Zoom: https://zoom.us/j/526339150
Spätestens seit Hannah Arendts Hinweis auf die tiefe Kluft zwischen der Monströsität der NS-Verbrechen und der vergleichsweise banal wirkenden Durchschnittlichkeit ihrer Exekutoren steht die Frage nach der Normalität auf der Tagesordnung der NS-Täterforschung. Aber wie „normal“ waren die Täterinnen und Täter wirklich und, diese Zuschreibung einmal angenommen: wie ist es möglich, aus halbwegs „normalen“ Menschen grausame Massenmörder zu machen?
In der Täterforschung hat sich inzwischen dieses Normalitätsparadigma durchgesetzt, dessen „Erfolgsgeschichte“ und das in ihr inflationär verwendete, aber weitgehend undefinierte Etikett „normal“ kritisch überprüft und hinterfragt werden muss. Diese Auseinandersetzung steht im Zentrum des geplanten Vortrags. Sie mündet in den Entwurf eigener psychoanalytisch-sozialpsychologischer Ansätze zum Verhältnis von Normalität und Pathologie im Blick auf einzelne Täter und Tätergruppen, ein Blick, in dem der Zusammenhang von individuellen Dispositionen, den NS-Herrschaftsstrukturen und der massenpsychologischen Wirkung ihrer staatstragenden Ideologie nicht aus den Augen verloren wird. Dies bedeutet vor allem eine gründlichere Verbindung von NS-Täterforschung und Antisemitismusforschung.
Referent: Prof. Dr. Rolf Pohl war bis 2017 Hochschullehrer für Sozialpsychologie am Institut für Soziologie an der Leibniz Universität Hannover. Er ist Mitbegründer und Koordinator der Arbeitsgemeinschaft Politische Psychologie (www.agpolpsy.de und Mitglied im Fachbeirat von medica mondiale (www.medicamondiale.org). Zu seinen Arbeitsschwerpunkten gehören im Bereich der Politischen Psychologie die Themen Militär und Krieg, NS-Täterschaft, Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit sowie im Bereich der Geschlechterforschung die Themen Sexismus, Männlichkeit, sexuelle Gewalt und männliche Adoleszenz. Der verbindende Hauptfokus liegt dabei auf Fragen nach der Sozio- und Psychogenese von Gewaltverhältnissen.
NaturFreunde Berlin
jella@naturfreunde-berlin.de