Konzert: Das Ensemble Musikandes führt nach Chile und stellt den „anderen 11. September“ vor

Musikalisch dem Schicksal Allendes gefolgt

Musikandes-Auftritt bei den NaturFreunden Bad König
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Am 21. Oktober 2017 veranstalteten die NaturFreunde Bad König ein multimediales Konzert mit „Musikandes“. Der Chilene Daniel Osorio gründete 2008 mit Romina Tobar die Musikgruppe. Osorio wurde am 20. Januar 2016 mit dem Kulturpreis des Regionalverbandes Saarbrücken ausgezeichnet. Romina Tobar ist die erste Klavierbaumeisterin aus Chile. Das Künstlerpaar gestaltete das Konzert zusammen mit David Beyer, Musiker aus Darmstadt, und mit dem Künstler Krischan Kriesten, der für die Videoprojektionen und das Licht zuständig war.

Tief eintauchen in die Hoffnung, die Freude und die  Zuversicht der Chilenen mit der nur dreijährigen Amtszeit des sozialistischen Präsidenten Salvador Allende, wie dem Schmerz, der Trauer und Verzweiflung, die mit dem Militärputsch am 11. September 1973 über ein Jahrzehnt grausame Diktatur bedeuteten, ließ das Trio „Musikandes“. Eingeladen in die Wandelhalle in Bad König hatten am vergangenen Samstag die NaturFreunde Bad König im Zuge ihrer diesjährigen südamerikanischen Reihe. 

„Der andere 11. September“ titelte ihr multimediales Konzert des Saarbrücker Ensembles, das mit Bild-, Film- und Funkdokumentationen seine Musik unterstrich. Einer Musik, die auf herausragendem Niveau dem später von Chile aus in ganz Südamerika  richtungsweisenden  „Neuen chilenischen Lied“ gewidmet war. Liedern unter anderem von Víctor Jara, der im Zuge  des Putsches im Folterstation von Santiago umgebracht wurde, oder Violeta Parra. Auch Texte des Dichters und Nobelpreisträgers Pablo Neruda, der zwölf Tage nach dem Militärputsch starb. Sein ungeklärter Tod sorgt gerade in diesen Tagen wieder für Schlagzeilen.

Hoffnung mit Allende

Eindrucksvoll und berührend begleitet „Musikandes“ die Bilder. „Es geht nicht um einen besseren Präsidenten, jetzt ist es die Sache des Volkes, ein besseres Chile aufzubauen“, wird Allende zitiert. Den Auftakt geben Einblicke in seine revolutionäre Wahl, dem Mut wie Arbeitswillen des Volkes, ihn zu unterstützen. Auch den eingehaltenen Wahlversprechen, wie tägliche Milch für Kinder, Schulbesuch für alle, mehr Lohn und eine gerechte Aufteilung von Ländereien und Ressourcen. Bilder wie Musik lassen die Befreiung der Chilenen miterleben. „Wie fröhlich sind doch die Arbeiterinnen, tanzen wir mit ihnen“, heißt es in einem der Lieder.

Weiter führt der musikalisch-mediale Abend durch die drei Jahre bis zum Militärputsch, in denen bereits negative Inszenierungen der Christdemokraten wie der Rechten versuchten die Erfolge Allendes zu schmälern. Wie besser gestellte Frauen der Mittel- und Oberschicht zu Zeiten Allendes mit „Cacerolazo“, einem lautstarken Protest mit leeren Kochtöpfen. Die Frauen wollten damit Lebensmittelknappheit in Szene setzten. Auch hieraus entstand ein politisches Lied: „Die Rechten haben zwei Töpfe, einen Kleinen und einen Großen ...“, nagelneu sei der Kleine, eigens zum Protest gekauft, während der Große gefüllt auf dem heimischen Herd stehe, so Fazit des Liedes.

Folgen des Putsches

Ein Großteil des Konzertes widmet sich dem 11. September 1973 selbst und seinen katastrophalen Folgen. Tief bewegend setzt Musikandes seine Musik zur letzten Rede Allendes um. „Meine Worte sind nicht von Bitternis geprägt, sondern von Enttäuschung ...“, verkündete damals der Präsident, während die örtlichen Radiostationen schon unter Beschuss standen. „Ich werde nicht zurücktreten. In eine historische Situation gestellt, werde ich meine Loyalität gegenüber dem Volk mit meinem Leben bezahlen.“ Was er auch tat.

Mit ergreifenden Liedern unterstreicht das Ensemble, was dem Putsch folgte: Ausgangssperre, unzählige Morde, Folter und zigtausende Menschen, deren Verbleib nie aufgeklärt werden konnte. Flucht und Exil waren ebenso die Folge. Bis 1988 erlebten die Chilenen die Diktatur und die Verfolgung Oppositioneller. Bilder und Musik zeichneten aber auch ungebrochenen Mut, wie beim Begräbniszug  Pablo Nerudas. Tausende brachen die Ausgangssperre und bewiesen in Sprechchören, dass Neruda wie Allende nach wie vor unter ihnen präsent sind.

Für dieses musikalisch wie inhaltlich sehr beeindruckende Konzert sorgten Romina Tobar (Erzählerin, Sängerin, daneben Gitarre, Tiple, Cuatro, Charango, Percussion, Panflöte), Daniel Osorio (musikalischer Leiter, Bariton-Sänger, Gitarre, Charango, Cuatro, Tiple, Quer- und Panflöte, Kena, Moxeño, Percussion), beide haben das Ensemble vor neun Jahren gegründet. Neben der Musik war es Ziel, die Botschaft Südamerikas, politisch wie kulturell, in die Welt zu tragen. Dritter war der aus Darmstadt kommende David Bayer (Tenor-Sänger, Chanrango, Western-Gitarre, Block- und Panflöte, Quena).

„Wir NaturFreunde stehen für eine solidarische und gerechte Welt. Wir treten ein für nachhaltige und solidarische Gesellschaften, die weder Mangel noch Überfluss kennen. Auch im Odenwald wollen wir Menschen zusammen führen, um positiv zu wirken“, erläuterte NaturFreunde-Vorsitzender Stefan Orth. Seit Jahren sorgen die NaturFreunde Bad König für niveauvolle Veranstaltungen. Ohne den aufklärenden Blick auf politische Inhalte zu verlieren.

Gabriele Lermann
(06165) 38 95 08
gabrielelermann@aol.com

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