Gegen die Barrieren im Kopf

Ab November: die neue Ausbildung Trainer*in C – Sportklettern Inklusion

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„Kletter einfach so hoch, wie du möchtest!“ Trainerin Sanna Peteranderl wirft dem zehnjährigen Mädchen einen aufmunternden Blick zu. Beide stehen in der Nähe des Münchner Ostbahnhofs vor einer massiven Eiche, an der bunte Klettergriffe fixiert sind. Sanna – Ausbilderin künstliche Kletteranlagen & Trainerin C – Sportklettern der NaturFreunde – prüft nochmals ihr Sicherungsgerät. Und dann probiert sich die junge Kletterin an der provisorischen Route aus.

Das „Baumklettern“ in der Stadt ist ein ungewohntes Bild, nicht nur für Passanten. Normalerweise finden solch inklusive Kurse auch in Münchner Kletterhallen statt. Die Idee stammt von der Sozialpädagogin Ulrike Dietrich, ebenfalls NaturFreunde-Trainerin C – Sportklettern (sowie Alpinklettern). Zuerst kletterte Ulrike mit Kindern mit Behinderungen und deren Geschwistern, dann entwickelte sie bei der IG Klettern München-Südbayern das inklusive Projekt „Bayerns Beste Gipfelstürmer“. Heute sind dort etwa 150 Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene aktiv – ob nun mit Handicaps, mit Fluchthintergrund oder etwa mit finanzieller Benachteiligung.

Lehrgang "Sportklettern Inklusion"
13.–15.11.2020 (München) & 27.–29.11.2020 (Peißenberg)
Anmeldeschluss: 9. Oktober 2020
Kosten: 210 € (Mitglieder) + Halleneintritte
Mehr Informationen und Anmeldung

Das Corona-Virus hat natürlich auch die „Gipfelstürmer“ zu Ausweichlösungen gezwungen. Als die Klettergruppen in den Hallen pausieren mussten, wurde das Baumklettern als Alternative angeboten. Denn wo auch immer geklettert wird, die Vision ist gleich: Inklusion soll über den Klettersport gelebt und vermittelt werden. Inklusion, das heißt: Alle Menschen sind ganz selbstverständlich vielfältig und jedem wird eine Teilhabe ermöglicht.

Der Leitgedanke der Vielfalt spiegelt sich zum Beispiel in diversen Zielgruppen wider, die bei den Kletter-Ausfahrten miteinander in Kontakt kommen. Um möglichst allen eine Teilhabe zu ermöglichen, werden an vielen Stellen Barrieren abgebaut: Finanziell Schwache können kostengünstig teilnehmen, Menschen mit körperlichen Einschränkungen werden am Seil unterstützt, für Kinder mit Sprachbarrieren gibt es Handzeichen zu den Kletterkommandos. Einige Menschen kommen an der Kletterwand übrigens auch ganz ohne Hilfsmittel besser voran als im Alltag. Blinde zum Bespiel können in der Senkrechten den Weg ertasten, wofür sie anderswo auf einen Taststock angewiesen sind.

Der Erfolg von Inklusion beim Klettern lässt sich also nicht nur daran bemessen, ob es an der Kletterhalle einen Aufzug gibt. Viel wichtiger ist das Abbauen von Barrieren im Kopf. Und weil die Grundlagen dafür gezielt geschult werden können, haben die NaturFreunde und die IG Klettern München gemeinsam eine neue Trainer*in-Ausbildung entwickelt. Die soll den Gedanken der Inklusion weiter verbreiten – in Kletterhallen, in den Bergen, in der Gesellschaft – und das Leitbild, die Stärken der*des Einzelnen in den Vordergrund zu stellen und möglichst wenig „technisch“ einzugreifen.

Der Beginn des neuen Ausbildungslehrgangs zum*r Trainer*in C – Sportklettern Inklusion ist für November geplant. Unter der Leitung von Ulli Dietrich und Sanna Peteranderl geht es dann inhaltlich um die Entwicklung von inklusiven Strukturen im Verein, Anforderungen verschiedener Zielgruppen (zum Beispiel mit Behinderung, mit Fluchtgeschichte, mit sozialer Benachteiligung), auch um Recht, Gefahrenpotenziale oder Missbrauchsprävention. Natürlich bietet der sechstägige Lehrgang (zwei Wochenenden) auch praktischen Übungen. Voraussetzung zur Teilnahme ist die Qualifikation Ausbilder*in künstliche Kletteranlagen der NaturFreunde oder Trainer*in C – Sportklettern der IG Klettern München. Lizenzgeber sind die NaturFreunde. Die notwendigen Pflichtfortbildungen zum Lizenzerhalt können sowohl bei den NaturFreunden als auch bei der IG Klettern absolviert werden.

Lotte Ziegler