Ukraine-Konflikt: Deeskalation gibt es nur mit Russland

Vor dem Hintergrund des weiter schwelenden Ukraine-Konflikts verweist Michael Müller, Bundesvorsitzender der NaturFreunde Deutschlands, auf fünf Konfliktlinien und wirbt für eine Deeskalation durch das gemeinsame Entwickeln von Friedensperspektiven:

Der Ukraine-Konflikt wird in großen Teilen der Politik sowie der Medien reduziert auf den Beelzebub Wladimir Putin. Dabei schaukelt sich dieser Konflikt derart auf, dass er zu einem kriegerischen Sprengsatz werden kann. Auch die Bilder der militärisch gekleideten deutschen Außenministerin an der Front sowie die immer wieder abgebildeten Fotos von russischen Truppen und Panzern tragen nicht zur Klärung oder gar Deeskalation bei.

Im Ukraine-Konflikt kommen mehrere Fragen zusammen. Da ist der ungeklärte Umgang mit Russland in Rohstofffragen. Soll man mit Russland, das bei Öl- und Gaslieferungen an Deutschland in der Vergangenheit immer ein verlässlicher Partner war, weiter die Kooperation suchen oder sich abgrenzen? Viele Gespräche der vergangenen Jahre haben gezeigt, dass Anrainerstaaten der Ostsee beim Thema Ostseepipeline vor allem verärgert waren, weil sie keine eigenen Anschlüsse bekamen. Und wäre das Fracking-Gas aus den USA eine gute Alternative, obwohl es viel teurer und ökologisch unverantwortlicher ist?

Ein zweiter Konflikt ist die ungeklärte Auseinandersetzung innerhalb der Ukraine. Jeder, der das Land besucht, wird eine deutliche Differenz zwischen Ost und West, sowohl kulturell als auch politisch, feststellen.

Warum wird drittens nicht konsequent an der Umsetzung der Minsker Resolution des UN-Sicherheitsrates gearbeitet? Welche Interessen stehen dahinter, dass in dieser Frage nur ein Stottergang eingelegt wurde? Hier ist die Regierung in Kiew leider ein Bremser.

Viertens: Was hat Russland bewegt, so demonstrativ mit Truppenübungen an der ukrainischen Grenze zu agieren und dafür sogar Einheiten von der chinesischen Grenze dahin zu verlagern? Welche Pflicht haben gerade wir Deutschen mit dazu beizutragen, dass die Sicherheitsinteressen Russlands gewahrt bleiben? Wieso wurde die Bereitschaft zur Kooperation, die noch im ersten Jahrzehnt dieses Jahrhunderts gerade in Russland so groß war, verspielt? Man hat den Eindruck, dass viele, die damals im Bundestag Wladimir Putin enthusiastisch beklatschten, heute am liebsten Waffen nach Kiew liefern würden.

Fünftens wird der eigentliche Konflikt kaum erwähnt. Die USA drängen auf eine Hochrüstung der EU-Staaten, weil sie China als ihren neuen Hauptgegner identifiziert haben. Ist der Ukraine-Konflikt nur der Vorwand, dass die EU-Staaten aufrüsten und die USA sich aus Europa zurückziehen können? Oder soll aus der atlantischen Nato eine globale Nato werden?

Auf jeden Fall zeigt der Ukraine-Konflikt das Versagen, das Konzept der Gemeinsamen Sicherheit zu entwickeln. Gemeinsame Sicherheit bedeutet, dass gemeinsam mit dem Gegner Friedensperspektiven entwickelt werden, statt Säbelrasseln, Aufrüstung und Provokationen zum Mittel der Politik zu machen.