Zehn Forderungen für eine EU-weite Bodenschutzpolitik

Gemeinsame Erklärung der Umweltverbände

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Böden sind komplexe, in sich und mit Flora und Fauna vielfach vernetzte Lebensräume. Diese vielfältigen Lebensräume gilt es zu schützen. Nachdem eine europäische Boden-Rahmenrichtlinie im letzten Jahr scheiterte, brauchen wir einen neuen Impuls in der europäischen Bodenpolitik. Das breite Bündnis aus Boden- und Naturschutzorganisationen fordert verbindliche europäische Regelungen zum Schutz des Bodens – so wie es bei Wasser und Luft längst der Fall ist.

 

  1. Gemeinsame Ziele in Europa
    Für eine EU-Bodenschutzpolitik brauchen wir gemeinsam entwickelte Ziele. Diese Ziele müssen den Erhalt sowie die Herstellung und Sicherung der natürlichen Bodenfunktionen und der Bodenstruktur beinhalten. Nur mit allgemeingültig ausgehandelten Zielen kann ein guter ökologischer Zustand der europäischen Böden gewährleistet werden. Die Mitgliedstaaten müssen sich zu einem gemeinsam vereinbarten guten ökologischen Zustand verpflichten – vergleichbar dem Vorbild der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie.
  2. Flächeninanspruchnahme von natürlichen Böden begrenzen
    Die Versiegelung der Europäischen Böden wird jährlich auf etwa 500 Quadratkilometer geschätzt. Das entspricht einer Fläche halb so groß wie Berlin. Wir brauchen eine einheitliche Regelung zur allgemeinen Inanspruchnahme von natürlichen Böden. Natürliche Böden sollten erst bei nachgewiesenem Bedarf und bei voller Ausschöpfung bereits beanspruchter Flächen baulich in Anspruch genommen werden. Landwirtschaftliche Nutzflächen sollten wir erhalten und aus degradierten Flächen wiedergewinnen, wir brauchen sie verstärkt zur Lebensmittelerzeugung. Die Politik muss bestrebt sein, den Flächenverbrauch durch wachsende Städte bis spätestens 2050 zu stoppen (Zero-Nettoverbrauch), so wie es bereits in der Strategie für ein ressourcenschonendes Europa von der EU-Kommission vorgeschlagen wurde. Neben der Versiegelung ist die wettbewerbsgetriebene, zum Teil extreme Intensivierung der landwirtschaftlichen Nutzung eine Inanspruchnahme der Böden mit erheblichen ökologischen und boden-chemischen Folgewirkungen. Hier sollten europaweite Vorgaben kurz- und langfristig stabile, umweltverträgliche Bodennutzung einfordern und sicherstellen.
  3. EU-weit vergleichbare Schutzmaßnahmen
    Die Europäische Kommission muss unter Einbindung der Mitgliedstaaten und des EU-Parlaments EU-weit vergleichbare Maßnahmen zum Bodenschutz festlegen. Die Maßnahmen sollen regionale Unterschiede der Mitgliedstaaten berücksichtigen. Es muss einheitliche Regeln für alle EU-Länder mit Fristen für die Umsetzung gesteckter Ziele geben. Zu den vergleichbaren Maßnahmen gehören unter anderem vorsorgende Handlungsweisen, aber auch Sanierungsmaßnahmen und Grundwassersicherheit. Es müssen auch von den Mitgliedstaaten „prioritäre Gebiete“ bestimmt werden, für die besondere Risiken wie Erosionsanfälligkeit, Versalzungsgefahr, Bodenverdichtung u.a. bestehen. Zudem müssen Referenzgebiete mit bodentypspezifischen Bedingungen erarbeitet werden.
  4. Einheitliche Standards und Grenzwerte
    Gerade im stofflichen Bereich sind einheitliche Bewertungsgrundlagen und Grenzwerte für Schadstoffe in Europa wesentlich. Diese würden sowohl dem Schutz der Umwelt und der Gesundheit der Menschen dienen als auch für einheitliche Wettbewerbsbedingungen in Europa sorgen. Instrumente und Bewertungsmaßstäbe müssen nationalstaatlich festgelegt werden und regionale Besonderheiten berücksichtigen. Die Europäisierung der Grenzwerte darf aber nicht dazu führen, dass die Festlegung dieser Gemeinschaftswerte unter bereits bestehende Grenzwerte in einzelnen Staaten zurückfällt. Zudem müssen von den nationalstaatlichen Akteuren wichtige Bodenfunktionen und Bodeneigenschaften langfristig überprüft werden, um eine Verringerung der Schadstoffeinträge objektiv messbar machen zu können (Bodenmonitoring). In die Schadenserfassung sind auch Bodenverdichtungen einzubeziehen, die beim Einsatz schwerer Maschinen in der Land- und Forstwirtschaft entstehen.
  5. Nexus-Ansatz berücksichtigen
    Der Bodenschutz ist eine Querschnittsaufgabe. Er muss in andere Politikbereiche integriert werden. Hierzu zählen die Forst- und Landwirtschaft im Bereich der Ernährungssicherheit, der Hochwasserschutz (Wasserrückhalt in der Fläche und im durchlässigen Boden mit seiner Schwammwirkung), die Grundwasserneubildung (Filterfunktion) und der Oberflächengewässerschutz (Puffer und Filter für Verunreinigungen und Nährstoffe). Die EU-Verkehrspolitik sowie die Europäische Struktur- und Regionalpolitik muss bei Infrastrukturmaßnahmen die Versiegelung, Verdichtung und Bodenverunreinigung in ihren Handlungsvorgaben berücksichtigen und zu deren Vermeidung und Minimierung beitragen.
  6. Boden als CO₂-Speicher nutzen
    Böden leisten einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz. Böden binden nach den Ozeanen den meisten Kohlenstoff. Die Umwandlung von Grünland in Ackerland sowie die Trockenlegung von Feuchtgebieten (Mooren) muss gestoppt werden. In der EU-Klimadebatte muss dem Boden als CO₂-Speicher endlich eine zentrale Rolle zu Gute kommen.
  7. Landgrabbing unterbinden
    Die Übernahme von großen landwirtschaftlichen Flächen durch kapitalstarke Investoren führt zu Monokulturen, einer Intensivierung der konventionellen Landwirtschaft und somit zur Schwächung der natürlichen Bodenfunktionen. Örtliche Landwirte müssen in allen Mitgliedstaaten bei Flächenverkehrs-geschäften ein Vorkaufsrecht bekommen. Die EU muss den Prozess der Landkonzentration aufhalten. Große Landwirtschaftsflächen müssen im Verhältnis weniger Agrarsubventionen erhalten.
  8. Anreizorientierte Maßnahmen etablieren
    Auf EU-Ebene müssen Anreize geschaffen werden, die der Bodenkontamination, der Bodenverdichtung, der Erosion und dem Flächenverbrauch durch Versiegelung vorbeugen. Die Förderung der ökologischen Landwirtschaft spielt hierbei eine Schlüsselrolle.
  9. Verursacherprinzip konsequent anwenden
    Verursacher von Bodenverunreinigungen und physikalischen Bodenschäden, wie beispielsweise im Bergbau oder in der Land- und Forstwirtschaft, müssen zur Wiederherstellung der natürlichen Bodenfunktionen verpflichtet werden. Was in der IED-Richtlinie für ihren Geltungsbereich der Industrieanlagen bereits gilt, sollte umfassend für alle Verursacher umgesetzt werden.
  10. Öffentlichkeit sensibilisieren
    In diesem Jahr erfährt der Boden durch das von den Vereinten Nationen ausgerufene „Internationale Jahr des Bodens“ zwar vermehrte Aufmerksamkeit. Dennoch besteht weiterhin das teilweise negative Image von Böden in der Öffentlichkeit („Dreck unter den Schuhen“) und ein geringes Bewusstsein für die Bedeutung der Böden. Das Thema Bodenschutz muss durch gezielte öffentlichkeitswirksame Maßnahmen in den Köpfen der Menschen verankert werden: in Kitas, in Rahmenlehrplänen an Schulen, aber auch in Ausbildungsstätten und Universitäten. Staatliche Behörden und politische EntscheidungsträgerInnen sind hier ebenso mit einzubeziehen.

