Die Anden-Expedition der NaturFreunde

Besteigungsroute des Chopicalqui während der NaturFreunde-Anden-Expedition 1971
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1971 brachen neun Bergsteiger zu einer großen NaturFreunde-Expedition auf: Anlässlich des 75. Gründungsjahres der NaturFreunde sollte die sogenannte Pongos-Gruppe in der peruanischen Cordillera Blanca erschlossen werden, inklusive einer ganzen Reihe von Erstbesteigungen.

In guter naturfreundlicher Tradition ging es aber auch um die wissenschaftliche Erschließung in kartografischer, gletscherkundlicher und ethnologischer Hinsicht, insbesondere der Überprüfung lebensweltlicher Veränderungen bei den sogenannten Camoa-Indianern, die nahe den Amazonasquellen lebten.

Dank dem Oberpfälzer NaturFreund und damaligen Teilnehmer Franz Wibmer liegt die Dokumentation nun auch digitalisiert vor: Der knapp 70-minütige Film und die 80-seitige Begleitbroschüre (PDF-Download 17 MB) zeichnen ein liebevolles, teils in starke Bilder gesetztes Porträt von Land und Leuten, aber auch die immensen Probleme, denen sich die Teilnehmer ausgesetzt sahen.

Als etwa die Besteigung des 6.354 Meter hohen Chopicalqui über den Ostgrat abgebrochen werden musste, notiert Wibmer: „Der Grat war in der Verlängerung so messerscharf und nach beiden Seiten meterweit überwächtet; an dieser Stelle weiterzugehen, käme Selbstmord gleich. Der Entschluss, nun umzukehren, fiel uns allen schwer.“

Anden-Expedition: filmische Dokumentation Teil 1

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In einem zweiten Anlauf gelang diese Besteigung dann doch. Verständlicherweise gibt es von derartigen Situationen keine Filmaufnahmen. Aber aus den sich ergänzenden Medien Film und Begleitheft spricht eine Auffassung des Bergsteigens, wonach das Heroische, welches leider so oft das bergsteigerische Denken prägt, nicht dem Selbstverständnis der NaturFreunde entspricht.

Auch dass die Expeditionslogistik weitestgehend von den Teilnehmern selbst bewältigt wurde, unterstrich den naturfreundlichen Charakter: Stand doch nicht der „Kampf“ mit den Bergen im Mittelpunkt, sondern eine gemeinschaftliche Gruppenleistung, die solche Besteigungen erst möglich macht.

Ausdruck findet dieses Selbstverständnis auch im Grußwort der Broschüre, als sich der damalige Bundesvorsitzende Walter Buckpesch bedankt bei den Teilnehmern, die „mit viel Idealismus durch Erstbesteigungen, Vermessungen und Sammlungen ein kleines Stück Entwicklungshilfe und Forschungsarbeit geleistet“ hätten. Oder in Franz Wibmers heutigen Worten: „Sechs Monate unbezahlten Urlaub habe ich genommen und alle meine Ersparnisse aufgebraucht. Aber an jeden Tag und jeden ausgegebenen Peso erinnere ich mich mit Freude.“

Buch:Die Anden-Expedition der NaturFreunde im Jahr 1971auf issuu.com

Vielleicht entspricht die musikalische Untermalung des Films nicht mehr unbedingt den heutigen Erwartungen. Auch ist die technische Qualität der Super-8-Aufnahmen von ihrer Entstehungszeit geprägt. Aber dass zur schweren Bergausrüstung zusätzlich Filmkameras mitgenommen wurden, ist schon bewundernswert.

Jahrzehnte nach Aufbruch der Anden-Expedition entsenden die NaturFreunde Deutschlands mit dieser YouTube-Dokumentation ihre Bergsteiger ein zweites Mal in die Welt – und wieder sind sie hervorragende Botschafter eines sozialen Bergsteigens.

Dr. Klaus-Dieter Groß

Anden-Expedition: filmische Dokumentation Teil 2

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