Vortrag: Was bedeutet Adornos ‚Erziehung nach Auschwitz‘ (1966) heute?

Thesen zum kategorischen Imperativ in universitärer Bildung, Aktivismus und nationalstaatlicher Politik

21.07.2022 18:00 - 21:00 Uhr
Vortrag: Was bedeutet "Erziehung nach Auschwitz" heute?
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„Die Forderung, daß Auschwitz nicht noch einmal sei, ist die allererste an Erziehung. Sie geht so sehr jeglicher anderen voran, daß ich weder glaube, sie begründen zu müssen noch zu sollen“.

Mit diesem kategorischen Imperativ beginnt der Radiovortrag „Erziehung nach Auschwitz“, den Theodor W. Adorno 1966 aus Anlass des Frankfurter Auschwitz-Prozesses gegen Wilhelm Boger und Oswald Kaduk hielt. Um einigen Verkürzungen und Missverständnissen in der breiten Rezeption entgegenzuwirken, möchte der Referent Jahne Nicolaisen in seinem Vortrag im ersten Teil in den damaligen historischen Kontext und in die zentralen Thesen einführen. Dabei ist es wichtig, Adorno nicht um seinen gesellschaftskritischen Gehalt zu bereinigen. Er wendet sich der „subjektiven Seite“ zu, weil „die Möglichkeit, die objektiven, nämlich gesellschaftlichen und politischen Voraussetzungen, die solche Ereignisse ausbrüten, zu verändern, heute aufs äußerste beschränkt ist“. Gegen den Hass autoritärer Charaktere setzt Adorno auf zwei Erziehungsbereiche: Die frühe Kindheit und allgemeine gesellschaftliche Aufklärung: „Die einzig wahrhafte Kraft gegen das Prinzip von Auschwitz wäre Autonomie […]: die Kraft zur Reflexion, zur Selbstbestimmung, zum Nicht-Mitmachen“.

Im zweiten Teil wird Jahne Nicolaisen in drei Bereichen aufzeigen, wie es heute um den kategorischen Imperativ Adornos steht: In der universitären Bildung, im Aktivismus und in der nationalstaatlichen Politik. Während ein Studium heute leicht ohne Antisemitismuskritik und ohne Wissen über den Nationalsozialismus auskommt, wird stets die Identifikation mit dem Leistungsprinzip gefördert. Im Aktivismus verhindert tendenziell das narzisstisch besetzte Kollektiv die eigenständige Reflektion objektiver Zwangsverhältnisse: „Menschen, die blind in Kollektive sich einordnen, machen sich selber schon zu etwas wie Material, löschen sich als selbstbestimmte Wesen aus“.

Dass in einer antisemitischen, sich nationalstaatlich und terroristisch bekämpfenden Weltgesellschaft der Staat Israel als einzige jüdische Selbstschutzinstanz notwendig ist, geht in abstrakten aktivistischen Slogans unter (z.B. „Gegen jeden Nationalismus“). Schließlich möchte der Vortrag entgegen einer abstrakten Nationalismuskritik zeigen, dass es in einer Welt autoritärer Kollektive erfahrungs- und einsichtsfähiger Individuen (Erziehung) und verteidigungsfähiger, demokratischer Kollektive (v.a. Israel) bedarf, die überhaupt die Voraussetzungen geben, damit sich ein freies und gerade ein jüdisches Leben entfalten kann. Die fortbestehende „Möglichkeit der Wiederholung“ (Adorno) fordert von jedem weiteren Denken und Handeln reale Konsequenzen, statt wohltuender Phrasen für die eigene Identitätsstärkung.

Im Anschluss folgt eine Diskussion.

Referent: Jahne Nicolaisen. Studiert im Master Politikwissenschaft an der Freien Universität Berlin; interessiert sich für Kritische Theorie, Hochschulpolitik, Gedenkstättenpädagogik, materialistische Staatskritik, Antisemitismuskritik und internationale Beziehungen.

Der Vortrag wird von der Berliner Landeszentrale für politische Bildung gefördert.

Ort/Unterkunft/Treffpunkt: 
NaturFreunde-Galerie, Paretzer Straße 7, 10713 Berlin
Auskunft & Anmeldung: 

NaturFreunde Berlin
jella@naturfreunde-berlin.de

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