Europa steht an der Wegscheide: Jetzt ist der Geist der Solidarität gefordert
Zur Eskalation in der Griechenland-Krise erklärt Michael Müller, Bundesvorsitzender der NaturFreunde Deutschlands:
Die Griechenland-Krise hat Europa an die Wegscheide geführt: Folgt es den ökonomistischen Ideologien der Eurokratie oder der Idee eines gemeinsamen und demokratischen Europas?
Diese Entscheidung darf nicht den Finanzministern der Eurogruppe überlassen werden. Denn das verbiesterte Schnarren des deutschen Zuchtmeisters Wolfgang Schäubles oder die kalten Absagen des holländischen Euro-Chefs Jeroen Dijsselbloem sind ebenso deplatziert wie das modisch-selbstverliebte Gehabe des griechischen Finanzministers Gianis Varoufakis.
Klar ist: Griechenland hat sich über Jahre selbst in eine schwierige Situation gebracht; das Land hat die notwendige Modernisierung versäumt und auch seine Chancen in der östlichen Mittelmeerregion zu wenig genutzt. Zum Beispiel hat Griechenland sein Potenzial als Brücke für den Ausbau der Solarenergie in Nordafrika nicht gehoben.
Europa folgt den Interessen der Banken und lässt die Menschen fallen
Klar ist aber auch: Der Umgang mit Griechenland ist doppelbödig. Die aktuelle europäische Politik folgt den Interessen der Banken und lässt die Menschen fallen. Die Griechen etwa haben enorme soziale Kürzungen hinnehmen müssen, welche in jedem anderen Land auch zu massiven Protesten geführt hätten.
Hat denn beispielsweise Bundeskanzlerin Merkel wirklich vergessen, dass sie ein Glücksritter der Agenda 2010 ist, die der Regierung Schröder die Mehrheit gekostet hatte? Will Angela Merkel Europa mit ihrer Austeritätspolitik tatsächlich weiter spalten? Und was eigentlich tut die EU für ein gemeinsames und starkes Europa? Die EU-Politik ist auf dem falschen Weg und muss umkehren.
Griechenland versucht aus dieser Spirale auszubrechen. Im Zentrum steht der Versuch, die Idee der sozialen Demokratie in allen Ländern in der EU zu stärken und zu bewahren. Allerdings hat Alexis Tsipras seine Kräfte überschätzt, vor allem weil die erhoffte Hilfe ausgeblieben ist.
Überall in Europa wachsen populistisch-nationalistische Kräfte
Man muss die politische und taktische Linie der Tsipras-Regierung nicht teilen. Doch für die Zukunft Europas ist es unverzichtbar, dass der neoliberale Kurs und die Abhängigkeit von der untauglichen Geldpolitik beendet werden. Dieser Kurs hat der Demokratie eine Schlinge um den Hals gezogen, die sich nun langsam zuzieht. Überall in Europa wächst die Antistimmung gegen Europa. Populistisch-nationalistische Kräfte nutzen das aus und versuchen die nationalen Gesellschaften wie auch Europa handlungsunfähig zu machen.
Natürlich ist es das gute Recht der griechischen Regierung, das eigene Volk zu befragen, auch wenn sie diese Idee weit früher ins Spiel hätte bringen müssen. Deshalb ist es auch entlarvend, wenn die EU-Finanzminister diese Befragung des griechischen Volkes als Irrsinn bezeichnen. Und es ist auch entlarvend, wenn Außenminister Frank-Walter Steinmeier das Referendum als „Geiselhaft des griechischen Volkes“ bezeichnet. Waren es denn nicht die Banken, die nach 2008 die Politik in Geiselhaft genommen haben?
Finanzminister denken nicht über ihr Ressort hinaus
Also: Entzieht den Finanzministern endlich das Verhandlungsmandat, denn sie sind nicht fähig, über ihr Ressort hinauszudenken. Heute muss es um ein starkes, sozial-ökologisches Europa gehen. Was soll denn erst mit Großbritannien passieren, wenn nicht einmal die Griechenlandfrage gelöst wird?
Die NaturFreunde Deutschlands fordern einen fairen Umgang mit dem am Boden liegenden Griechenland. Nur so können sich die Kräfte entfalten, die der sozial-ökologische Neuanfang braucht.
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