„Heimat“ und die NaturFreunde – eine historische Zeitschriften-Analyse

Ein Beitrag von Klaus-Dieter Groß für die Online-Zeitschrift "NaturFreundeGeschichte/NatureFriendsHistory"

Unter aktuellen Umständen ist der „Heimat“-Begriff in seinen kommerziellen wie seinen rechten Facetten wieder prominent in den öffentlichen Diskurs eingedrungen. Klaus-Dieter Groß stellt ihn in den Zusammenhang der NaturFreunde-Geschichte und stellt dar, dass dies eine erhebliche Verkürzung seines breiten, auch progressiven Bedeutungsspektrums ist.

Angesichts des aktuellen Missbrauchs des Begriffs „Heimat“ durch rechte und rechtsradikale Projekte, Parteien und Gruppierungen fragt man sich, welche Rolle er für demokratische Bewegungen (und damit die Naturfreunde) spielen kann. Vorweg, und bei allem Ärger über ihre nationalistische Vereinnahmung: „Heimat“ war nie so eng gefasst, wie die Rechte suggerieren will. Sie beschreibt nämlich etwas, das kaum anders begrifflich gefasst werden kann, semantisch unterschiedlich mit Inhalten und Wertungen füllbar ist und sogar auf progressive Narrative zurückblickt.

Ausgangspunkt war ein heute vergessenes juristisches, eigentumsbezogenes „Heimat-Recht“, das Rechte und Pflichten beinhaltete. Im späten 19. Jahrhundert verschwand es zugunsten einer Idee von lokaler Identität, die Realität idealisiert, emotionalisiert und ästhetisiert. Die weitere Füllung des Begriffs changiert dann unter den historischen Umständen sowie entlang weltanschaulicher und praktischer Perspektiven. In seiner alltäglichen Nutzung überschneiden sich unterschiedliche Bedeutungsschichten und Interpretationen.

Als semantische Eckpunkte seien im Folgenden zunächst vereinfachend fünf Konzepte von „Heimat“ skizziert. Im Anschluss daran wird das Naturfreunde-Schrifttum gesichtet, wobei der Schwerpunkt auf der deutschen Verbandsgeschichte liegt. Der Blick richtet sich auf fünf Phasen ihrer Geschichte: Die Gründungsära vor dem Ersten Weltkrieg, die Weimarer Republik bis zum Verbot 1933, die Wiederaufbaujahre nach 1945, die Zeit der 1970er bis zum Jahrtausendende und den unmittelbaren Vorlauf der Gegenwart. Die Zusammenfassung wird zeigen, dass – mit Ausnahme des radikal völkischen Diskurses – mit wechselnder Intensität alle historischen Denkmuster bei den Naturfreunden zu finden sind. 

Fünf Grundmuster des Konzepts „Heimat“

1. Die utopische Heimat

"Der Mensch lebt noch überall in der Vorgeschichte, ja alles und jedes steht noch vor Erschaffung der Welt, als einer rechten. Die wirkliche Genesis ist nicht am Anfang, sondern am Ende, und sie beginnt erst anzufangen, wenn Gesellschaft und Dasein radikal werden, das heißt sich an der Wurzel fassen. Die Wurzel der Geschichte aber ist der arbeitende, schaffende, die Gegebenheiten umbildende und überholende Mensch. Hat er sich erfaßt und das Seine ohne Entäußerung und Entfremdung in realer Demokratie begründet, so entsteht in der Welt etwas, das allen in die Kindheit scheint und worin noch niemand war: Heimat."

Diese viel zitierte Schlusspassage aus Ernst Blochs "Das Prinzip Hoffnung" steht in fast jeder Hinsicht gegen das, was aktuell „Heimat“ heißt. Entspringt sie doch radikalem Denken, wird gemacht von schaffenden Menschen, lebt aus dem Geiste realer Demokratie und ist ein utopisches Projekt – etwas, das unerreichbar scheint und dennoch Maß für unser Leben ist. Sie zu schaffen meint den Umbau einer fremdbestimmten Welt hin zur gelungenen Vereinigung von Subjekt und Objekt. Sie ist die Aufhebung dessen, was in der Moderne als sozialpsychologische „Entfremdung“ beschrieben wird. Als das Gegenteil von Nostalgie meint sie ein materialistisch begründetes Verwerfen des Elends in der Welt. Bei aller Abstraktheit wirkt Blochs Ansatz z.B. über Buchtitel wie Heimat als Utopie in gegenwärtige Diskussionen hinein.

2. Die inklusive Heimat

Auf stärkere Konkretion zielt ihr prozessual gedachter Begriff. Er prägt seit den 1970er Jahren eine Vielzahl publizistischer Werke, hat längst Institutionen wie die Bundeszentrale für politische Bildung erreicht und produziert sogar Bestseller. Die neue Friedensbewegung, die Neuen Sozialen Bewegungen und die Ökologiebewegung nutzten ihn, um vor Ort stärker wirksam zu sein. So bekam er etwas Rebellisches, vom Anti-AKW-Kampf über die Wiederentdeckung der Mundart in der Poesie und widerständiger Volksmusik bis hin zu Geschichtswerkstätten und oral history-Projekten. Notwendig progressiv war er damit nicht, denn linke (z.B. gegen Ausbeutung gerichtete) Inhalte trafen sich mit (teils neoliberaler) Institutionenkritik. In den Worten von Ina-Maria Greverus: Regionale und lokale Proteste stellen Selbstverwaltungen gegen Zentralisierung, eigene Kultur gegen Einheitskultur, sparsame eigene Nutzung der eigenen Ressourcen gegen zentralisierte Ausbeutung und Lieferung, Gegenseitigkeit des Handelns gegen Wohlfahrtsabhängigkeit und Bürokratisierung.

