Mehr Freizeit „für ohne Auto“

Wie Open Data den Klimaschutz im Freizeitverkehr fördert

naturtrip-Gründer Hermann  Weiß und Judith Kammerer
© 

Jetzt Kanu fahren oder klettern, das wär’s doch. Wer kennt diese Ideen nicht. Oder: Jetzt einfach raus fahren und gemütlich übernachten.

Das Problem liegt im „einfach“, zumindest für Stadtbewohner oder Familien ohne hohe Einkommen oder Senioren, die nicht mehr so gerne Auto fahren. Etwa 13 Millionen Deutsche leben in einem Haushalt ohne Auto. „Einfach raus fahren“ können diese Menschen nicht. Sie müssen erst ein Ausflugsziel suchen, dann die entsprechende Nahverkehrsverbindung. Und das ist nicht einfach. Wenn der Kanuverleih im Umland endlich gefunden ist, fährt der Bus nur an Schultagen und die Suche geht von vorne los und es wird Mittag und aus der guten Idee ist längst Stress geworden und morgen soll es regnen.

Hermann Weiß kann davon ein Lied singen. Der Oberpfälzer arbeitete im Verkehrsreferat des BUND, war Werbetexter, hat Wahlkämpfe gemacht und schließlich Naturtrip gegründet. Slogan: Dein Freizeittipp für ohne Auto. Darüber stolpert man, der Texter lässt grüßen. Seine Idee ist einfach: Auf naturtrip.org gibt man ein Freizeitbedürfnis ein. In Sekundenschnelle werden Tipps angezeigt, die vom jeweiligen Standort zur gewählten Zeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln in der gewünschten Reisezeit erreichbar sind, inklusive Fahrplan, Karte, Fotos und maximal 20 Minuten Fußweg.

Die Technik dahinter ist allerdings eine kleine Hexerei. Superschnelle Big-Data-Abfragen kombinieren die Geodaten von Abfahrtsorten und touristischen Attraktionen mit den Fahrplänen von Verkehrsverbünden. Genauer: einem Verkehrsverbund. Denn bisher hat nur der Verkehrsverbund Berlin Brandenburg die „GTFS“-Rohdaten seiner Fahrpläne für Entwickler freigegeben.

„Wir führen gerade gute Gespräche mit Bremen und Niedersachsen“, erzählt Hermann Weiß: „Aber viele Verkehrsbetriebe und insbesondere die Bahn sitzen doch recht eifersüchtig auf ihren Daten. Dabei würden Angebote wie Naturtrip bei offenen Daten wie von selbst entstehen und immer mehr Menschen in die Öffentlichen locken.“

Skandinavien, die Schweiz, Israel oder die USA haben ihre GTFS-Daten schon freigegeben. „Warum beschließt die Bundesregierung nicht, dass alle öffentlichen Verkehrsanbieter nur noch Zuschüsse bekommen, wenn sie ihre Daten freigeben und dadurch einen noch größeren Nutzen stiften“, kritisiert Weiß. „Wir haben das ja schon alle bezahlt.“ Das wäre gut für Naturtrip – und auch gut fürs Klima. Denn das eine ist der Service für Menschen ohne Auto. Das andere ist der Verkehrssektor, das große Sorgenkind des Klimaschutzes: 95 Prozent der klimaschädlichen Emissionen des deutschen Verkehrssektors kommen aus dem Straßenverkehr. Naturtrip will mit seinen Umstiegsangeboten jährlich 170.000 Tonnen Kohlendioxid einsparen.

Für Naturfreundehäuser wäre eine Expansion von Naturtrip übrigens auch sehr gut. Denn die NaturFreunde Deutschlands sind Partner und warten nur darauf, dass der Dienst auch bundesweit angeboten werden kann. Dann nämlich sollen bewirtschaftete Naturfreundehäuser mit Rezeption oder Gastronomie in die Plattform integriert werden. Und danach kommen die Natura Trails.

Samuel Lehmberg
Dieser Artikel ist zuerst erschienen in NATURFREUNDiN 3-2015.