Nachhaltiger Tourismus in den Alpen

Der Bundesfachbereich Naturschutz, Umwelt und sanfter Tourismus (NUST) der NaturFreunde Deutschlands hat am 26. April 2014 folgende Position zum nachhaltigen Tourismis in den Alpen beschlossen:

Ausgangslage

Der Massentourismus hat den Menschen in den bayerischen Alpen einerseits wirtschaftlichen Aufschwung gebracht, andererseitsist er eine große Belastung in ökologischer Hinsicht.Auch hat erEinfluss auf das soziale Gefüge.In den Boomregionen, zu denen die bayerischen Alpen gehören, ist der Massentourismuseine Realität, vor der wir die Augen nicht verschließen können. Die Tourismusgemeinden haben jahrzehntelang einseitig viele Millionen in den Wintersport investiert und sich auf diese Weise im Zeichen des zunehmend sichtbaren Klimawandels in eine scheinbar ausweglose Lage manövriert.Nunmehr befinden wir uns mit dem Tourismus, der sowohl Mitverursacher als auch Leidtragenderist,an einem Scheideweg.

Grundsatzposition

Die NaturFreunde fordern eine nachhaltige Entwicklung im Einklang mit der Natur, wobei ein rasches Umdenken in der Tourismusbranche und in der Politik erforderlich ist. Zum einen bedarf es gewaltiger Anstrengungen, um den Temperaturanstieg auf 2 Grad Celsius zu begrenzen (Verminderungsstrategie). Parallel dazu muss sich die Tourismuswirtschaft an die Auswirkungen der Klimaerwärmung anpassen − und zwarumwelt-und sozialverträglich (Anpassungsstrategie), beides mit konsequenter Unterstützung der Politik. Unser Ziel ist es, dass die Menschen in den Alpen weiterhin selbstbestimmt leben könnenund dass die Schönheit der Landschaft, die letztlich auch Grundlage für den Tourismus ist, nicht zerstört wird. Dazu ist ein Konzept für einen nachhaltigen Tourismus im Alpenbereich nötig, zu dem die Politik Rahmenbedingungen setzt. Auch die NaturFreunde stehenals Umwelt- und Tourismusverband in der Pflicht. Darüber hinaus trägt auch jeder einzelne Verantwortung durch sein eigenes Verhalten.

Forderungen der NaturFreunde im Einzelnen

1.Verkehr: Da der Reiseverkehr einen wesentlichen Teil der CO2 Emissionen erzeugt (84 Prozent der Urlaubsreisen in die Alpen werden mitdem PKW unternommen) und den Klimawandel weiter anheizt, fordern wir im Rahmen der Verminderungsstrategie

  • einen besseren Ausbau des öffentlichen Verkehrssystems für An-und Rückreise mit entsprechendem Service, und Anreize, dieses auch anzunehmen (z. B. Kombiticket Bahn/Seilbahn/bzw. Skipass);
  • Angebote für die Mobilität vor Ort und in der Region ohne Auto (z. B. Gästekartesowie innovative Ideen wie z. B. in Werfenweng);
  • Zurückdrängen des Tagestourismus zugunsten länger bleibender Urlauber;
  • restriktive Behandlungdes Individualverkehrs, z. B. kein weiterer Parkplatzausbau.

2. Da der Schneesport in den bayerischen Alpen wegen ihrer niedrigen Lage im Hinblick auf den Klimawandelganz offensichtlich eine Sackgasse darstellt, fordern die Naturfreunde eine Abkehr von dieser verhängnisvollen Ausrichtung:

  • keine Ausweisungneueroder Erweiterungbestehender Skigebiete, keine zusätzlichen Beschneiungsanlagen (z. B. Sudelfeld);
  • Verbot chemischer Zusätze bei der Beschneiung;
  • Verzicht auf neue Großveranstaltungen; Beibehaltung der etablierten Großveranstaltungen nur soweit ökologisch vertretbar;
  • keine öffentliche Förderung aus Steuermitteln für Ausbau von Skigebieten;
  • keine öffentlichen Zuschüsse für bestehende Anlagen und Großveranstaltungen.

3. Statt dessen ist eine Neuausrichtung erforderlich:

  • kreative Winterangebote für die ganze Familie;
  • Schaffung von schneeunabhängigen Outdooraktivitäten, auchals Ganzjahresangebote (z. B. geführte Wanderungen, Exkursionen bezüglichFauna und Flora, Geologie);
  • wetterunabhängige Ganzjahresangebote im Wellnessbereich (z. B. Hallenbäder) und im kulturellen Bereich (z. B. Konzerte, Ausstellungen, Vorträge, Lesungen);
  • Umorientierung auf Schwerpunkt des Tourismus im Frühjahr/Sommer/Herbst;odazu Renaturierung der durch den Skibetrieb geschädigten Flächen und Abbau nicht mehr genutzter Liftanlagen;
  • Erhaltung intakter Natur und landschaftspflegerische Maßnahmen; obehutsamer Umgang mit der Natur und Zurückhaltung bei Funparks und „Möblierung“ der Landschaft;
  • öffentliche Förderung der Landwirtschaft für den Erhalt der alpinen Kulturlandschaft;
  • öffentliche Förderung nur vonnachhaltigen, klimaverträglichen Tourismus investitionender Gemeinden.

4. Für alle touristischen Maßnahmen fordern wir

  • Einhaltung sämtlicherBestimmungen der Alpenkonvention(völkerrechtlicher Vertrag aller Alpenstaaten und der EU seit 1991);
  • strikte Beachtung des bayerischen Alpenplans (1972 in Kraft getreten, Teildes Landesentwicklungsprogramms Bayern (LEP)) ohne jegliche Ausnahmen (Riedberger Horn);
  • Begrenzung neuerTouristenbetten auf umwelt- und sozialverträgliches Maß;
  • Kooperation zwischen Touristikfachleuten und Naturschützern.

Handlungsempfehlungenfür die NaturFreunde

1. Zur Erreichung obiger Ziele betreiben die NaturFreunde politische Arbeit und Öffentlichkeitsarbeit

  • durch direkte Kontakte mit Politikern aus den verschiedenen Parteien (z. B. gezielte Anfragen an Abgeordnete);odurch Presseerklärungen;
  • durch Veröffentlichungenin unserer Vereinszeitschrift;
  • durch Beteiligung an Demonstrationen;
  • Ortsgruppen können in unserer Vereinszeitschrift vorbildliche Maßnahmen in einem Gebirgsortvorstellen, verbunden mit einer Wanderung o.ä.;
  • Sammlung dieser Beiträge in einem „Grünen Reisebuch“;
  • NaturFreunde könnten einen Umweltpreis verleihe

2. Die NaturFreunde achten bei ihren eigenen Sport- und Touristikangeboten im Alpenraum auf Umweltfreundlichkeit

  • Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel bei der Anreise und vor Ort, soweit möglich;
  • Reiseziele auswählen, in denen klima-und umweltschonend gewirtschaftet wird (Umweltzertifizierung);
  • regionaler Einkauf;
  • Einbindungvon Bildungsangeboten in Freizeitveranstaltungen;
  • Respektierung von sensiblen Rückzugsgebieten;
  • Angebote unter dem Blickwinkel „Der Weg ist das Ziel“; Stichwort: Entschleunigung;
  • Verantwortung bei der alpinen Sportausübung, insbesondere bei Problemsportarten;
  • Berücksichtigung der allgemeinen NaturFreunde-Richtlinien für Nachhaltigkeit.