Die NaturFreunde Berlin sind in vielfältigen politischen und kulturellen Feldern tätig. Mit ihrer Reihe „Fotoexkursionen“ knüpfen sie an die Tradition der sozialkritischen Fotografie der politischen Linken an. Wandel aufzeigen, soziale Realitäten darstellen und mit den alltäglichen Erscheinungen des Lebens und der Arbeitswelt auseinandersetzen, war seit mehr als 80 Jahren Ziel der „Arbeiterfotografie“. NaturFreunde-Fotografie begreifen dabei die Aktiven bei den NaturFreunden nicht als „bürgerliche Kunst, die höchste Präzision und ästhetische Schönheit der Bilder schaffen muss“, sie sehen die Fotografierenden nicht als Künstler*innen im bürgerlichen Sinne, sondern vermitteln den Teilnehmenden an den Fotoexkursionen, dass alle Menschen schöne Fotos machen können, wenn sie ihren eigenen Blick auf die Umgebung richten.
Die NaturFreunde wollen mit ihren Touren vor allem sozialdokumentarische Fotografie in der Tradition der kritischen Fotografie der sozialistischen Linken weiterentwickeln. Stadtentwicklung, Gentrifizierung, Architektur der Macht oder Touristification sind nur einige Beispiele für Fototouren-Themen der NaturFreunde Berlin, die eine Auseinandersetzung mit den gesellschaftspolitischen Entwicklungen durch Bilder fördern sollen. Dabei steht das individuelle Erleben der Erfahrungen zu den Themen der Touren im Mittelpunkt. Jede/r soll seine/ihre eigene Sicht auf die Themen finden und durch die Fotos ausdrücken. Kreativität und eigene Wahrnehmung, aber vor allem der unterschiedliche Ausdruck und die differenzierte Sichtweise sind das Ziel der „Fotoexkursionen“.
Alle Teilnehmenden werden nach den Touren gebeten, ihre Favoriten ihrer Bilder auszuwählen und aus ihrer Sicht darzulegen, warum sie sich für das jeweilige Motiv entschieden haben. Ausdrücklich gibt es bei den Auswertungen kein „schön“ und „schöner“, sondern Unterschiedlichkeiten im fotografischen Ausdruck.
Dabei reden sie bei den Treffen über die vielfältige Geschichte der Arbeiter*innenbewegung als widerständiger Teil der Gesellschaft, die Ungerechtigkeiten und soziale Benachteiligung überwinden wollte und den Beitrag, den die Arbeiter*innenfotograf*innen für diese politische Arbeit leisten wollten. Ausdrücklich wollen die NaturFreunde Berlin Amateur-Fotos schaffen.
Der Fotoapparat – politisches Werkzeug für gesellschaftliche Veränderung
Ein wichtiger Bereich der Fotoarbeit der NaturFreunde Berlin ist die Begleitung und Dokumentation der politischen Arbeit der kritischen Bewegungen in Berlin, in denen sich NaturFreunde aktiv einbringen.
Seit Entstehen der Bewegung gegen die neoliberalen Freihandelsabkommen TTIP und CETA arbeitet in Berlin ein Netzwerk aus globalisierungskritischen Gruppen, Umweltverbänden und Gewerkschaften – darunter auch die NaturFreunde – zusammen, um für einen gerechten Welthandel zu kämpfen. In den letzten Jahren hat das Netzwerk „TTIP | CETA | TiSA stoppen!“ mehr als 40 Kundgebungen, Aktionen und Demonstrationen durchgeführt. Ziel der sozialen Fotografie bei den NaturFreunden ist, diese Arbeit zu begleiten, Akteur*innen mit ihren Beiträgen zu erfassen und im Rahmen der dokumentarischen Möglichkeiten der Fotografie für die Inhalte dieser gesellschaftlichen Arbeit zu werben.
Die Berliner NaturFreunde begreifen ihre Fotoarbeit als Teil ihrer gesellschaftsverändernden Arbeit in den Bewegungen. Mit aussagekräftigen Fotos, die den Alltag des Widerstandes zeigen, mit der Dokumentation der Banner und Losungen, mit Schnappschüssen aus der Bewegung, soll die Alltäglichkeit und auch Schwierigkeit des Einsatzes für eine veränderte Politik aufgezeigt werden.