Kontaktpersonen der Verbände

  • Bundesverband Boden Prof. Dr. Dr. Berndt-Michael Wilke, Präsident, bmwilke@tu-berlin.de
  • European Land and Soil Alliance (ELSA) Uta Mählmann, Geschäftsführerin, mail@soil-alliance.org
  • Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) Ingo Valentin, Sprecher Arbeitskreis Bodenschutz/Altlasten, Ingo.valentin@bund.net
  • Landesnaturschutzverband Baden-Württemberg (LNV-BW) Dr. Anke Trube, Geschäftsführerin, Anke.Trube@lnv-bw.de
  • Deutscher Naturschutzring (DNR) Lavinia Roveran, Referentin für Europäische Umweltpolitik, lavinia.roveran@dnr.de
  • NaturFreunde Deutschlands Eckart Kuhlwein, Bundesfachbereichsleiter für Naturschutz, Umwelt und Sanften Tourismus, kuhlwein@naturfreunde.de
  • Unabhängiges Institut für Umweltfragen Dr. Michael Zschiesche, Geschäftsführender Vorstand, recht@ufu.de
  • Aktionsgemeinschaft Artenschutz (AGA) e.V. Birgit Braun, Geschäftsführender Vorstand, birgit.braun@aga-artenschutz.de
  • Bundesverband für Umweltberatung e.V. Wolfgang Rieger, Vorstandsmitglied des bfub e.V., rieger@umweltberatung-info.de