Veranstaltungsbericht: 5 Jahre nach dem Fukushima Super-GAU

Die Darmstädter NaturFreunde und die Umweltgewerkschaft hatten zur Veranstaltung „5 Jahre nach dem Fukushima Super-GAU“ eingeladen. Begleitet wurde die Veranstaltung von weiteren Organisierten von atomkraftENDE Darmstadt, des Darmstädter Friedensbündnis, der Linkspartei und anderer aus nah und fern. 60 Interessierte verfolgten die Ausführungen des renommierten japanischen Anti-Atomkraft-Aktivisten Kazuhiko Kobayashi und spendneten Hunderte Euro für Erholungs- und Heil-Maßnahmen von Kindern aus der verstrahlten Region um das japanische Fukushima.

Mit großer Wissenschaftlichkeit und viel Gefühl berichtete Kazuhiko Kobayashi Einzelheiten der Unsäglichkeit dieses Verbrechens an der Menschheit, dessen Wirkung kurzfristig immer noch nur wenig gebremst werden kann und langfristig kaum abzusehen ist.

Der sich fortsetzenden Katastrophe in Fukushima, dem Leid und den Toten, vor allem unter den verstrahlten Atom-Arbeitern, stehen Vertuschen und Verharmlosen der sogenannten Verantwortlichen gegenüber. Provisorische Maßnahmen werden zu endgültigen Lösungen und der erfolgreichen Bewältigung der Katastrophe hochstilisiert, um Unruhe und Widerstand in der japanischen wie auch in der Welt-Bevölkerung zu vermeiden. Schließlich ist die Unzahl von alten und neuen Nuklear-Kraftwerken eine erstklassige Profitquelle für einige mächtige Konzerne.

Bezeichnenderweise vermeiden insbesondere die japanische Atomindustrie sowie die Regierung die Veröffentlichung statistischer Zahlen, Messungen und Auswertungen über die Wirkung des GAU. Viele Familien messen die Radioaktivität deshalb selbst.

Einige Aspekte, die das Ausmaß der Katastrophe verständlich machen

  • Mit der wachsenden Zahl der Atomkraftwerke und dem kapitalistischen Konkurrenzdruck wird das Risiko für die Menschheit immer größer.
  • In Japan wurden und werden Obdachlose für die Arbeiten im hoch verstrahlten Bereich eingesetzt und inzwischen auch Billigkräfte aus dem Ausland angestellt. Obdachlose japanische Arbeiter sind immer weniger und seltener zu sehen.
  • Die für die Gesundheit sehr gefährlichen Arbeitsaufträge werden von einer Kaskade von beauftragten Firmen erledigt, so dass bei den ausführenden Arbeitern nur ein Teil der eingesetzten Gelder ankommt.
  • Ein hochrangiger Regierungsvertreter war bei einem einmaligen Fukushima-Besuch in schwerer Schutzkleidung zu sehen.

Immer wieder muss im Bereich Fukushima erneut Erde abgetragen werden, weil das Land durch den Fallout aus den Bergen westlich von Fukushima erneut verstrahlt wird. Sie wird in Säcken gesammelt, deren „Endlager“ die Regierung entlang der Pazifik-Küste eingerichtet hat. Kurz nach der Fukushima-Katastrophe bemerkte ein Vertreter des Atomkonzerns Tepco, dem die Katastrophen- Kraftwerke gehören, „der Pazifik ist groß genug“.

Die Plastiksäcke halten nicht lange. Ähnliches gilt für die fortlaufend steigende Unzahl von Riesen-Behältern, in denen hochradioaktives Wasser gelagert ist, mit dem die geschmolzenen Reakorkerne zu kühlen versucht werden. Der Hersteller garantiert für diese eine Haltbarkeit von wenigen Jahren.

Messungen von atomkritischen und gegnerischen Wissenschaftlern sind viel höher als die von der Regierung veröffentlichten Messwerte. Viele Familien sind nicht in der Lage, vor der Radioaktivität in der Gegend zu fliehen (und würden an anderen Ortsen als "Atom-Flüchtlinge" auch nicht willkommen geheißen). Deshalb sehen sich diese Familien oft gezwungen, ihre Kinder niemals draußen spielen zu lassen, sondern nur in den Wohnungen oder in Turnhallen.

Ehemals wohlhabende Bauernfamilien, die ihre Reisäcker und ihre respektabken und schönen Häuser von ihren Vorvätern geerbt haben, sind gezwungen, in kleinen Hütten zu leben.

Es ist kein Wunder, dass unter kapitalistischem Konkurrenzdruck einige Profiteure die Tendenz haben, Lebensmittel vom Land sogar extra billig aus Fukushima einzukaufen, ihre Herkunft vertuschen oder umdeklarieren und in anderen Teilen Japans wieder verkaufen.

„Normalerweise“ haben 1 von 1 Million Kindern Schilddrüsenkrebs. Am 30.6. 2016 wurden in einer Region 174 von 1724 Kindern mit Schilddrüsenkrebs festgestellt.

Die Ärzteschaft in Japan steht unter enormem Druck, was die Diagnose und Behandlung von Patienten mit Gesundheitsproblemen durch Strahlung betrifft. Das geht so weit, dass Ärzte Untersuchungen ablehnen. Die europäische Organisation IPPNW hat deshalb die japanische Ärzteschaft vor einiger Zeit kritisiert. Oft schicken Väter ihre Familie weg aus der verstrahlten Region, während ihnen nichts anderes übrig bleibt, als zu bleiben – wegen ihrer Arbeit. Das führt zu Trennungen und Scheidungen.

Abschließend wurde darüber diskutiert, ob das zu niedrige Niveau des Widerstands gegen die Atom-Technologie und -Industrie eine Folge der japanischen Mentalität sei, die das gemeinsame Interesse in den Vordergrund stellt. Auch monierten die Anwesenden, dass der Widerstand in Deutschland ebenfalls größer sein müsste.

Dafür müssen die Antiatom-Aktivisten ihre Kräfte bündeln. Es kamen Überlegungen auf, einen Fukushima-Gedenktag zu installieren oder eine weltweit gemeinsame, internationale Demonstration am Hiroshima-Gedenktag im August in Hiroshima abzuhalten – insbesondere auch während der Olympischen Spiele in Japan.

Christoph Rapp-Hickler
NaturFreunde Darmstadt

Ortsgruppe/n