Die „solidarische Landwirtschaft“
Bekannt wurde Mathias von Mirbach mit seiner „Kuh-Aktie“: Um Geld für Investitionen in seinen 170 Hektar großen Demeterhof im Kreis Segeberg einzusammeln, gab er Anteilscheine an seinen Rindern aus. Tiere als Objekt für Spekulanten? „Nein, nein“, versichert Mirbach, „unsere Zinsen sind nicht Geld, sondern Lebensmittel“, erklärt er. Eine Kuh-Aktie kostet 500 Euro, der Käufer erhält fünf Prozent Zinsen in Naturalien: Brot, Käse oder Wurst.
Mathias von Mirbach ist Erfinder des Modells der „solidarischen Landwirtschaft“. „Das Prinzip basiert auf Vertrauen“, sagt der 55-Jährige. Er wolle als Bauer gute und leckere Lebensmittel für Menschen herstellen und muss darauf vertrauen, dass er dafür die nötigen Kosten decken kann. „Die Konsumenten wollen sicher sein, dass ich für sie diese Lebensmittel herstelle und dass die dann auch wirklich gut und lecker sind“, sagt Mirbach.
Mittlerweile 700 Menschen sind über „Ernteanteile“ an Mirbachs Hof beteiligt und werden von ihm mit hochwertigen Nahrungsmitteln versorgt. Der Bauer fährt wöchentlich die Autostunde nach Hamburg, um Kartons und Kisten mit Lebensmitteln in Depots der Hamburger Unterstützer zu fahren. Für den Monatsbeitrag von 178 Euro können sich die Mitglieder bedienen, die Reste gehen wieder in den 40 Kilometer nördlich von Hamburg gelegenen Hof, „in die Schweinetröge“, wie Mirbach sagt.
Doppelter Ertrag auf Mirbachs Böden
Das Prinzip hat den Landwirt in die Lage versetzt, seinen Boden so zu bearbeiten, wie er es für richtig hält: biologisch-dynamisch. Mirbach ist kein „Rohstoffproduzent für die Lebensmittelindustrie“, wie es die anderen Bauern sind. Er setzt auf Vielfalt, selten gewordene Anbaupflanzen und eine ökologische Kreislaufwirtschaft. Der Vorteil ist bemerkenswert: Mirbach produziert auf seinen 170 Hektar mehr, als viele andere Bauern auf der doppelten Anbaufläche schaffen. Er schont die Böden, tut etwas für den Wasserkreislauf und hat auch noch das Gefühl, „etwas Gutes zu tun“.
Die Wundererde „Terra Preta“
„Terra Preta“ heißt eine Wundererde aus dem Amazonasbecken. Die uralten, teilweise meterdicken Schichten der Terra Preta bestehen aus einer Mischung von Holzkohle, Exkrementen, Knochen und organischen Abfällen, durchsetzt mit Tonscherben – wahrscheinlich Überreste von riesigen Tongefäßen, in denen Siedlungsabfälle zu fruchtbarem Dauerhumus für Hochbeete umgewandelt wurden. Die Zusammensetzung ist längst entschlüsselt, jeder kann sie selbst herstellen.
„Wichtigster Bestandteil ist die Holzkohle – feiner Staub und keine Asche“, sagt Bodenkundler Haiko Pieplow, der ein Verfahren zur Herstellung von Terra Preta entwickelt hat. Die schwammartige, poröse Struktur der Biokohle speichert Wasser und Nährstoffe. In ihren Hohlräumen – das ist das Geheimnis – siedeln sich komplexe Lebensgemeinschaften von Mikroorganismen an.
Rote Bete, groß wie ein Handball
Terra Preta ist im Prinzip auf jedem Balkon und in jedem Kleingarten herstellbar. Erwerbslose könnten diese schwarze Erde, und damit ihre Lebensmittel, genau so erzeugen wie Gärtner oder Baumschulen. Überall, wo Menschen leben, könnte Terra Preta die Landnutzung revolutionieren – und damit neue fruchtbare Böden schaffen.
Auf Versuchsböden in Brasilien wuchsen Bananenstauden bis zu fünf Meter pro Jahr, in Rheinland-Pfalz wurden Rote-Bete-Köpfe so groß wie Handbälle. Die Qualität des dort hergestellten Terra-Preta-Substrats stellt nach einer Analyse des Landauer Instituts für Umweltwissenschaften die von Torf und herkömmlichem Kompost weit in den Schatten. Auch Universitäten in Berlin, Bayreuth und Leipzig, Landwirte im Chiemgau und in Österreich sowie Biowinzer in der Schweiz experimentieren mit Terra Preta.
Die neue Bodenphilosophie
„Conservation Agriculture“ nennt sich eine Bodenphilosophie, die den Zustand unserer Lebensgrundlage verbessern kann. Dabei wird der Boden von den Landwirten nicht mehr gepflügt, sondern mit Mulch oder Gründüngung angereichert. „Mit dem Pflug wird das Erdreich zwar durchlüftet und gelockert, allerdings führt das Pflügen auch zu Erosion und zerstört einen Teil der Bodenfauna“, sagt Landwirt Bernd Kneer aus dem Bergischen Land.
Pflanzenschutz mit Vorzeigecharakter
Sein Betrieb am Zwingenberger Weg ist einer von fünf ausgewählten im Bergischen Land, die vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft als „Demonstrationsbetrieb integrierter Pflanzenschutz“ Vorzeigecharakter hat. Maisbauern nutzen nach dem „Conservation Agriculture“-Prinzip beispielsweise eine Winterbegrünung mit Zwischenfrüchten. Statt „nichts“ anzubauen, werden Senf oder Untersaaten angebaut. Dadurch wird vermieden, dass es zu Erosion oder einem Nährstoffaustrag in der vegetationsfreien Zeit kommt, die ohne Zwischensaat nicht zu verhindern wäre.
Ein anderes Konzept sieht vor, Büsche oder Bäume am Feldrain anzupflanzen, um herabströmendes Wasser zu verlangsamen, Boden festzuhalten und die Windgeschwindigkeit über dem Feld zu verringern. Grasstreifen entlang der Hangkanten stellen eine wertvolle Futterquelle dar. Sie können genügend Boden festhalten, um neue Terrassen anzulegen. Bäume und Gras beseitigen bestehende Abflussrinnen und verhindern, dass sich neue bilden.
Zudem können Fruchtwechsel zwischen Getreide und Hülsenfrüchten die Bodenfruchtbarkeit wieder verbessern. Erbsen, Wicken, Linsen oder Ackerbohnen verfügen über die Eigenschaft, Stickstoff aus der Luft zu binden und in den Boden einzubringen – was das Düngen mit teurem Kalisalz erspart. Futterpflanzen wie Lupinen oder Klee – ebenfalls Hülsenfrüchte – können wegen ihres hohen Eiweißgehaltes eine einheimische Alternative zum oft aus Südamerika eingeführten Sojafutter für die Viehhaltung darstellen.
Nick Reimer
Dieser Artikel ist zuerst erschienen in NATURFREUNDiN 3-2015