Der Begriff wurde dynamisiert. Es gibt „Patchwork-Heimaten“ (in denen sich die Träger nicht einem einzelnen Kulturmuster zugehörig fühlen), Wahlheimaten (aus freier Wahl oder als Ergebnis von Not und Vertreibung), und bewusste Heimatlosigkeit, die persönliche Freiheit markiert (denn das Enge und Lokale produziert Anpassungsdruck). „Heimat“ erscheint als etwas selbst Gemachtes oder zumindest selbst Gewähltes und akzeptiert das Andere also als gleichwertig – so wenn im Vorabendprogramm des Bayerischen Rundfunks (halb didaktisch, halb ironisch) Filmclips von 20 Sekunden Menschen aus aller Herren Länder, die sich in Bayern wohlfühlen, feststellen: „Da bin I dahoam“. 

Ein regional wohl verorteter Internationalist wie Reinhold Messner, Südtiroler Ikone, Bergsteiger und Tourismus-Magnet, verwirft in diesem Sinne einen von Engstirnigkeit geprägten Heimat-Begriff und wendet ihn aktiv: „Das Wort 'Heimat' ist für mich nahezu unaussprechbar geworden. Dieser Begriff ist abgewirtschaftet. Er ist durch den ständigen Missbrauch leer geworden und durch die Geschichte beschädigt.“ Ihm gegenüber stellt er etwas Wandelbares, selbst zu Schaffendes: „Heimat hat für mich keine Fahne und kein Maß. Es ist ein Zustand, den ich mir Tag für Tag neu erarbeiten muss. Es ist nicht Rückkehr zu den Wurzeln und nicht Suche nach einer verlorenen Zeit, sondern das Schlagen von Wurzeln.“

3. „Heimat“ als Werbemedium

Gewiss gibt es auch einen intuitiven Begriff von Heimat, der vage Nostalgie vermittelt, sich an persönliche Erinnerung bindet, irgendwie positiv für ein nicht genauer bestimmtes „Wir“ steht. Er umfasst das „mit der Heimat telefonieren“ aus dem Urlaub ebenso wie Rückblicke Fortgezogener („die alte Heimat“) oder ein „in der Heimat fühle ich mich wohl“. Dieser Worthülse folgt politische Werbung jeder Couleur. Sie lässt sich ohne Probleme auf die kommerzielle Werbung übertragen.

Keineswegs nur Fremdenverkehrsindustrie und Schlagerbranche dient sie als bloße Kulisse („Heimat-Look“). Schon vor fast vierzig Jahren beschrieb Hermann Bausinger die Veräußerlichung des Heimatbegriffs, die kommerzielle Wendigkeit, mit der auf der Klaviatur sentimentaler Heimatgefühle gespielt wird, das Massenprodukt der Discountheimat aus der Retorte. Heimat – scheinbar doch gar nicht abzulösen aus dem  konkreten Erfahrungsbereich – wird zum Lieblingswort der Kulturindustrie, die pausenlos Identitätsartefakte konstruiert.

Die Sehnsucht nach etwas Unerreichbarem (eine Art Reverenz an einen utopischen Gehalt) wird heruntergebrochen auf ganz konkrete Bedürfnisse, fetischhaft realisiert im Akt der marktkonformen Aneignung. 

Dieser Heimat-Begriff hat noch nicht einmal den Anspruch, reale Bezüge herzustellen, sondern nutzt beliebig drapierte Einzelelemente: Die Alpen oder Fachwerkfassaden als Hintergrund, Kurzreminiszenzen an auf Stromlinienform gebrachte Dialekte oder Trachten. Im kommerziellen Sport spitzt sich das für ein in jeder Hinsicht internationalisiertes Fußball-Unternehmen wie Bayern München zu auf eine „Identität“ aus Designer-Lederhosen und dem Werbeslogan „mia san mia“. Allerdings bedient der Begriff ebenso einen spielerischen Umgang damit (Stichwort: Etwas ist „Kult“), der auch in Ironie und sogar in Kritik umschlagen kann.

4. Heimat als der konservative Blick zurück

Die größte Präsenz zeigt gegenwärtig eine eher statische, schon fast egoistische Vorstellung, die aufbaut an einem „Interesse an sich selbst und dem, was einen geprägt hat“, ein Konzept, das „gerade in Phasen gesellschaftlicher Umbrüche […] mental, kulturell und politisch wichtig“ sei. Dies vertritt nicht nur die konservative Konrad-Adenauer-Stiftung, sie speist auch den Versuch der Bayerischen Staatsregierung, selbst gegen die betroffenen christlichen Kirchen ein Symbol wie das Kreuz seines theologischen Sinns zu entleeren und zum Marker heimatlicher Identität (und Mittel zur Ausgrenzung „Anderer“) umzuwerten.

Die Ursprungsfassung solch konservativer Strategien ist die im 19. Jahrhundert aus der Spätromantik schöpfende vergangenheitsorientierte Industriekritik, die sich unter dem Titel „Heimatschutz“ eine organisatorische Basis schuf. In deutschtümelnder Weise meinte das eine Verbindung von Natur- und Denkmalschutz, die „moderne“ Entwicklungen nicht von Vorneherein verwarf. Schon früh wandte sie sich – so Arne Andresen – gleichzeitig gegen die organisierte Linke: Kritisiert wurde die fortschreitende Industrialisierung, doch der eigentliche Stein des Anstoßes war die Arbeiterschaft mit ihrem 'heimatfremden Internationalismus', ihrer Gleichmacherei und ihrer Vaterlandslosigkeit. Die konservative Kulturkritik bekam damit eine merkwürdige Schlagseite: Ausgangspunkt war ein weit verbreitetes und diffuses Unbehagen an der Moderne, doch als eigentlicher Gegner wurde die Arbeiterschaft, wurden die kulturlosen Massen in den städtischen Ballungsgebieten gesehen.

