftrag an ein Planungs- oder Ingenieurbüro geben, das dann die erforderlichen Anpassungen vor Ort entwickelt.

NFiN Sie sagen „kann“. Machen die Kommunen das auch?

AV Noch nicht in dem Maße, wie es nötig wäre. Großstädte haben schon relativ gute Anpassungskonzepte. Die Schwierigkeit liegt eher bei kleinen Kommunen, sie haben oft nicht die Kapazitäten oder das Personal, um sich mit diesem relativ neuen Thema auseinander zu setzen. Wir probieren deshalb über Vernetzung und online kostenfrei verfügbare Informationstools entsprechendes Wissen in die Kommunen hineinzubringen. Ich betreue zum Beispiel das Projekt „Kommunen befähigen“. Da arbeiten wir mit zehn kleineren und mittleren Kommunen und einem Landkreis beispielhaft zusammen.

NFiN Deutschland hat eine Anpassungsstrategie an die Folgen des Klimawandels. Was ist das Ziel?

AV Die Bundesregierung hat 2008 beschlossen, die Verletzbarkeit von Umwelt und Gesellschaft zu verringern und deren Anpassungsfähigkeiten an die Folgen des Klimawandels zu erhöhen. Dafür sollte ein „Aktionsplan Anpassung“ des Bundes erarbeitet werden, der 2011 verabschiedet wurde.

NFiN Was unterscheidet den Aktionsplan von der Strategie?

AV Der Aktionsplan beschreibt, welche Maßnahmen erforderlich sind und wer für die Umsetzung, die Kontrolle und die Finanzierung zuständig ist. Der Bund kann Gesetze ändern, auf technische Regelwerke Einfluss nehmen oder Finanzierungsprogramme aufsetzen, um beispielsweise Kommunen in die Lage zu versetzen, sich besser an den Klimawandel anzupassen.
Natürlich kann der Bund – dort wo er das Sagen hat – auch selbst aktiv werden. Nehmen wir die Bahn als Beispiel: Über das Eisenbahnbundesamt kann der Bund die Bahn auf die Erderwärmung vorbereiten. Wenn stärkere Stürme oder Unwetter auftreten, werden auch mehr Schienen oder Oberleitungen beschädigt. Das Eisenbahnbundesamt hat beispielsweise geprüft, ob man die Bäume an den Schienen nicht in größeren Abständen pflanzen sollte.

NFiN Sollte man?

AV Jedenfalls wäre so manche Unwetterverspätung vermeidbar.

NFiN Politiker fragen immer, „was kostet das“. Wie hoch sind denn die Kosten der Anpassung?

AV Wir gucken eher auf die Kosten-Nutzen-Verhältnisse. Unsere Experten wollen den Entscheidungsträgern in Kommunen nicht nur sagen können, was eine Maßnahme kostet, sondern auch, was sie bringt. Für 28 zentrale Maßnahmen wie zum Beispiel die Dachbegrünung in Städten, die Renaturierung von Auenwäldern zum Schutz vor Hochwasser oder den Einsatz hitzeresistenter Beläge gegen Straßenschäden haben wir eine Kosten-Nutzen-Analyse durchgeführt. Tatsächlich sind genau die drei eben genannten Maßnahmen besonders empfehlenswert.
Und man muss wissen: Günstige Kosten-Nutzen-Verhältnisse zeigen sich oft erst bei langfristigen Kalkulationen. Ohne gute Anpassung wird es langfristig teurer. Denn je länger man mit der Anpassung wartet, desto größer werden die Schäden. Das Problem ist aber, dass Kommunen oft sehr kurzfristig handeln.

Das Interview mit Andreas Vetter führte Sandra Kirchner.
Es erschien zuerst in der NATURFREUNDiN 3-2014.