Widerstand und Hoffnung am Tagebau Garzweiler

Ein Bericht von Sibylle Brosius, NaturFreunde Mutterstadt

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Die größten Braunkohlevorkommen Europas liegen zwischen Köln, Mönchengladbach und Aachen. Abgebaut werden sie durch RWE in den Tagebauen Inden, Hambach und Garzweiler.

Weil die Braunkohleverstromung den höchsten Kohlendioxid-Ausstoß im Vergleich fossiler Brennstoffe aufweist, sollte möglichst schnell aus der Braunkohle ausgestiegen werden. Seit Jahren gibt es deshalb immer wieder große Proteste für einen Kohleausstieg, die auch von den NaturFreunden mitorganisiert werden. Mittlerweile ist der Kohleausstieg bis spätestens 2038 beschlossen und kommt vielleicht noch früher.

Fakt ist aber auch: So lange baut RWE nicht nur weiter Kohle ab, sondern will seine Tagebaue noch vergrößern. Dafür sollen sechs Dörfer am Rand von Garzweiler weichen. Das Dorf Lützerath liegt inzwischen direkt am Grubenrand und die nordrhein-westfälische Landesregierung möchte so schnell wie möglich räumen lassen. Ich habe am 3. Oktober an einem der allsonntäglich stattfindenden Dorfspaziergänge in Lützerath teilgenommen – und war schockiert.

Der erste Eindruck: Es ist gigantisch, was hier passiert. Geisterdörfer, Straßen, die ins Leere führen, überall Pumpen, die verhindern, dass der riesige Tagebau absäuft. Aber auch: Widerstand, überall. Zum Beispiel der letzte Landwirt in Lützerath, Eckhardt Heukamp. Noch bevor die Rechtmäßigkeit seiner Enteignung gerichtlich geklärt ist, soll geräumt und abgeholzt werden. Sollte dann in vermutlich zwei Jahren geklärt werden, dass diese Räumung unrechtmäßig war – so wie gerichtlich festgestellt wurde, dass die Räumung des Hambacher Forstes 2018 unrechtmäßig war – wird Heukamps Hof mit Feldern und Wald bereits im Tagebau verschwunden sein, für immer.

Es ist immer die gleiche Kalkulation: Erst mal Fakten schaffen. Wenn dann das Unrecht gericht- lich festgestellt wird, kann es nicht mehr korrigiert werden. Oder man streitet einfach alles ab, eine Strategie, die Armin Laschet beim Urteil über die unrechtmäßige Räumung des Hambacher Forstes praktiziert.

Wenn Deutschland die Pariser Klimaziele einhalten will, dürfen hier noch maximal 200 Millionen Tonnen Braunkohle gefördert werden. Laut einer Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaft müssen dafür weder der Hambacher Wald zerstört werden, noch ein weiteres Dorf bei Garzweiler weichen. RWE aber plant mit 900 Millionen Tonnen und will sechs Dörfer zerstören.

Natürlich geht es auch um Arbeitsplätze. Natürlich müssen gute Alternativen für die Men- schen gefunden werden, die durch den Ausstieg ihre Arbeit verlieren. Doch RWE und die nordrhein-westfälische Landesregierung haben alle Möglichkeiten dafür, der Bund vergibt milliardenschwere Strukturhilfen. Auch sollte man bedenken, dass durch das Ausbremsen des Ausbaus der erneuerbaren Energien mehr Arbeitsplätze verloren gingen als durch den Kohleausstieg. Und nicht zuletzt fragt niemand nach dem Leid der Tausenden in den abgebaggerten Dörfern, die ihre Heimat und oft genug auch ihre Existenz verloren haben.

Am Rande des Tagebaus wird deshalb mit allen Mitteln gekämpft. Nachdem der Bischof von Aachen sich weigerte, die über 500 Jahre alte Kirche in Keyenberg zu entweihen und so für den für 2023 geplanten Abriss freizugeben, wurden heimlich die Glocken entfernt – angeblich, um sie zu restaurieren. Den verbliebenen Bewohner*innen soll die Identität genommen werden, um ihren Bleibewillen zu untergraben.

Sollte Lützerath verschwinden, kann RWE sehr lange ungebremst weiterbaggern und noch viel Koh- le fördern, die das Klima weiter anheizt. Die Bagger sind schon nahe. Und die Polizei ist überall. Der Kohlekonzern lässt aufrüsten, mit freundlicher Unterstützung der Landesregierung. Recht und Vernunft gelten hier nichts mehr.

Armin Laschet hat sich als williger Erfüllungsgehilfe vor den Karren von RWE spannen lassen. Dafür war er bereit, das Klima an die Wand zu fahren, demokratische Rechte zu opfern und Menschen ihrer Heimat zu berauben. Und was macht sein Nachfolger Hendrik Wüst? Am 15. Mai ist Landtagswahl in NRW.

Sibylle Brosius
NaturFreunde Mutterstadt