Eine Funktion des bürgerlichen „Heimat“-Begriffs war es, soziale Konflikte zu überdecken (Kaiser Wilhelms Weltkriegs-Diktum: „Ich kenne keine Parteien mehr, ich kenne nur noch Deutsche“). Dieses Verständnis wurde in die Weimarer Republik weitergetragen, wo „Heimat“, Naturschutz und Patriotismus eine enge Beziehung eingingen, die in den aggressiven Faschismus der Hitlerzeit münden sollte.

Auch nach 1945 überschnitten sich regionale und nationale Vorstellungen von „Heimat“. Einerseits legte man – oft, um die jüngere Vergangenheit zu verdrängen – viel Wert auf das Kleinteilig-Regionale. Wie schon früher hatte der Begriff eine sozialtherapeutische Funktion, wie im regressiv-sehnsuchtsvollen Heimatfilm der 1950er und teils noch 1960er Jahre. Mit den liberaleren 1960er Jahren verlor er an Popularität. Erst in den späten 1980ern und verstärkt durch die Verlusterfahrungen der Menschen in der sich auflösenden DDR sollte er wieder zum ideologischen Rückzugsbegriff im konservativen, bald auch rechten und rechtsradikalen Sinne werden. 

5. „Heimat“ als völkische Konstruktion

Geht es im konservativen Umfeld um die quasi organische Verbindung von Bevölkerung und Landschaft, insistiert die völkische Interpretation auf der Einheit von Volk und Raum. Bei der Gründung des Dachverbands „Deutscher Bund Heimatschutz“ 1904 verwies schon die Namensgebung auch auf eine gewisse Verteidigungshaltung nach außen. 

Seit Beginn des 1. Weltkriegs wurde der organisierte Heimatschutz zunehmend völkisch geprägt und integrierte sich ab 1933 selbst in das Nazi-Regime. Natur- und Heimatschutz gingen eine fatale Verbindung ein. Sie öffneten sich der nazistischen Blut-und-Boden-Ideologie, die homogenisierend regionale Differenz verwischte. Den finalen Übergang in das NSDAP-System markierte 1937 die Umbenennung des Bund Heimatschutz zum „Deutschen Heimatbund“. Die ursprünglich vor allem lokalen und bäuerlichen Bezüge wurden abgelöst von einer Bindung an ein viel größeres „Vaterland“. Dieser Heimatbegriff verklammerte Region und Nation, Tradition und Moderne. Regionale Unterschiede und soziale Konflikte sollten im ideologischen Nebel von „Volksgemeinschaft“ verschwinden.

Dass überkommene völkische Strukturen in die Gegenwart hinein reichen, ist unter Anderem am Vereinswesen vielfach bestätigt worden. Konservative Verbände wie der sich als Naturschutzverband verstehende Landesverein Sächsischer Heimatschutz e.V. tun sich gegen rechtsradikale Adaptionen schwer. Gerade Pegida und AfD belegen fließende Übergänge. Wer als (so die völkische Erzählung) „Jude“, Sozialist, Flüchtling oder Migrant nicht an eine einzelne Region gebunden ist, dem wird unterstellt, keine Heimat zu haben und damit „bei uns“ parasitär zu leben. Das Konzept der Rückeroberung einer „enteigneten Heimat“ verfolgen am radikalsten die Nachfolger rechtsterroristischer Strukturen wie der (verbotenen) westdeutschen „Heimattreuen Deutschen Jugend“ und der (ebenfalls verbotenen) ostdeutschen „Interessengemeinschaft Thüringer Heimatschutz“ – letztere das ganz konkrete Umfeld des „Nationalsozialistischen Untergrunds“.

Die skizzierten fünf Konzeptionen beschreiben einander teilweise geradezu ausschließende Verständnisse von „Heimat“. Ernst Blochs materialistisch unterfütterte Utopie weist bei aller Abstraktion hin auf grundsätzliche Ungerechtigkeiten in der Welt. Der flexible Heimatbegriff, der Alltagslagen berücksichtigt ohne in Essentialismus zu verfallen, fasst konkreter die Gegenwart ins Auge. Weniger komplex aber hoch populär ist die kommerziell verwendete Vorstellung; sie nutzt positiv assoziierte Oberflächenelemente des Regionalen, lässt aber Raum für deren spielerische und ironische Nutzung. Anders die konservativ-statische Vorstellung: Sie betont historisch-kulturelle Differenzen zwischen Kulturen, die quasi wesensmäßig sich selbst und anderen zugeschrieben werden. Der völkische Zugang schließlich konstruiert ein abstraktes Identifikationsmedium namens „Volk“ (moderner: „kulturelle Identität“), das radikal gegen alles „Fremde“ gesetzt wird. 

