Bei NaturFreund*innen liegt das Radeln im Trend

Wandern bleibt die Nummer 1 – Radsport- und Bergsportangebote dahinter gleichauf

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Um die Natur gemeinsam zu erwandern, haben sich Arbeiter*innen einst zu ersten NaturFreunde-Gruppen zusammengeschlossen. Die Wandernden verbanden Erholung und körperliche Betätigung in der Natur mit linkem politischen Anspruch. Das „Soziale Wandern“, wie es später genannt wurde, diente auch der politischen oder naturwissenschaftlichen Bildung, galt als Teil einer sozialistischen Kulturarbeit. Heute ist zum Erwandern der Natur längst das Klettern, der Kanusport, der Schneesport und nicht zuletzt das Radfahren hinzugekommen. Gerade mit dem Rad können NaturFreund*innen Natur oder Kulturlandschaft entspannt, klimafreundlich und kostengünstig im Wortsinne „erfahren“ und so an die Gründungsidee des Verbandes anschließen. Gruppen von NaturFreund*innen sind mit dem Tourenrad oder dem Pedelec genauso unterwegs wie mit dem Mountainbike oder dem Rennrad.

Dabei kann das sportliche Interesse genauso im Vordergrund stehen wie das Landschaftserlebnis oder das Interesse an einer klimafreundlichen Reise mit körperlicher Betätigung, die zu kulturell oder politisch interessanten Zielen führt. Ein Teil der Radtouren wird unter dem an das „Soziale Wandern“ anschließenden Titel „Soziale Pedale“ angekündigt und will so das Radeln explizit mit Bildung oder politischem Engagement verbinden. In den Naturfreundehäusern sind Radler*innen zudem willkommene Gäste. Eine ganze Reihe sind als „fahrradfreundlich“ zertifiziert und bieten gerade radelnden Natururlauber*innen das passende Angebot.

Radfahren bei NaturFreund*innen so populär wie der Bergsport

In den NaturFreunde-Ortsgruppen steht das Wandern als Freizeitsport weiter an erster Stelle. Radfahren ist aber mittlerweile genauso populär wie der Bergsport. Dieses Bild ergab vergangenes Jahr die Datenerhebung der Bundesgruppe bei den Ortsgruppen. Danach hielten sich die Angebote der Ortsgruppen für Radler*und Bergsportler*innen ungefähr die Waage und übertrafen zahlenmäßig deutlich die Angebote für Kanu- und Wintersportler*innen.

Bei der Datenerhebung antworteten rund 300 der angeschriebenen 550 Ortsgruppen. Dabei teilten 83 oder knapp 30 Prozent mit, dass es bei ihnen eine Gruppe von oder spezielle Angebote für Radfahrer*innen gebe. Aus einer genaueren Auswertung der Angaben und aus zusätzlichen Recherchen zum Radsport ergab sich, dass in den Ortsgruppen mit Radsport-Angeboten zumeist Radler*innen zu Radtouren, also zum Radwandern, zusammenkommen. In 15 der 83 Ortsgruppen gibt es Gruppen von Mountainbiker*innen als alleiniges radsportliches Angebot. In neun weiteren Ortsgruppen üben NaturFreund*innen verschiedene Radsportarten aus. In der Regel finden dort sowohl Radwanderungen als auch Touren mit dem Mountainbike statt. An einigen Orten sind NaturFreund*innen auch regelmäßig mit dem Rennrad unterwegs.

Gleich ein umfangreiches Jahresprogramm für Radler*innen veröffentlicht stets die NaturFreunde Radgruppe Stuttgart. Für 2022 kündigt das 32-seitige Programmheft 85 verschiedene Radtouren an. Die kürzeren dauern einige Stunden, die längeren drei, vier oder auch fünf Tage. Eine Fünf-Tages-Tour führt etwa in einer großen Schleife um den Südschwarzwald, ein Abstecher nach Frankreich inklusive. Täglich sind zwischen 50 und 75 Kilometer zurückzulegen. Die Radtour gilt als „leicht sportlich, teilweise sportlich“.

naturfreundin_1-22-1_titel_klein.pngDie Märzausgabe 2022 des NaturFreunde-Mitgliedermagazins NATURFREUNDiN hat sich in der Titelgeschichte mit dem Radfahren beschäftigt.

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Radgruppe Stuttgart: Radfahren mit Politik verbinden

Die Radgruppe Stuttgart ist ein Sonderfall, sie ist als reine Radler*innengruppe einer NaturFreunde-Ortsgruppe gleichgestellt. „Der Landesverband Württemberg hat für uns extra seine Satzung geändert“, sagt stolz Peter Pipiorke, der Vorsitzende der Radgruppe. Im Landesverband Württemberg können seither „NaturFreunde-Ortsgruppen und andere NaturFreunde-Gruppen“ Mitglieder sein. Die Radgruppe Stuttgart ist nicht nur sportlich, sondern auch politisch aktiv.

Die Gruppe ist im Unterausschuss Mobilität des Stuttgarter Gemeinderates vertreten. Sie gibt zudem einen eigenen Newsletter – Das Kettenblatt – heraus, engagiert sich gegen Stuttgart 21 und ist regelmäßig bei Aktionen für sichereren Radverkehr und eine bessere Radinfrastruktur dabei. Viele ihrer Touren folgen dem Motto „Rad & Kultur“, führen in ein Museum, folgen den Spuren eines Dichters oder haben eine Gedenkstätte zum Ziel. Bei anderen Touren können sich die Radler*innen über sichtbare Folgen des Klimawandels in Stuttgarts Umgebung informieren. Newsletter und Homepage der Radgruppe zeigen zudem, dass Radler*innen häufig für ihre Anerkennung als vollwertige Verkehrsteilnehmer*innen streiten müssen, oft um ihre Sicherheit zu fürchten haben und dass sich schnell Ansatzpunkte für das Engagement für eine Verkehrswende ergeben.

