Unser Verständnis der Gestaltung der sozial-ökologischen Transformation

Ein NaturFreunde-Positionspapier, beschlossen vom 31. Bundeskongress

In den letzten Jahren ist in der politischen und öffent­lichen Debatte der Begriff der Transformation populär geworden. Die NaturFreunde haben den entscheiden­den Anstoß gegeben, dass es 2012 zusammen mit dem DGB, Einrichtungen der EKD und dem DNR zum „Transformationskongress“ gekommen ist. Dennoch ist der Begriff und seine historische und analytische Würde unklar geblieben. Deshalb ist eine Klärung not­wendig:

  • Transformation steht häufig einfach für jede ge­sellschaftliche und wirtschaftliche Veränderung, aber das greift zu kurz.
  • In den 1990er-Jahren war mit Transformation die Umwandlung der Staaten des Rates für Gegensei­tige Wirtschaftshilfe (RGW) in Mittel- und Osteu­ropa in kapitalistische Marktwirtschaften ge­meint, doch es geht vielmehr um die Bewertung marktwirtschaftlicher Ordnungen.
  • Der Wissenschaftliche Beirat für Globale Umwelt­fragen der Bundesregierung beschreibt Transfor­mation modernistisch und machbarkeitsselig als die „Utopie der ökonomischen Ökologisierung“.

Dagegen sehen die NaturFreunde in der Transforma­tion in erster Linie eine analytische Kategorie, die an die Arbeiten des Wiener Wirtschaftstheoretikers Karl Polanyi anknüpft. Die Transformation darf auch heute kein inhaltsleerer, modischer Begriff sein, son­dern erfordert eine fundierte Zeitdiagnose, die von der liberalen Utopie der Marktgesellschaft, ökonomi­schen Machtinteressen und ideologischen Zusam­menhängen ausgeht. Nur so kann er zu einer Grund­lage für eine sozial-ökologische Gestaltung der Verän­derungsprozesse werden. Von daher muss die Defini­tion, was Transformation bedeutet, unter die Ober­fläche ökonomischer Prozesse gehen, die Zusam­menhänge verstehen und eine Perspektive für den Umbau von Wirtschaft und Gesellschaft entwickeln.

Polanyi geht bei seiner Analyse von den ökonomi­schen Verwertungszwängen der freien Marktwirtschaft aus. Für ihn liegt in der Verselbstständigung der Markt­kräfte, die er als Entbettung aus gesellschaftlichen Zusammenhängen beschreibt, die Ursache für die Er­niedrigung menschlicher Tätigkeiten, die Erschöp­fung der Natur und die Krisen und Erschütterungen der Wirtschaft. Er erklärt die großen Krisen der In­dustriegesellschaften mit der Verallgemeinerung des Marktprinzips ohne politische Gestaltung und demo­kratische Kontrolle.

Von daher sehen die NaturFreunde den Transforma­tionsbegriff in einem engen Zusammenhang mit einer ökonomischen Analyse. Die heute vorherrschenden Transformationsbegriffe enthalten oft keine Ursa­chenbeschreibung, sondern stehen nur für bloße Ver­änderungen. Polanyis (und unser) Verständnis geht tiefer: „Wir vertreten die These, dass die Idee eines selbstregulierenden Marktes eine krasse Utopie be­deutet. Sie sieht in der Arbeit, der Natur und dem Geld nichts anderes als Waren ohne Rückbindung an die Gesellschaft.“

Der Markt kann ohne Regulierung über längere Zeit­räume nicht bestehen, ohne die menschliche und na­türliche Substanz der Gesellschaft zu vernichten. Von daher geht es um die Rolle des Marktes in der Entwick­lung der Gesellschaft und die notwendige politische Rahmensetzung. Als Reaktion auf ein Marktversagen entstehen Gegenbewegungen, die nach der Weltwirt­schaftskrise von 1929 in den USA zum New Deal von 1933, in Deutschland aber mit der nationalistischen Ideologie zur Machterübergabe an den Faschismus führten. Es geht nicht um staatliche Planwirtschaft, sehr wohl aber um die Frage, wie auf „unserem end­lichen, überbevölkerten, ungleichen, verschmutzten und störanfälligen Planeten“ eine wirtschaftliche Ord­nung aussehen muss, die sozial gerecht und ökolo­gisch verträglich ist.

Heute muss die Antwort auf die Große Transformation anders aussehen als in den 1930er-Jahren. Denn ange­sichts der ökologischen Grenzen des Wachstums funk­tioniert auch die Antwort des Wohlfahrtsstaates immer weniger. Wir geben seine Idee nicht auf, aber es muss darum gehen, die sozialen und ökologischen Ziele un­mittelbar in den ökonomischen Produktions- und Re­produktionsprozess zu integrieren.

Dieses NaturFreunde-Positionspapier wurde am 10.10.2021 vom 31. Bundeskongress in Falkensee beschlossen.