Zeitschriften-Analyse

Österreichische Anfänge

Ein offener „Heimat“-Begriff war den Naturfreunden bereits bei ihrer Gründung 1895 eingeschrieben. Ende des 19. Jahrhunderts war Wien als Hauptstadt einer multinationalen Doppelmonarchie international wie kaum eine europäische Großstadt. Der Vielvölkerstaat umfasste 17 „Kronländer“; in ihm lebten u.a. Tschechen, Slowaken, Südosteuropäer, Italiener und als „Fahrende“ bezeichnete Minderheitengruppen. Der direkte Wirkungskreis der Naturfreunde allerdings blieb zunächst beschränkt – zum einen durch das Deutsche als Verkehrssprache, zum anderen, da ihre Haupt-Zielgruppe besser ausgebildete Handwerker waren, die über ein gewisses freies Zeitbudget verfügten und sich der sozialdemokratischen Bewegung zugehörig fühlten. Sie waren Teil des größeren austromarxistischen Projekts.

Der Austromarxismus brachte eigenständige Nationalitätenkonzepte hervor. Theoretische Pole waren Otto Bauer und Karl Renner, beide Mitglieder der Naturfreunde. Renner – ein Urvater des Verbands – war der „Sozialpatriot“, Bauer der Internationalist:  In der Sozialdemokratie war es v.a. Karl Renner, der an einem Erhalt des Staatswesens interessiert war, während die Linke um Otto Bauer insbesondere nach dessen Rückkehr aus der russischen Kriegsgefangenschaft sich von diesem Ziel distanzierte.

Im von Bauer formulierten und 1918 veröffentlichten Nationalitätenprogramm der Linken wurde nun vehement das Selbstbestimmungsrecht der Nationen gefordert.

Besondere Auffassungen zum „Heimat“-Begriff scheinen weder Renner noch Bauer entwickelt zu haben. Was die Naturfreunde als Teil der internationalen Arbeiterbewegung jedoch sehr wohl kannten, war eine auf Solidarität abhebende „Heimat“, die – im deutschen Kontext – Hermann Bausinger so beschreibt:

Die Arbeiterbewegung als Heimat – damit war eine äußerste Gegenposition zu den bis  dahin gängigen Heimatbegriffen erreicht: Heimat nicht an einen Ort gebunden,  sondern an eine Gruppe von Menschen; Heimat als Ausdruck nicht vorgegebener,  sondern gewollter Solidarität; Heimat nicht als unvergängliche, natürliche  Gegebenheit, sondern als Aufgabe.

Wenn es so etwas wie einen programmatischen Ausgangstext der Naturfreunde-Bewegung gibt, so ist das Renners „Der Arbeiter als Naturfreund und Tourist“ in der neuen Zeitschrift Der Naturfreund von 1898. Hochemotional beschreibt er katastrophale Lebensverhältnisse („Kein Fleckchen der Erde gehört uns“). Der Arbeiter sei fremd in dieser Welt und doch stünde diese ihm zu. Gepriesen werden die Produktivität der Arbeit und das Freiheitsgefühl in der Natur, gegeißelt Habgier und Konkurrenzneid. Bei allem Bezug auf die Produktivität der Erde nimmt er die physische Vorstellung von „Heimat“ aber nicht auf – geht es doch um eine Welt der Solidarität: „Nicht am Boden hängt der Mensch, sondern Mensch am Menschen“. Fünfzig Jahre vor Bloch wird damit die Idee formuliert, erst durch das solidarische Zusammenleben der Menschen könne so etwas wie eine utopische Heimat entstehen. Auch wenn Renner in den 1930er Jahren eine deutschfreundliche Position einnahm, für die er Kritik auch bei Naturfreunden erntete, zeigt sich hier eine durchaus progressive Seite.

Was ihre konkrete Landschaft angeht, war die Welt der Naturfreunde zunächst alpin. Das Verbandslogo wie der Gruß „Berg frei“ zielten darauf, und die frühen Tour-Berichte bestätigen dies. Wo „Heimat“ überhaupt benannt wurde, machte sie das Hochgebirge zum Gegenentwurf zu großstädtischer Armut, Schmutz und Ausbeutung. Erst die Ausweitung nach Deutschland ab 1905 lockerte mit dem Einbezug von Mittelgebirgen und Flachland zumindest dort die Orientierung am Alpinen. Das erste Naturfreundehaus auf deutschem Gebiet lag in der so völlig anders gearteten Heideregion südlich von Hamburg. Mit New York entstand die erste überseeische Naturfreunde-Gruppe. Die Reise- und Tourenberichte in der Mitgliederzeitschrift evozierten deshalb einen multiplen „Heimat“-Begriff, in dem alle Zielregionen gleichwertig waren. 

Den zeitgenössischen Begriff „Heimatschutz“ adaptierte man im Naturfreund bewusst systemkritisch. Schon vor dem ersten Weltkrieg kritisierte man Naturzerstörung als Folge „brutaler Kapitalinteressen“ auf Kosten „des „Natur- und Heimatschutzes“. Seit 1908 beschrieb die Kolumne „Der verbotene Weg“ Aktionen, in denen der Zugang zu der öffentlichen Nutzung entzogenen Landschaften erzwungen wurde – Heimat also aktiv erkämpft wurde. 1910 ergänzte man in den Satzungszwecken des Verbands die Pflege von „Heimatschutz und Naturschutz“. 1912 wandte sich eine Notiz unter dem Titel „Heimatschutz“ gegen die Plakatierung von Werbung an Bahnstrecken und 1917 gegen die Verwendung schädlicher Baumaterialien („Heimatschutz und Eternitverwendung“). Den Naturfreunden galt „Heimatschutz als sozialpolitische Aufgabe“, in dem Naturschutz, der Schutz des (arbeitenden) Menschen und der Schutz der Region zusammengedacht wurden. 