Ausstellung zum Widerstand gegen TTIP und CETA
Über die Arbeit des Netzwerkes „TTIP | CETA | TiSA stoppen!“ sind in den letzten Jahren mehr als 8.000 Fotos bei den verschiedenen Aktionen durch NaturFreund*innen entstanden. Deshalb kamen die Fotograf*innen und die Aktivist*innen des Bündnisses auf die Idee, gemeinsam eine Fotoausstellung durchzuführen, die ihre gemeinsame Arbeit zeigt. In vielen Stunden wurden die Fotos gesichtet und aus den tausenden Fotos 80 Exponate ausgewählt, die zu einer Ausstellung gestaltet wurden. Der Titel der Ausstellung war schnell gefunden: „Von 7 bis 250.000 – Der Protest in Berlin gegen TTIP, CETA und Co“. Der Titel der Ausstellung soll vor allem verdeutlichen, dass Widerstand nicht nur von Großereignissen lebt und dass der Alltag in den Initiativen und Gruppen vor allem in kleinen und wenig beachteten Aktionen besteht. Die organisierten Proteste in Berlin waren auch dementsprechend vielfältig: Mit sieben Aktivist*innen standen die TTIP- und CETA-Gegner*innen vor dem Bürgerbüro des CDU-Europaabgeordneten, um ihn aufzufordern, im Europäischen Parlament gegen CETA zu stimmen; mit 250.000 Aktiven gingen die Berliner*innen bei der Großdemonstration „TTIP stoppen“ im Oktober 2015 auf die Straße.
Seitdem ist der Protest wieder kleiner geworden. Die Aktivist*innen lassen sich jedoch in ihrem Einsatz nicht unterkriegen und organisieren weitere Aktivitäten, Demonstrationen, Info-Stände und lustige Aktionen.
Gerade solche kleinere Aktionen wollen die Fotograf*innen der NaturFreunde mit ihren Kameras festhalten und ihren Beitrag zum Widerstand leisten. Den Fotoapparat verstehen die NaturFreunde Berlin dabei als „Waffe des Widerstandes“. Sie sind in der ersten Reihe, wenn Ordnungskräfte gegen Demonstrierende in Stellung gebracht werden, dokumentieren und fotografieren und bieten so die Möglichkeit, Aktionen aus dem Vergessen des Alltages herauszuholen und für die politische Arbeit einzusetzen. Sie dokumentieren aber vor allem auch die Ästhetik des Widerstandes, den Einsatz und auch die Zufriedenheit der Aktivist*innen, wenn nach vielen Stunden intensiver Vorbereitung eine gute Aktion gelungen ist. So soll der politische Widerstand erfahrbar gemacht werden und für die Mitarbeit in den Initiativen und Gruppen geworben werden.
In der Galerie der NaturFreunde Berlin haben die NaturFreunde in Zusammenarbeit mit dem Netzwerk „TTIP | CETA | TiSA stoppen“ die Ausstellung mit den 80 Bildern für etwa zwei Monate gezeigt. Um die Ausstellung wurden Informationsveranstaltungen der NaturFreunde-Reihen „Politik konkret“ und „LesensWert“ organisiert. So wurden mit Vorträgen über die geopolitischen Hintergründe der heutigen neoliberalen Freihandelsabkommen und einer Info-Veranstaltung zum geplanten Freihandelsabkommen EU-Japan in der Reihe „Politik konkret“ Veranstaltungen durchgeführt. In der Reihe „LesensWert“ wurde der neue Attac-Basistext „Basistext 49 - Friede, Freude, Freihandel“ von einem der Autoren vorgestellt und in die theoretischen Grundlagen der heutigen Freihandelsideologie eingeführt.
Die Ausstellung bei den NaturFreunden Berlin war ein Auftakt für weitere Ausstellungen, die in den nächsten Jahren zu Themenbereichen wie Klimabewegung, Anti-Atom-Bewegung, Anti-Kohle-Bewegung geplant sind.
Uwe Hiksch
NaturFreunde Berlin