Neun von zehn Crashs auf blauen & roten Pisten

Versicherungen sagen: Wer keinen Helm trägt, hat bei Verletzungen eine Mitschuld

Im deutschsprachigen Alpenraum tragen rund 85 Prozent der unter 15-Jährigen einen Helm. Bei Erwachsenen sind es nur etwa 60 Prozent. Zwar ist die Tragequote in den letzten Jahren kontinuierlich gestiegen, doch noch immer tragen zu viele Ski- und Snowboardfahrer keinen Helm. Die Gründe dafür sind unterschiedlich: Manche Schneesportler glauben, durch langsames Fahren keinem Verletzungsrisiko ausgesetzt zu sein: „Das ist was für die jungen Schnellen …“, andere „fahren nur blaue und rote Pisten“, wieder andere fürchten schlicht eine „platte Frisur“.

Vor dem Kauf Helme anprobieren
Ein Helm schützt erst, wenn er richtig passt. Weil jedes Fabrikat in seiner Passform unterschiedlich ist, besser verschiedene Modelle ausprobieren, dabei den Kinnriemen öffnen und den Kopf leicht schütteln: Der Helm darf nicht verrutschen, soll die Stirn schützen, dabei aber nicht die Sicht beeinträchtigen. Wer die Skibrille zum Kauf mitnimmt, kann prüfen, ob Helm und Brille kompatibel sind. Die Norm CE EN 1077 dokumentiert eingehaltene Sicherheitsanforderungen. Nach einem Sturz den Helm fachlich prüfen, nach fünf Jahren wegen Materialermüdung auswechseln.

Die Experten vom Österreichischen Skiverband schütteln bei solchen Aussagen nur noch den Kopf. Gemeinsam mit dem Innsbrucker Institut für Sportwissenschaft analysieren sie regelmäßig Skiunfälle und haben es schwarz auf weiß: 90 Prozent der Unfälle ereignen sich auf blauen und roten Pisten, 70 Prozent bei griffigem Schnee und 60 Prozent bei sonnigem Wetter.

Eine Faustregel: Je besser die Schnee- und Sichtverhältnisse, desto schneller und risikofreudiger fahren Ski- und Snowboardfahrer. Nicht wenige überschätzen ihr Können und stürzen. Dabei betreffen rund zehn Prozent aller Verletzungen den Kopfbereich. Das klingt wenig im Vergleich zu den Knieverletzungen, die rund ein Drittel ausmachen. Doch die meisten tödlichen Pistenunfälle gehen mit schweren Kopfverletzungen einher.

Vielen bekannt ist der Unfall von Dieter Althaus, der 2009 mit einer Skifahrerin zusammenstieß. Sie starb, Althaus kam mit einem Schädel-Hirn-Trauma ins Krankenhaus. „Der Herr Ministerpräsident hatte einen Skihelm auf, die Dame nicht“, zitierte die Thüringer Allgemeine einen österreichischen Polizeisprecher. Hatte der Skihelm dem damaligen thüringischen Ministerpräsidenten das Leben gerettet? Verschiedene Studien belegen, dass ein Helm das Risiko einer Kopfverletzung deutlich reduzieren kann.

Helmpflicht im Ländervergleich
Deutschland nein; Frankreich nein; Italien ja für junge Menschen unter 14 Jahren; Norwegen nein, aber gratis Leihhelme und teils gratis Skipass, wenn Kinder Helm tragen; Österreich ja bis zum vollendeten 15. Lebensjahr in den Bundesländern Salzburg, Steiermark, Kärnten, Oberösterreich, Niederösterreich, Burgenland und Wien – nein in Vorarlberg und Tirol; Polen ja für junge Menschen unter 16 Jahren; Schweden nein, aber Kinder ohne Helm werden nicht mit Skiliften befördert; Schweiz nein, aber europaweit höchste Tragequote; Tschechien nein.

Seit November 2011 gibt es noch einen weiteren Grund für das Tragen eines Helmes. Das Oberlandesgericht München (OLG) hatte entschieden, dass Sportler Unfallfolgekosten teilweise selbst tragen müssen, wenn sie ohne Helm auf der Piste sind – selbst dann, wenn sie bei dem Unfall keine Schuld trifft. Das OLG sah ein gewisses Mitverschulden beim helmlosen Unfallbeteiligten, weil durch das Tragen eines Helmes die Verletzungen am Kopf zu vermeiden gewesen wären.

Noch kann auf deutschen Pisten jeder selbst entscheiden, ob er mit oder ohne Helm seinen Schneesport betreibt. Eine gesetzliche Tragepflicht, wie etwa in Italien für junge Menschen, gibt es bei uns nicht. Allerdings empfehlen die Bundeslehrteams alpin und Snowboard der NaturFreunde Deutschlands schon seit geraumer Zeit das Tragen eines Helms. Auch den Erwachsenen.

Catrin Riethmüller
Dieser Artikel ist zuerst erschienen in NATURFREUNDiN 4-2013 (S. 17).