Seine emotionale Komponente zeigte der Begriff im Naturfreund vor dem Ersten Weltkrieg in den Gedichten. Auch die gefühlsbetontere Nutzung blieb frei von nationalen Anspielungen und generalisierender Verklärung. Schwerpunkt war je das persönliche Erleben der Dichter-Persona. In einem Gedicht von 1910 wird die Ausweitung der Perspektive über das ursprüngliche Verbreitungsgebiet hinaus deutlich: Das (wohl deutsche) lyrische Ich erfreut sich alpiner Schönheiten, „Heimat“ werden die Alpen ihm nicht – die liegt „sehnsuchtsvoll“ anderswo, nämlich „Nordwärts“: Noch weiter gereist ist der Erzähler eines Gedichts aus dem Jahr 1911. Heimat aber bleiben ihm das „wogend Meer“ und das „grüne Land“ „im hohen Nord´“. Auffällig ist der Kontrast der literarischen Anspielungen zum ersehnten, bescheidenen Heimatort. Weder formale Bildung noch materieller Reichtum reichen aus, Heimatgefühle zu ersetzen.

Ein Gedicht von 1913 bezieht sich ausdrücklich auf die erinnerte Kinderzeit als Quelle von Stabilität für das spätere Leben. Menschen mögen sich aus den Augen verlieren („Ein Freund [wird] dem Freunde fremd“), was auf Dauer bleibt ist – gerade auch im physischen Sinne – „Heimat“.

1916, nun mitten im Krieg, erinnert sich ein im Felde stehender Naturfreund an ein Zuhause, dessen Natur „lieblich in der Morgenstund“ ist, das „rastlos Fleiß schafft überall“ und wo „Friede zieht durchs schöne Tal“. Drei den Naturfreunden zentrale Werte – Frieden, Natur und Arbeit – definieren in ihrer Einheit „Heimat“ als Sehnsuchtsort.

Zentral wird der Krieg in einem anderen Werk desselben Jahres. Eingeschoben als dritte von vier Strophen unterbricht er den Frieden in der Natur. Beschrieben wird er trotz offenbar eigenem Erleben aus (vielleicht lebensrettender) Distanz; Frieden dagegen verbindet sich mit konkreten Heimaterinnerungen: Trotz der an Romantisches angelehnten poetischen Sprache fehlt jeder nationale Beiklang. Ein Bild von „Arbeiterbewegung als Heimat“ allerdings entsteht ebenso wenig, denn (abgesehen von „Meine Heimat“) geht es um Subjektives. Heimat war der Ort, an dem man sich wohl fühlte, oft mit Erinnerung verbunden, kaum über Persönliches hinausgehend. 

In den Sachtexten des Naturfreund spielte der Begriff bis nach dem Ersten Weltkrieg so eine geringe Rolle. Ideologisch besonders aufgeladen war er schon gar nicht. In der Summe also ist Ulrich Linse zuzustimmen, wenn er für diese Zeit feststellt: „Bemerkenswert ist die Tatsache, dass die von der bürgerlichen Heimat- und Naturschutzbewegung betriebene Glorifizierung der ländlichen Welt als der wahren Heimat entwurzelter Städter und als Quelle der völkischen Regeneration im 'Naturfreund' fehlte.“

Die Weimarer Republik

John Alexander Williams beschreibt – nun im deutschen Zusammenhang – den ideologischen Kontext, aus dem die Naturfreunde in der Weimarer Zeit ihren „Heimat“-Begriff entwickeln:

"First, the movement fashioned a new socialist version of the Heimat concept. Often in Weimar Germany, the rhetoric of Heimat or 'homeland' was shot through with nostalgia for pre-industrial social hierarchies. But the Naturfreunde clearly distanced  themselves from this conservative Heimat ideal, developing an alternative concept that represented the natural landscape of Germany as both rural and industrial and as a site of potential social equality. Journal frontispieces depict a landscape in which industry is embedded harmoniously in the rural landscape. This is the homeland behind the social hiking idea, in which city and country, industry and agriculture are all integral  parts of the modern democratic nation. No part can exist without the others, and there is a strong ideal of equality between different ways of working and living."

Williams betont, dass im naturfreundlichen Weltbild Stadt und Land, Arbeit und Freizeit gleichwertig sind, und er verweist auf den Vorschein einer demokratisch-solidarischen, auf sozialer Gleichheit gegründeten Gesellschaft. Ulrich Linse ergänzt ihre Zukunftsorientierung:

Der bürgerliche Heimatschutzgedanken bekam durch die Arbeiterbewegung auch eine  zukunftsweisende Note, wenn etwa der 'Naturfreund' forderte, daß der Siedlungsraum 'nicht zu einem bloßen Erwerbsraume sinke, sondern Heimat bleiben oder werden könne', oder wenn 'Der Wanderer' das proletarische Recht auf 'Heimat' beschwor.

Zahlenmäßig spielte sie in der Veröffentlichungspraxis der Zwischenkriegszeit weiterhin eine eher geringe Rolle, obwohl sich der Materialfundus wegen der Gründung einer von der Wiener Zentrale weitgehend unabhängigen deutschen Reichsgruppe samt ihrer regionalen Gaue, die eigene Mitgliederzeitschriften herausgaben, vergrößerte. 

Diese Publikationen wollten den Arbeiterwanderern die engere und weitere Umwelt vor allem durch Tour-Berichte und Sachtexte erschließen. Bereits unmittelbar nach Kriegsende rückten fernere Orte wieder näher – so wenn der Züricher Naturfreund Karl Schranner unter dem Titel „Heimatberge“ im Naturfreund Ziele in den Schweizer Alpen präsentierte. Anderswo stellte sich  „Ein reizendes Stück Heimat“ als Wanderbeschreibung heraus, und „In der Heimat des Schnees“ war überraschenderweise ein Reisebericht über Indien. Eine umfassende Debatte zum „Heimat“-Begriff gab es erst 1931, als der von der Reichsleitung herausgegebene Wanderer eine eigene Nummer unter das Thema stellte. 

