Ein breites Verbändebündnis hat heute ein langfristiges Konjunktur- und Investitionspaket für eine Verkehrswende gefordert, die die Bedürfnisse der Menschen in den Mittelpunkt rückt. Das Forderungspapier von attac, BUND, BUND-jugend, Campact, Changing-cities, EVG, Fridays For Future, NaturFreunde Deutschlands, VCD und ver.di geht dabei auch auf die Anforderungen für einen Umweltverbund ein.
Lesen Sie hier die Forderungen des Verbändebündnisses:
Die Verkehrswende erfordert eine entschiedene Investitionspolitik für den Umweltverbund
Wir treten ein für eine konsequente Verkehrswende, mit der wir Klimaschutz und saubere Luft, weniger Lärm, weniger Staus, mehr Sicherheit im Straßenverkehr und Lebensqualität erreichen. Menschen sollen nachhaltig, bezahlbar, schnell und komfortabel mobil sein können, sei es in der Stadt oder auf dem Land, sei es mit Bus und Bahn, mit dem Fahrrad oder zu Fuß. Wir fordern ein langfristiges Konjunktur- und Investitionspaket, das die Bedürfnisse der Menschen und nicht den Autoverkehr zum Mittelpunkt macht.
1. Nachhaltige und solidarische Finanzierung
Diese Verkehrswende wird nur dann möglich, wenn Verkehrsplanung über Stadt- und Landkreisgrenzen hinweg entwickelt wird, um Ballungsräume und ihr Umland mit attraktiven Anschlüssen und ausreichenden Kapazitäten mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu verbinden.
Um dies zu erreichen müssen sich Bund, Länder und Kommunen auf eine umfassende Investitionsoffensive für den öffentlichen Nahverkehr, Fahrrad- und Fußwege verständigen.
Für einen öffentlichen Verkehr, der preislich attraktiv, komfortabel, modern und verlässlich ist, bedarf es neuer Finanzierungskonzepte, die dauerhaft nachhaltig das Angebot sichern und solidarisch auch Nutznießer des ÖPNV, wie z.B. Unternehmen, Touristen und Handel in die Pflicht nehmen.
2. Ausbau und Modernisierung des ÖPNV*
Der ÖPNV wird täglich von 24 Millionen Menschen genutzt und ist ein wichtiger Teil der Daseinsvorsorge. Busse und Bahnen bieten die Chance, die seit 1990 nicht gesunkenen CO2-Emissionen im Verkehr deutlich zu verringern und damit die Erreichung der Klimaziele im Verkehr zu unterstützen. Die Zahl der Nutzer*innen muss dafür bis 2030 verdoppelt werden, bei gleichzeitiger Reduzierung der Autonutzer*innen.
Dafür sollte auch das Angebot in diesem Zeitraum verdoppelt werden, wobei der Schwerpunkt auf kurzen Wartezeiten, zeitnahen und verlässlichen Anschlüssen sowie der Abstimmung des regionalen und kommunalen ÖPNVs auf den nun geplanten Deutschlandtakt im Zugfernverkehr liegen muss. Für eine Angebotsverdopplung durch kleine Zubringer und größere Fahrzeuge, Taktverdichtungen, Einrichtung von neuen Linien und Ausbau von Schienen- und Betriebsanlagen wären über einen Zeitraum von 10 Jahren bis 2030 jährlich für die Infrastruktur 5 Milliarden und für zusätzliche Fahrzeuge 2 Milliarden anzusetzen.
Zum Abbau des Sanierungsstaus bei Betriebsanlagen und Leitsystemen sowie Modernisierungen für Barrierefreiheit und Digitalisierungsmaßnahmen sind insgesamt weitere 10 Milliarden bis 2030 notwendig. Eine Verdopplung des Angebotes schafft in den Verkehrsunternehmen selbst auch knapp 70.000 zusätzliche Arbeitsplätze. Hinzu kommen umfangreiche Beschäftigungseffekte in den verbundenen Branchen wie der Bauwirtschaft, Fahrzeug- und Maschinenbau, Zulieferer oder Sicherheit.
3. Aufbau von Personal und Steigerung der Qualität der Arbeitsplätze
Ausreichend qualifiziertes Personal ist der Garant für Verlässlichkeit und Qualität im ÖPNV. Im Vergleich mit dem Jahr 2000 fehlen heute 15.000 Vollzeitbeschäftigte. Die Arbeitsbelastung ist hoch und Krankenstände über 10 Prozent die Regel, Personalmangel führt inzwischen vermehrt zu Fahrtausfällen oder zeitweise Einstellung ganzer Linien. Bis 2030 geht die Hälfte der Beschäftigten in die Rente, rund 100.000 Neueinstellungen stehen an. Die Rekrutierung der benötigten Fachkräfte gestaltet sich bereits heute schwierig, daher sind Maßnahmen zur Steigerung der Attraktivität der Arbeit in Höhe von etwa 1,6 Milliarden jährlich zu ergreifen, für den Aufbau der Beschäftigung auf den Stand von 2000 weitere 800 Millionen Euro. Hinzu kommen Kosten für Aus- und Weiterbildung.
4. Klimafreundliche Verkehrsplanung durch Vorrang für den Umweltverbund
Das große Potential einer Verkehrswende ist neben der Reduktion der CO2-Emissionen die Steigerung der Lebensqualität für uns alle an den Orten, an denen wir leben. Lärm- und Luftverschmutzung können mit konsequenter Verkehrsplanung zur Stärkung des Umweltverbunds deutlich reduziert werden. Mit Vorfahrt für ÖPNV, Fahrrad- und Fußgängerverkehr können Quartiere attraktiver gestaltet und Platz für Wohn- und Begegnungsräume gewonnen werden. Die Verkehrssicherheit wird durch menschenfreundlichere Verkehrsplanung erhöht.
Die soziale und ökologische Verkehrswende ist mehr als eine Antriebswende. Sie führt uns zur Gestaltung einer lebenswerten Zukunft, in der wir Mobilitätskonzepte entwickeln, deren Inhalt soziale Inklusion ebenso wie Barrierefreiheit im öffentlichen Raum und Verkehrsmittel ist. Dafür muss die autozentrierte Verkehrsplanung der letzten Jahrzehnte beendet werden und Mittel aus dem Fernstraßenneubau zu Gunsten des Umweltverbundes umgewidmet werden.
*Berechnungen ver.di aufgrund VDV Statistik und BMVI