Erfahrungsbericht: „Schnupperkurs Klettern“ für blinde und sehbehinderte Menschen

eine Frau klettert an der Kletterwand und wird dabei gesichert
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Seit Jahren höre ich von Bekannten, dass sie klettern. Wahlweise im Urlaub, in den Bergen oder in der Kletterhalle. Schon beim letzten Angebot des Schnupperkurses Klettern hinderten mich lediglich terminliche Gründe daran, teilzunehmen. Im Unterschied zu vielen anderen Angeboten erschien es mir wichtig, dass die Anleitenden Erfahrung im Umgang mit blinden und sehbehinderten Teilnehmenden haben.

In diesem Jahr war die Veranstaltung eine Kooperation zwischen den NaturFreunden Berlin, dem Allgemeinen Blinden- und Sehbehindertenverein (ABSV) und der Bezirksgruppe Berlin-Brandenburg des Deutschen Vereins der Blinden und Sehbehinderten in Studium und Beruf (DVBS). Am 10. Oktober 2016 trafen sich vier blinde und sehbehinderte Schnupperkurs-Teilnehmer und -Teinehmerinnen sowie drei Unterstützer unter der fachlichen Anleitung von Johannes Egerer, Klettertrainer bei den NaturFreunden und Mitarbeiter des DBSV, zum Klettern.

Zunächst wurden wir mit Kletterschuhen und Klettergurten ausgestattet. Dabei müssen die Schuhe eher eng sein und wären für eine „normale“ Wanderung nicht geeignet. Das Gurtsystem besteht aus zwei Beinschlaufen und einem Hüftgurt, die durch weitere Gurte miteinander verbunden sind. Johannes Egerer erklärte uns, dass die Gurte für zwei Tonnen Last ausgelegt sind – das sollte dann wohl auch mich halten. Die Kletterhalle ist 15 Meter hoch und verfügt über unterschiedlichste Kletterwände und -routen, die farblich verschieden gekennzeichnet sind und ganz unterschiedliche Schwierigkeitsgrade haben. Für uns als Schnupperkletterer war all dies aber erstmal nicht entscheidend, wir wollten nur „die Wand hoch“. Als zusätzliche Unterstützung für unser Klettervorhaben nutzten wir Seile, die oben an der Kletterwand befestigt sind. Beide Seilenden reichen bis zum Boden, eines wird mit der kletternden Person und das andere mit der sichernden Begleitung verbunden. Beim Weg nach oben hat die sichernde Person die Aufgabe, das Seil straff zu halten, so dass die Kletternden bei Bedarf entlastet werden können.

Ich war sehr gespannt auf meine ersten Klettererfahrungen und erstaunt über die unterschiedlichsten Griffmöglichkeiten, angefangen bei ganz kleinen viereckigen Plättchen, bei denen ich mich gefragt habe, wie da eine Hand oder ein Fuß Halt finden soll, bis hin zu komfortablen Eingriffsmöglichkeiten für die Finger. So ging es senkrecht die Wand hoch. Ängstlich war ich nicht. Wenn wir beide Hände und Füße nutzen, um zu klettern, bleiben immer drei Extremitäten an der Wand, um sich festzuhalten. So lernt der Körper neue Bewegungsmuster kennen und die jeweiligen Muskeln erfolgreich einzusetzen. Manchmal gab es Hinweise von den sichernden Personen, um schneller einen geeigneten Halt zu finden. Auch beim Klettern ist eine Pause möglich. Auf das Zeichen „zu“ wird das Seil so gesichert, dass man sich hineinsetzen kann, ohne sich festhalten zu müssen. Die Hände von der Wand zu lösen, bedeutete für mich aber schon etwas Überwindung …

Vorher hatte ich eher Respekt vor dem Abstieg, wie sich dann herausstellte, allerdings unbegründet. Auf das Kommando „ab“ lässt die sichernde Person das Seil wieder locker und man kann gewissermaßen an der Wand „herunterlaufen“. So bekommt man ein Gefühl für die Höhe, die man vorher mühsam erklommen hat. Eine Teilnehmerin mit mehr Klettererfahrung meinte, für sie sei es wichtig, im Klettern einen Rhythmus zu finden. Das kann ich fürs erste Mal noch nicht sagen. Für mich war zunächst der Weg das Ziel, jeder Schritt war ungewohnt. Meinen Rhythmus zu finden wäre dann mein Ziel für das nächste Mal.

Auf meine Frage, ob man fürs Klettern zu alt sein könne, bekam ich von unserer Begleiterin Anne die Antwort: „Im Prinzip kann jeder klettern, der auf eine Leiter steigen kann.“ Außerdem fordert das Klettern die ganze Aufmerksamkeit, sodass all der Ärger und der Stress des Alltags schnell vergessen sind. Eine interessante Erfahrung, die ich beim nächsten Mal gerne vertiefen würde.

Jutta Rütter
Mitglied der Bezirksleitung Berlin-Brandenburg des DVBS