Der Bochumer Kurt Reumuth verwirft zunächst die aus dem alten, mit Eigentumsrechten verbundenen Recht hervorgegangene Idee von „Heimat“. Gegen „Patentpatrioten, die da Grenzen ziehen und Schranken aufrichten“ fordert er die Lösung von lokalen Bezügen: „Heimatgefühl ist Verbundenheitsgefühl mit all unserer Umwelt.“ Mit Profitdenken ginge das nicht zusammen; als Naturfreunde „müssen wir ausziehen und uns die Heimat aufs neue erobern.“ Er folgert, dem Tenor Blochs nicht unähnlich: „Wir wollen die Heimat uns als ganzen, als heiligen Besitz erobern, dann wird einst im Sozialismus d i e  E r d e  u n s e r  V a t e r l a n d sein.“

Der Münchner Fritz Endres stellt fest, dass moderne Technologien nicht notwendig das Leben besser machen, geht über in eine naturschwärmerische Alternative zur Entfremdung im Heute und konstruiert schließlich eine problematisch klingende Perspektive: „In der erkannten und erwanderten Heimat liegt der Schlüssel zur Welt. Der Weg zur Welt führt aber durch die Volksgemeinschaft.“ Letzteres klingt nach völkischer Wortwahl; Endres geht diesen Weg aber nicht, sondern fordert Pluralisierung: Der Wanderer „strebt vom Engen ins Weite, von der Familie zum Volk und durch das Volk zur Menschheit, deren Lebensraum die Gesamtheit der verschiedenen miteinander verschlungenen Heimaten ist.“ Im Vergleich zu Reumuth bleibt ein sonderbar organizistischer Eindruck; auch Fragen nach Ausbeutung und systematischer Unterdrückung spielen hier keine wesentliche Rolle.

R.H. Francé – in einem Abdruck aus der Zeitschrift Kosmos – nimmt den nostalgischen Umweg über „Heimat“ als Kraftquelle. Er zielt auf eine Art Heimatschule, die den Menschen hilft, sie noch intensiver zu erleben. Seine theoretische Antwort auf die Frage, was Heimat ist, mündet in eine schon fast strukturalistische Formulierung: „Also Natur und Kultur ist es, was man als Heimat empfindet. Sie ist ein gemeinsamer Nenner für beides. Noch schärfer gedacht:

"Irgendeine Beziehung zwischen uns und den Dingen, ein noch unklares Gesetz des Zusammenhanges der Dinge, das ist es, was dem Worte Heimat seine Zauberkraft verleiht.“

Otto Gebauer (Berlin) folgt in seiner nüchternen Begriffsanalyse dem Soziologen Robert Michels. Er stellt klar, dass es Sehnsucht nach Heimatlichem keineswegs nur im Deutschen gibt, wenngleich unter unterschiedlichen Bedingungen Unterschiedliches „Heimatsehnsucht“ hervorrufen kann.

W. Bulan (ebenso Berlin) stellt schließlich heraus, dass sich für ihn als Großstädter die Welt schneller ändert als auf dem Land; sein eigenes Bild von Heimat wandelt sich, wenn er die brandenburgische Umgebung – ausdrücklich mit dem Ziel eines bewussten, sozialen Wanderns – durchstreift. Und trotz aller Weltoffenheit wirft ihn das Gefühl von Heimat immer wieder zurück auf die Orte seiner Kindheit.

Alles in allem formulieren diese Beiträge eine offene, aktive Idee von „Heimat“. Unterschiede gibt es im Grad der Abstraktion und – vielleicht wichtiger – in der Differenz zwischen organischen und nach Klassen strukturierten Gesellschaften. Eine schon fast konservative – allerdings nirgends sonst aufgenommene – Auffassung findet sich auf der Titelseite einer Folgenummer des Wanderer. Hier brechen Industrialisierung und die Verführungen der Großstadt pessimistisch alle Bindungen auf – wobei der Heimatbegriff des Gedichts („Scholl und Heimatland“) rückwärtsgewandte Untertöne trägt: Drei der fünf Beiträge des Themenhefts beschäftigen sich mit theoretischen Fragen. Bei Endres und Reumuth scheinen grundsätzliche Unterschiede entlang einer ideologischen Nord-Süd-Spaltung auf, die in groben Zügen den Verband als ganzen betraf. Inwieweit kamen die in der deutschen Reichgruppe stärker als in anderen Verbandsteilen ausgeprägten Spaltungen in weltanschauliche Lager (von der Lebensreform über die Sozialdemokratie bis hin zu den Kommunisten) hier und in den regionalen Zeitschriften zum Tragen?  

Sitz der deutschen Reichsgruppe war Nürnberg; deren politische Linie entsprach der einer sozialdemokratisch orientierten Südschiene. Schon früh, 1921, gab es hier im Kontext des „Kampf[es] gegen die Wanderunsitten“ Zusammenschlüsse mit bürgerlichen Vereinen, so zu einer „Arbeitsgemeinschaft für Wandern und Heimatpflege“, zu der sich die Ortsgruppe Nürnberg mit dem Fränkischen Albverein zur „Hebung unseres Volkstums und Naturschutz“ zusammengetan hatte. Kaum politisch wirken auch Beiträge aus dem Südbayerischen Wanderer. In einer „Werbenummer“ von 1924 lud dort eine Beschreibung unter dem Titel „Zauber der Heimat“ ein, nicht in die Ferne zu schweifen, sondern das hochalpine Wimbachgrieß-Naturfreundehaus zu besuchen. Als Alpenanlieger war den Südbayern zudem das Tirolerische heimatlich nah. Der einzige – vermutlich nicht so gedachte – Bezug auf die Naturfreunde im schwülstigen Gedicht „Tirolerblut“ allerdings sind Alpenrosen, die Blumen des Naturfreunde-Logos.

