Spurensuche: Die Rolle der NaturFreunde Rheinland-Pfalz während der NS-Zeit

Interessierte NaturFreund*innen können sich an weiterführender Recherche beteiligen

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Über 30 interessierte Menschen kamen am 25. Mai 2019 in der Gedenkstätte für NS-Opfer in Neustadt an der Weinstraße zusammen, um sich mit der Geschichte der NaturFreunde in Rheinland-Pfalz während der NS-Zeit auseinanderzusetzen. Mit der Veranstaltung wollten die NaturFreunde die eigenen Spuren wiederaufnehmen und die politische Rolle in dieser Zeit kritisch reflektieren.

Zum Auftakt der Veranstaltung führte die Bundesfreiwilligendienstleistende Minella zusammen mit dem Vorsitzenden der Gedenkstätte, Eberhard Dittus, durch die Dauerausstellung. Mit Exponaten und Zeitdokumenten wird in den Räumen des früheren Konzentrationslagers wichtige Gedenkarbeit geleistet und den frühen politischen Opfern des Nationalsozialismus gedacht. In der KZ-Gedenkstätte Neustadt konnten außerdem zahlreiche NaturFreund*innen recherchiert werden, die aufgrund ihrer politischen Ansichten und widerständigen Handlungen bereits zwischen März und Juni 1933 im Neustadter KZ in sogenannte "Schutzhaft" kamen.

Habt ihr Interesse an der Recherche teilzunehmen? Habt ihr vielleicht sogar noch alte Fotos oder Vereinsdokumente oder könnt aus der Zeit berichten?
Dann meldet euch bei Niels Tekampe (niels@naturfreundejugend.de) oder bei Stefanie Gora (stefanie.gora@naturfreunde-rlp.de,
(0621) 96 35 63 01).

Dem Rundgang durch die Gedenkstätte folgten ein Grußwort von Marlene Siegel von der Freireligiösen Gemeinde Pfalz (unter den inhaftierten NaturFreund*innen waren auch einige Freireligiöse) und das gemeinsame Singen von Freiheits- und NaturFreunde-Liedern (begleitet von Karlheinz Frech aus dem Landesvorstand der NaturFreunde Rheinland-Pfalz und Inge Fischer aus der Ortsgruppe Frankenthal). Anschließend begann Hans-Jürgen Hemmerling, langjähriger NaturFreund und Vorsitzender der Friedensinitiative Neustadt, die Biografien von elf der insgesamt 54 inhaftierten NaturFreund*innen vorzustellen.

Durch seine intensive Recherche zu deren Leben konnte Hans-Jürgen Hemmerling ein sehr differenziertes und eindrucksvolles Bild der Aktivitäten der Neustädter NaturFreunde vor 1945 und deren politischen Engagements zeichnen. Denn wie auch heute war nicht jede NaturFreunde-Ortsgruppe gleichermaßen politisch aktiv und verfügte über ein politisches Selbstverständnis.

Für die Neustädter NaturFreunde war jedoch die politische Ausrichtung klar und das Ziel des Sozialismus sollte über eine gemeinsame Linie in der Arbeiter*innenbewegung erreicht werden – Hans-Jürgen Hemmerling zitierte hier aus einer Festrede, die Ernst Buckeley (aktiver NaturFreund, vier Wochen in Schutzhaft) zum Richtfest des Naturfreundehauses 1926 hielt.

Hieran wurde eine weitere Besonderheit der Neustädter deutlich: So zeichneten sich diese nicht nur durch rege Aktivitäten aus, sondern auch durch eine flügelübergreifende politische Ausrichtung innerhalb der linken Arbeiter*innenbewegung. Während die NaturFreunde-Reichsleitung im Jahr 1931 versuchte, fünf als kommunistisch geltende Mitglieder auszuschließen, stießen diese Spaltungsversuche in Neustadt auf Widerstand und es existierten zahlreiche Beispiele für eine Zusammenarbeit mit SPD-, SAP- und KPD-Mitgliedern.

Dem Vortrag und den Eindrücken, die Hans-Jürgen Hemmerling geben konnte, folgte ein angeregter Austausch und es bildeten sich erste Recherchegruppen, um sich mit den Biografien der weiteren 43 verhafteten NaturFreund*innen und Ortsgruppen auseinanderzusetzen. Wichtige Grundlage weiterer Arbeit stellt hierbei auch die Häftlingsdatenbank der Gedenkstätte dar, in welcher einst inhaftierte NaturFreund*innen gelistet sind. Online ist diese einzusehen unter www.gedenkstaette-neustadt.de (unter dem Menüpunkt "Häftlinge" kann unter "Partei/Organisation" der Begriff "Naturfreund" gesucht werden).

Wir danken der Gedenkstätte für die gute Zusammenarbeit und Hans-Jürgen für seine engagierte Arbeit!

Stefanie Gora