Bericht: Besuch der Yavuz Sultan Selim Moschee in Mannheim

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Seit vielen Jahren führen die NaturFreunde Frankenthal eine Vortrags- und Besichtigungsreihe „Lerne deine Heimat kennen“ durch. Am 26. April 2017 besuchten sie die Yavuz Sultan Selim Moschee im Mannheimer Stadtteil Jungbusch.

Mehr über den Islam und die hier lebenden Muslime, ihre Religion, Kultur, aber auch die Einstellung zur Abstimmung über die Verfassungsänderung in der Türkei zu erfahren, waren Motive für den Besuch.

Die Yavuz Sultan Selim Moschee am Luisenring in Mannheim wurde 1995 als damals erste und lange Zeit größte Moschee in Deutschland. Sie bietet Platz für 2.500 Gläubige im Gebetsraum, daneben weitere Räume für die Vorbereitung zum Gebet und Gemeindeeinrichtungen. Viele beim Bau verwendete Materialien in den Waschräumen oder dem Gebetsraum sind aus der Türkei importiert worden. Gebaut wurde die Moschee von einem Trägerverein, die Finanzierung erfolgte aus Spenden der Gläubigen, von Firmen und (wie mit besonderem Stolz berichtet wurde) zwei Pfarrern, von denen einer Führungen und Erklärungen in der Moschee anbietet. Im Moscheegebäude sind einige Räume als Geschäfte vermietet – sozusagen die Vorsorge für notwendige Instandhaltungsarbeiten durch die eingehende Miete.

Osman Özay, der Ehrenvorsitzende des Islamischen Bundes (dem Träger der Moschee) und der Politikwissenschaftler und langjährige Leiter des „Mannheimer Instituts für Integration und interreligiösen Dialog e.V.“ Dr. Reiner Albert nahmen die Besucher in Empfang und informierten über die Geschichte der Moschee, ihre Einrichtungen, Aufgaben und Ziele. Nach vielen Informationen und Nachfragen zu den Ritualen der islamischen Religion im Gebetsraum der Moschee wurde schnell klar, dass die Initiatoren des Moscheebaus eine eigene und sehr unabhängige Haltung zur Rolle „ihrer“ Moschee haben, was auch Folgen für die Haltung zu aktuellen Themen hat.

Die Frage zur politischen Entwicklung in der Türkei und die Haltung zum Verfassungsreferendum hatte Osman Özay in einem Interview mit dem Mannheimer Morgen vom 8. April 2017 beantwortet: „Wir sind Mannheimer Türken und wollen uns da bewusst raushalten“. Dahinter steckt das Verständnis, dass viele Menschen aus anderen Ländern – auch der Türkei - nach Deutschland kommen und auch hier bleiben. Das zeigt sich auch daran, dass viele Familien inzwischen seit mehreren Generationen hier leben.

Bei der Einweihung der Moschee im Jahr 1995 hat Osman Özay den Anspruch so formuliert: „Wir leben in dieser Stadt, fühlen uns als Mannheimer Türken und werden uns von nun an noch intensiver darum bemühen, uns in die deutsche Gesellschaft zu integrieren“.

Diese Einstellung, die für die Errichtung der Moschee eine wichtige Rolle gespielt hat – wie uns die beiden Verantwortlichen der Moschee erläuterten - war seither nicht einfach umzusetzen. Sowohl die Interessen, des türkischen Generalkonsulats, als auch das Unverständnis und die mangelnde Unterstützung der deutschen Behörden, behinderten die Grundüberlegungen der Verantwortlichen der Moschee.

Dies gilt vor allem für das wohl ambitionierteste Projekt: die Ausbildung deutschsprachiger Imame und Religionsgelehrter durch einen eigenständigen Verein. Unterschiedliche Vorbehalte der Zuständigen haben dies verhindert – die Ausbildung findet nun als Teil des Türkischunterrichts statt, der von Behörden in der Türkei bestimmt wird.

Die deutschen Behörden haben damit die Chance ausgelassen, einen wirklichen Beitrag zur Stärkung der gewünschten Integration in die deutsche Gesellschaft zu leisten. Sie haben dies den türkischen staatlichen Institutionen überlassen.

Zum Schluss des 120-minütigen Besuchs wurde das Gespräch mit einer Aussprache über Abstimmung zum Referendum über die Verfassungsänderung und die Motive für Entscheidungen diskutiert.

Mit der Gründung der türkischen Republik im Jahr 1923 durch Mustafa Kemal Pascha Atatürk wurde der Einfluss der Religion und ihrer Symbole und Traditionen in staatlichen Einrichtungen zurückgeführt und eine strenge Trennung von Staat und Kirche im Sinne des Laizismus festgeschrieben.

Eine größere Rolle des Islam in der Gesellschaft, wie mit der Verfassungsänderung versprochen, wird heute von vielen Türken begrüßt. Eventuell tiefgreifende Veränderungen werden dabei wohl übersehen. Für die NaturFreunde mit ihrer religionsoffenen Einstellung wird es auch künftig interessant sein, die Entwicklung weiter aufmerksam zu verfolgen. Der Besuch hat gezeigt, dass Integration und Zusammenleben viele unterschiedliche Aspekte hat, aber auf jeden Fall mehr Aufmerksamkeit und Austausch erfordert. Die Mannheimer Moschee hat seit ihrem Bestehen viel versucht um dies zu leisten.

Reinhard Reibsch
NaturFreunde Iggelheim

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