Die Südschiene betonte, Teil der organisierten Arbeiterbewegung zu sein, reduzierte ihr Selbstverständnis aber auf scheinbar unpolitische Freizeitaktivitäten. So berichtete der Südbayerische Wanderer in einem Bericht zu einer Konferenz über Wandern und Arbeitersport, dort seien „heimatliche Gaue“ vertreten gewesen und Politik und Wandern getrennt behandelt worden. Umso mehr überrascht es, wenn die Reichsleitung in einem poetisch überladenen Aufruf aus dem Jahr 1931 auf der Titelseite des Wanderer dann doch politisch argumentiert: Gut geeignet, intuitiv Heimatgefühl hervorzurufen, ist die Verbindung von Poesie und Dialekt, wie in dem 1922 im Pfälzer Berg frei erschienenen Gedicht „Hämetlieb“: „A jeder hat sei Hämet geern, / Sie is sei Fundament, / Sie bleibt sei Halt, sei guder Keern / Bis an sei selig Grab – “; das wird dann übertragen auf Bayer, Preuß, Schwab, Waterkant, Rheinpfalz, Alpenland, Stadt und Dorf: „Un vorad in de Hämetsproch / Leiht wunner-herztraut Glück, / Sie geht uns´s ganze Lewe nooch / is pur von uns e Stück“.

Gesellschaftskritisch ist das nicht, und in der Tat entstammte der Text einer bürgerlichen Quelle. Doch es wird ein Begriff von „Heimat“ gefeiert, der umfassend („a jeder“) ist. Bei aller Emotionalität (und Süßlichkeit) projiziert das ein allen gleichermaßen zustehendes und je gleichwertiges Konzept von „Heimat“. 

Was deren Visualisierung angeht, ist das Auffälligste an der ebenfalls aus einer externen Vorlage übernommenen Grafik auf der Titelseite der Folgenummer eine Frau als Hauptfigur. Das Rollenbild unterscheidet sich deutlich von den auf den Titeln sonst üblichen männlichen Ankerfiguren, die erhobenen Hauptes hinausweisen in die (von den Arbeitertouristen zu erobernde) Welt. Der gesenkte Kopf und die ganz in sich versunkene Statur spielen an auf einen (vielleicht momentanen, jedenfalls durch die Landschaft gestützten) Rückzug aus eben dieser Welt. „Heimat“ ist hier Rückzugsort in das eigene Subjekt.

Kritisch in den Verband hinein wirken will dieselbe Nummer in einem Bericht „Unsere Ausstellung 'Heimat und Wandern'“ (einer Übernahme aus dem Deutschen Hygienemuseum Dresden), weil die viele Mühe, „die sich der Genosse L a u b aufgebürdet hatte“ von den Ortsgruppen nicht goutiert wurde: „Die Ausstellung selbst fand sowohl in der Parteipresse wie in den bürgerlichen Blättern volle Anerkennung.“ Es folgt die Beschreibung eines Rundgangs, beginnend mit gesundheitlichen und historischen Aspekten des Wanderns über eine ausführliche Präsentation des Naturfreunde-Gaus, der Darstellung von Fauna, Flora und Geologie bis hin zu Landschaftsaquarellen; sie endet mit der Vorstellung der Musik-, Wintersport- und Jugendabteilungen der Ludwigshafener Ortsgruppe. Fotografien handwerklicher Werkstätten verweisen auf das naturfreundliche Konzept des Sozialen Wanderns. Alles in allem beschreiben Ausstellung und der sie bewerbende Text eine sachliche, die Naturwissenschaften integrierende Idee von „Heimat“.

Die nördlicheren Gaue setzten ihre Schwerpunkte in Bezug auf den Begriff etwas anders. Ein Gedicht in der Zeitschrift Thüringens entwirft 1924 aus einer dichten Beschreibung des Proletarierlebens heraus eine Klassenperspektive Zwei Jahre später wurde dort ein marxistischer Begriff von „Heimat“ entwickelt, dessen Schlusszeilen auf ein ökologisches Konzept verweisen

In dieselbe Richtung zielt noch 1933 ein einem Arbeiter bei den Leuna-Werken gewidmetes Prosa-Gedicht. Der Autor erinnert sich an seine Zeit als Malocher im Ruhrgebiet, wo er mit Kollegen stundenlange Wanderungen machte um etwas Grün zu sehen. Sehnsuchtsort blieben aber die Berge des Thüringerlands: „Ich verließ sie und fand sie anders wieder. / Dort kannst Du Stunden Straßen wandern, kein Auto, keine Hupe eines Werks, kein Polizei- / ÜberfallWagen stört Dich.“ „Heimat“ ist hier, Wander- und Skistiefel anzuziehen, frei zu atmen, eigene Entscheidungen zu treffen, in die Ferne sehen zu können. Die Verhältnisse aber sind nicht so – doch sie können in solidarischem Kampf verändert werden. Erst dann wird „Heimat“ wirklich: „Es wird ein herrlicher Tag sein, den meine Heimat erlebt! / Ein großer Freudentag, mit Dir, Prolet vom Leuna-Werk.“

Ganz ähnlich klang das schon mehr als zehn Jahre vorher in der Zeitschrift Fahrtgenoss des Gaus Berlin/Brandenburg. Der Beginn der Erzählung „Heimat!“ ist noch deutlich geprägt von den Erfahrungen des Ersten Weltkriegs. Nach einer umfassenden Beschreibung der Mühen von Fronarbeit bricht bei einer Wanderung der Vorschein von Freiheit auf. Das Trillern einer Lerche eröffnet eine realutopische Perspektive: 

"Sang es und flog davon."

