Warum der Musiksommer Üdersee legendär ist

Eine Darstellung des NaturFreunde-Kultevents von Jürgen Lamprecht

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Wenn es ihn nicht schon gäbe, er müsste erfunden werden: der NaturFreunde-Musiksommer am schönen Üdersee in Brandenburg. Vom 21. bis zum 29. Juli 2018 fand er mittlerweile zum 22. (!) Mal statt.

Insgesamt 144 Teilnehmende, davon 20 Kinder und Jugendliche, kamen im Naturfreundehaus Üdersee zusammen, um eine Woche gemeinsam zu singen, zu tanzen und zu musizieren – die Jüngste im Alter von drei Wochen, die Ältesten im Alter von 89 Jahren. Dass der Musiksommer nach so vielen Jahren seines Bestehens bei Jung und Alt weiterhin so beliebt ist, hat verschiedene Gründe.

Eine Erfolgsgeschichte

Die Idee des Musiksommers hatte Bruno Klaus Lampasiak, Berliner NaturFreunde-Urgestein und langjähriger Vizepräsident der NaturFreunde Internationale. Gemeinsam mit dem unvergessenen großen NaturFreunde-Musiker Peter Becker aus Rheinland Pfalz startete er im Jahre 1996 den ersten Musiksommer. Mit Regina König-Amann und Ruth Eichhorn, beide aus dem Landesverband Hessen, fanden sie engagierte Mitstreiter_innen.

Der leider viel zu früh verstorbene Peter Becker leitete über viele Jahre mit großem Erfolg das Orchester, Ruth Eichhorn leitet den vielstimmigen Chor mit unbändiger Begeisterung bis heute. Nicht wenige ihrer mitgebrachten Lieder gehören inzwischen zum festen Repertoire vieler NaturFreunde-Gruppen und werden stolz als „NaturFreunde-Lieder“ bezeichnet: „Ich bin der Baum vor Deinem Haus“, „Gut wieder hier zu sein“ und viele andere.

Der Musiksommer am Üdersee war in den Anfangsjahren noch eine Veranstaltung des Bundesverbandes, ging dann aber bald in die Verantwortung der NaturFreunde Hessen über. Und schrieb eine Erfolgsgeschichte: Es gibt aktuell kaum eine vergleichbare Veranstaltung, welche die Kulturvielfalt der NaturFreunde mit ähnlicher Strahlkraft in den Verband hinein abbildet. So entwickelten sich die Zahlen der Teilnehmenden von anfangs 60 bis auf heute über 140, davon in den letzten Jahren eine wachsende Anzahl von Kindern und Jugendlichen.

Das Naturfreundehaus Üdersee: ein idealer Veranstaltungsort

Das Haus und der See spielen beim Erfolg des Musiksommers eine gleich bedeutende Rolle wie die inhaltlichen Angebote. 1930 wurde das Naturfreundehaus Üdersee der Berliner NaturFreunde in einem feierlichen Akt durch den Reichstagspräsidenten Paul Löbe eingeweiht. Nur kurze Zeit währten die glücklichen Tage, dann nahm die „braune Brut unser Hab und Gut“, wie es in dem bei einem der ersten Musiksommer entstandenen Üderseelied heißt.

In der Zeit der DDR wurde das Haus anderen Zwecken zugeführt. Mit der Wende kam dann nach zähen Verhandlungen mit der Treuhand das Haus wieder in den Besitz der NaturFreunde, bis es dann von der Gemeinnützigen NaturFreunde-Haus Üdersee mbH bis heute geführt wird.

Das Haus bietet mit seinen vielen Zimmern sehr gute Übernachtungsmöglichkeiten und mit der großen Anzahl von Übungsräumen sowie dem großen Saal mit Bühne beste Bedingungen für die Aktivitäten des Musiksommers. Auch die motivierten und liebevollen Mitarbeiter_innen des Hauses unter der engagierten Leitung von Heike und Klaus Scharafinski tragen zu dem Wohlgefühl der Teilnehmenden bei. Das riesige abwechslungsreiche Gelände und der wunderbare Üdersee tun ihr Übriges. Das alles zusammen schafft die idealen Rahmenbedingungen für den Musiksommer.

Musiksommer am Üdersee, das sind sieben prallvolle Tage (und Nächte) mit den vielfältigsten musikalischen, literarischen, politischen und auch sportlichen Angeboten im besten naturfreundlichen Sinne.

Die „ganz Harten“ treffen sich schon früh morgens am See (zehn Minuten vor Sieben), um einmal hinüber und herüber zu schwimmen und sich dann im Anschluss gleich mit Morgengymnastik wieder aufzuwärmen.