NaturFreunde Tecklenberg: eine reine Mountainbike-Gruppe

Am Rande des Teutoburger Waldes in der 9.000-Einwohner*innen-Stadt Tecklenburg findet sich ebenfalls eine NaturFreunde-Ortsgruppe, die sich ganz dem Radsport verschrieben hat. Die NaturFreunde Tecklenburg haben sich erst im vergangenem Jahr gegründet und jetzt „45 Mitglieder mit steigender Tendenz“, wie ihr Vorsitzender Thomas Spreckelmeyer-Heukamp sagt. Bei ihnen dreht sich alles um das Mountainbike. „Wir planen für dieses Jahr acht oder neun größere Touren, mal in einen Biker-Park oder auch übers Wochenende in ein Naturfreundehaus in der Umgebung“, sagt er. Ansonsten verabrede man sich regelmäßig über eine Whatsapp-Gruppe samstags oder sonntags zu Mountainbike-Touren durch den Teutoburger Wald.

Sprekelmeyer-Heukamp hat bei den NaturFreunden die Ausbildung zum Trainer C – Bergsteigen abgeschlossen, seine Frau Julia Heukamp, die ebenfalls dem Ortsgruppenvorstand angehört, absolviert gerade die Ausbildung zur Trainerin C – Mountainbike. Die Ortsgruppe organisiert nicht nur Mountainbike-Touren oder –Wochenenden, sie setzt sich auch dafür ein, dass naturverträgliches Mountainbiking gerade im Teutoburger Wald weiter möglich bleibt. Schließlich sei Mountainbiken schon seit 1996 eine olympische Sportart und längst ein Breitensport und keine Trendsportart mehr, meint Sprekelmeyer-Heukamp. Fast vier Millionen Radler*innen seien in Deutschland regelmäßig mit dem Mountainbike unterwegs.

Zwei Ausbildungen für Trainer*innen

Die Ausbildung von Natursporttrainer*innen ist Aufgabe des Bundesverbandes der NaturFreunde. Für die vier Fachgruppen des Bundesfachbereichs Natursport und Wandern – Bergsport, Schneesport, Kanusport und Wandern – gibt es jeweils ein Bundeslehrteam. Die Trainer*innenausbildung für das Mountainbiken ist Aufgabe der Fachgruppe Bergsport, die Ausbildung zur Teamer*in für Radtouren Aufgabe des Fachbereichs Wandern. Der für Natursport und Wandern zuständige Bundesfachbereichsvorstand Matthias Grell tritt für die Einrichtung einer neuen übergreifenden Übungsleiter*innenausbildung ein. In der Ausbildung könnten Kenntnisse in verschiedenen Natursportarten wie Radfahren und Klettern und auch pädagogische Kenntnisse vermittelt werden, sagte er.

Diskussion um neue Bundesfachgruppe

Verkehrspolitisch betonen NaturFreund*innen seit langem die wachsende Bedeutung des Radfahrens. In seinem Beschluss „Mobilität klimaverträglich sichern“ hat der Bundesausschuss vor drei Jahren eine Verkehrspolitik verlangt, die „den öffentlichen Nah- und Fernverkehr und den Fuß- und Radverkehr in den Mittelpunkt“ stellt. Heute für den Autoverkehr vorgesehene Flächen sollten künftig dem Radverkehr zur Verfügung stehen. „Durch Rückbau von mehrspurigen Straßen und Aufgabe von Parkräumen für Autos“ sollten neue Radwege und Radschnellwege geschaffen werden.

Schon im November 2018 hatte der Bundesausschuss beschlossen, im Bundesfachbereich Natursport und Wandern zusätzlich eine fünfte Bundesfachgruppe „Radsport“ einzurichten. Der Radsport sei „eine Aktivität, die in praktisch jeder Ortsgruppe angeboten werden kann“, hieß es. Daher könnten einmal entwickelte Konzepte und Materialien flächendeckend eingesetzt werden. Eine wachsende Zahl von Ortsgruppen, in denen Radsport betrieben werde, könne vom Austausch profitieren. Eine zentral koordinierte Kommunikation könne Radsport-Angebote bekannter machen. Die neue Fachgruppe sollte die Interessen der Radsportler*innen „besser vertreten“, attraktive Ausbildungsangebote machen, dem Bedürfnis nach sportlicher Betätigung auf zwei Rädern Rechnung tragen. So könnten die NaturFreunde „neue Mitglieder anziehen“.

Die beschlossene Bundesfachgruppe hat die Arbeit noch nicht aufgenommen. Die Mittel für die Gruppe standen zwar im Bundesetat der NaturFreunde zur Verfügung. Im Jahr 2019 kam es aber nicht zur Gründung und dann stand dieC orona-Pandemie oben auf der Tagesordnung. „Aufgeschoben ist nicht auf gehoben“, sagt der NaturFreunde-Bundesvorsitzende Michael Müller. „Sobald es die Corona-Situation zulässt, sehen wir weiter und schauen, was in den einzelnen Ortsgruppen möglich ist.“

Jürgen Voges