Zehn Jahre nach dem Pariser Abkommen wächst die Gefahr von Klimakriegen, warnt Michael Müller, Bundesvorsitzender der NaturFreunde Deutschlands
Durch die heraufziehende Klimakrise wird die Sicherheit weltweit in einem bisher unbekannten Ausmaß bedroht. Die Zahl schwacher, fragiler und scheiternder Staaten nimmt zu und hinterlässt tiefe Spaltungen und Konflikte in und zwischen Gesellschaften. Aus dem Versagen beim Klimaschutz drohen erbitterte Verteilungskämpfe und die Kriege der Zukunft zu werden.
Zugleich erleben wir eine Wiederkehr des Bellizismus. Zur Bekämpfung der Klimakrise ist kaum Geld da, aber für das Militär sollen fünf Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) ausgegeben werden. In diesem Jahr wären fünf Prozent des BIP in Deutschland rund 220 Milliarden Euro und in einigen Jahren könnten es rund 250 Milliarden Euro sein.
Die Folgen der Klimakrise verteilen sich auf tragisch ungerechte Weise über die Weltregionen und Gesellschaftsschichten. Diese geografische Trennung zwischen Emissionsquellen und Klimakollaps erzeugt Gewalt. Sie kann schon bald zu Kriegen führen zwischen einer unwirtlichen Welt und grünen Oasen des Wohlstands, die hochgerüstet ihren Reichtum zu verteidigen suchen.
Die Klimakrise wird schneller
Folgende Fakten sind dabei zu beachten: Die Geschwindigkeit, mit der die Treibhausgase die Erde aufheizen. Die Klimakrise wird schneller, die politischen Reaktionen bleiben aber langsam. Schon bald werden die größten Anstrengungen nicht mehr ausreichen, um radikale Umwälzungen in Wasserhaushalt, Landwirtschaft, Vegetation und Böden zu verhindern.
Das befürchtete Überschreiten von Kipppunkten wie die Abschwächung großer Meeresströmungen, das Auftauen von Permafrostgebieten oder das Verbrennen des Urwalds rücken näher. Um das zu verhindern, müssen mindestens fünf Prozent des Bruttoinlandsprodukts der Volkswirtschaften in den Klimaschutz gesteckt werden statt in die militärische Aufrüstung. Doch die Politik will kriegstüchtig werden.
Die Klimakrise übersteigt die Anpassungsfähigkeit der Menschen. Je mehr sie sich ausweitet, desto geringer werden die Handlungsmöglichkeiten. Militärische Abschottung gegen die unwirtliche Welt wird zum egoistischen Ausweg. Gro Harlem Brundtland, die ehemalige Ministerpräsidentin von Norwegen, zog schon auf der Weltklimakonferenz 1988 in Toronto das Fazit, die Klimakrise sei eine „langsame Atombombe“.
Die Klimadiplomatie versagt
1992 wurde das UN-Rahmenübereinkommen beschlossen, um „eine gefährliche anthropogene Störung des Klimasystems zu verhindern“. Doch das Kyoto-Protokoll von 1997 blieb weit hinter dem Notwendigen zurück und wurde kaum umgesetzt. Das Pariser Klimaziel von 2015, die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen, wurde bereits sieben Jahre später gerissen. Die Klimadiplomatie versagt.
Die Klimakrise ist die Folge privilegierter Macht. Die Konflikte zwischen den besser geschützten Staaten des globalen Nordens und den wenig resilienten Ländern verschärfen sich. In 29 Ländern drohen schon bald massive Einbrüche in den Ernteerträgen. Der steigende Meeresspiegel sowie Sturm- und Flutkatastrophen gefährden Inselstaaten im Pazifik, Städte und Industrieregionen an den Küsten Asiens und im Golf von Mexiko. Die Hauptverursacher sind also meist nicht die Hauptbetroffenen.
Die Klimakrise verschärft Armut und Migration. In der Folge kommt es zu erbitterten Verteilungskämpfen. So leben auf dem afrikanischen Kontinent geschätzt 1,6 Milliarden Menschen oder 19 Prozent der Weltbevölkerung, auf sie entfallen aber nur vier Prozent der weltweiten Jahresemissionen von zuletzt 42 Milliarden Tonnen CO₂.
Das Militär ist dritt- oder viertgrößter Emittent
Und das Militär selbst ist ein Klimakiller, auf das schon in Friedenszeiten geschätzt rund sechs bis acht Prozent des globalen CO₂-Ausstoßes entfällt. Die allermeisten Länder veröffentlichen allerdings nicht einmal eine Klimabilanz des Militärs. Die Belastung kann noch höher sein. Doch für sich genommen ist es der dritt- oder viertgrößte Emittent. Und in Kriegen sind die Emissionen noch viel höher.
Ohne Frieden mit der Natur ist alles andere nichts.
Mehr noch: Die Sintflut beginnt nicht erst nach uns, sie ist im Globalen Süden schon neben uns. Je mehr die Welt von Konfrontation und Aufrüstung geprägt wird, desto weniger ist sie zum Klimaschutz fähig. Und je mehr das Klima aus dem Lot gerät, desto stärker wächst die Gefahr, dass es zu Kriegen kommt: zu Klimakriegen.
Michael Müller
Bundesvorsitzender der NaturFreunde Deutschlands
(Dieser Artikel erscheint auch in NATURFREUNDiN 4-25, dem Mitgliedermagazin der NaturFreunde Deutschlands.)