Workshops und Mitmach-Angebote

Dann geht es richtig los: Die Teilnehmenden treffen sich im großen Hof und stimmen sich beim Schreiten, von Flötenspiel begleitet, auf das musikalische Angebot des Tages ein. Da sind das Orchester unter der bewährten Leitung von Jürgen Klose (NaturFreunde Bayern) mit überwiegend Gitarren, Mandolinen, Mandolas, aber auch Geigen, Celli, Querflöten, Akkordeon, und selbst eine Trompete waren auch schon dabei.

Jürgen, wie auch seinen Vorgängern (Peter Becker, Arthur Both, Willi Boll, Paul Mehrer), gelingt es immer wieder, alle musikalisch zusammenzubringen. Wie bei allen Aktivitäten der NaturFreunde geht es aber nicht um das Erzielen von individuellen Meisterleistungen. Das gemeinsame Tun und Erleben steht immer im Vordergrund!

Dann ist da noch der Chor mit Ruth Eichhorn. Ohne die anderen Angebote herabzusetzen: Der Chor ist das Herzstück des Musiksommers. Da kommen schon über 80 Sängerinnen und Sänger zusammen und proben mehrstimmige von Ruth geschriebene Chorsätze.

Ebenfalls fester Bestandteil des Vormittags ist die Gitarrengruppe von Lutz Eichhorn, dem jüngeren Bruder von Ruth. Hier finden sich alle zusammen, die gerne neue Lieder und deren Begleitung kennenlernen wollen. Dabei geht es vor allem um Spieltechnik, von der einfachen Begleitung über verschiedene Anschlagstechniken bis zum Fingerpicking.

Seit Jahren dabei ist die Percussiongruppe. Günter Deister versteht es, mit unterschiedlichsten Instrumenten treibende Rhythmen erzeugen zu lassen. Da sind auch schon mal Gegenstände aus dem Baumarkt im Einsatz.

Für den Abschluss der Vormittagsangebote sorgen die Kinder- und Jugendlichen mit immer neuen und eigenen Ideen. Ihre Band „Hörschaden“ wird dann auch mal schnell zur Bigband mit diversen Auskopplungen. Betreut werden die Kinder und Jugendlichen schon seit mehreren Jahren von ehemaligen Teilnehmer_innen, die selbst mit dem Musiksommer „groß“ geworden sind.

Der Nachmittag ist geprägt durch viele Workshops. Da gibt es Tanzangebote, Flöten-, Gitarrenkurse für Anfänger_innen und Fortgeschrittene, Chor für Unersättliche und vieles mehr. Die Abende bringen oft eine Verbindung von Literatur und Musik. Jedes Jahr mit neuen Angeboten und alles aus eigener Kraft.

Die (eigene) Welt verändern

Natürlich kommt auch die Geselligkeit nicht zu kurz. Oft wird bis spät in die Nacht diskutiert, gesungen, musiziert und getanzt.

Wie sagte Manfred Geiss, einer der langjährigen Organisator_innen, unterstützt durch Liedzeilen:

„ ... dass nicht alles bleibt wie es war – einzeln und frei zu leben und dennoch brüderlich als Wald zu handeln – miteinander zu streiten und miteinander zu sein – das Leben zu lieben – und weiter symbolisch zu einer Sonne zu streben, die nicht künstlich ist. Viel Kraft ist hier, viel Lachen, viel Intensität, viel Anstrengung, viel Leidenschaft, viel Freude am Erfolg.

Üdersee ist damit nicht Insel und Gegenteil von Realität, ist nicht Reifrock und Birkenstock, sondern eher widerständig, verändert vielleicht nicht die ganze Welt, aber zumindest die eigene. Jeder ist hier wichtig, kann sein Können einbringen, kann sich und seine Fähigkeiten entdecken und steigern, erlebt in sich Kräfte und geht über sich hinaus, wird gebraucht und braucht andere, das ist viel, sehr viel in dieser Zeit, das macht zu Recht stolz!“

Dass es den Teilnehmenden des diesjährigen Musiksommers gefallen hat, ist offensichtlich: 92 der 144 Teilnehmer_innen haben sich bereits jetzt für den Musiksommer Üdersee 2019 angemeldet.

Deshalb: Gäbe es den Musiksommer Üdersee nicht, man müsste ihn erfinden!

Jürgen Lamprecht
NaturFreunde Hessen

Weitere Bilder

Musiksommer Üdersee

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