„'Wir sind Brüder, sind Menschen und keine Knechte und haben eine Heimat', so ging´s durch die Köpfe. Die Augen wurden offen, schauten wieder nach rechts und links."

„'Wir haben eine Heimat' so sangen sie."

"Die Augen leuchteten, und die Seelen waren voll Freude."

Diesen proletarischen Anspruch erhebt ähnlich Theo Müller 1930 im Westdeutschen Wanderer. Er wird explizit international gedacht. In der Nummer zuvor hatte dieselbe Zeitschrift unter Rückgriff auf die Verpflichtungen des alten Heimat-Rechts auch ganz konkret den Schutz des Fornicher Kopfes gefordert, eines Bergs, der einem Steinbruch zum Opfer fallen sollte. Der fast ganzseitige Text integriert in die politische Stellungnahme Wanderhinweise sowie Informationen zu Vulkanismus und Gewässerkunde.

Ein ausschließlich politisches Verständnis von „Heimat“ vertreten also auch die linken Gaue nicht. Da gibt es „Geologische Heimatbetrachtungen“ und „Berichte aus der Flora unserer engeren Heimat“. In Sachsen ist es ausgerechnet ein Referent aus dem Arbeits- und Wohlfahrtsministerium, der Studienrat Thiele, der im Sinne verbesserter Volksgesundheit fordert: „Schenkt der Jugend Natur und Heimat wieder!“ Auch findet sich ein beinahe esoterischer Text, „Unsre Heimat“, der in Wandervogel-Manier behauptet „Uns ist alles Heimat“: „Heimat ist keine Romantik, keine Gefühlsduselei – Heimat heißt nur Erleben, nur Fühlen aller Dinge, die auf dieser Erde wert sind, betrachtet zu werden.“ Heimat sei nicht eine bestimmte Gegend, sondern die ganze Welt.

In der Summe lässt sich sagen, dass „Heimat“ bei den Naturfreunden der Zwischenkriegszeit ausnahmslos ein offenes Konzept war. Selbst wo, tendenziell eher im Süden, der Nahraum im Mittelpunkt stand, diente er nicht dazu, Andere oder Anderes auszugrenzen. Bemerkenswert ist, dass er in einem weit umfassenderen Sinne verwendet wurde als im bürgerlichen Lager, weil er ganz ausdrücklich naturwissenschaftliche Aspekte einbezog, die heimatliche Landschaft also zu einer wohlintegrierten Einheit von Kultur und Natur, objektiver und subjektiver Welt, des Nahen und des Fernen machte. Vor allem in den linkeren Gauen, aber nicht allein dort, bezog er sich nicht auf Vergangenheit, sondern galt als Auftrag zum Schaffen einer besseren Welt. Die Krise, die – wie Thomas Lekan beobachtet hat – im Gefolge der seit 1929 herrschenden Depression auch den „Heimat“-Begriff erfasste, schlug in den Mitgliederzeitschriften der Naturfreunde weniger durch als im bürgerlichen Umfeld. In der realen Welt allerdings führte diese 1933 in eine völlig andere Zukunft, deren Tragweite die damaligen Naturfreunde zumindest in ihrer Gesamtheit zunächst unterschätzten.

Die deutsche Reichsleitung reagierte auf die Machtübernahme durch die Nazis hilflos, ja unvorbereitet. Führende Funktionäre des Verbands übten Anpassung: „Als Argument für die nationale Zuverlässigkeit diente der Hinweis darauf, daß die Naturfreunde seit Jahrzehnten die Liebe zu Natur und Heimat in die Arbeiterschaft getragen hätten“, schreibt Ulrich Linse.

Am 18. März erklärte man den Austritt aus der Naturfreunde-Internationale, verwies darauf, wie sehr man den Kommunismus bekämpft hätte und definierte als Aufgabe nun, „das schaffende deutsche Volk durch das Wandern körperlich, geistig und sittlich zu fördern, Liebe zur Natur und Heimat, Volk und Vaterland zu erwecken und dadurch der deutschen Volksgemeinschaft zu dienen“. Im Mai 1933 kippte der von der Reichsleitung verwendete „Heimat“-Begriff in Richtung Völkisches. Um das Häuserwerk zu retten, verfasste sie die Denkschrift „Die Bedeutung der Naturfreundebewegung und der Naturfreunde-Häuser für Volk, Staat und Nation“. Der Verband wurde dennoch aufgelöst. Der Reichsleiter Xaver Steinberger nutzte weiter seine Kontakte zum Fränkischen Albverein und leitete sein Sportartikel-Geschäft. Der ehemalige Reichsjugendleiter Loni Burger gab für den Reichsverband Deutscher Gebirgs- und Wandervereine kurzfristig die Monatsschrift für deutsches Heimatwandern und Bergsteigen, Landschaft und Volkstum, Skilaufen, Wasserwandern und Reisen – DEUTSCHES WANDERN heraus. Es waren die anderen Naturfreunde, nämlich die im Widerstand, die den alten, offenen, der Zukunft zugewandten Begriff „Heimat“ weiterführten.

Die Ausbreitung faschistischer Staatssysteme ließ den ehedem so breit aufgestellten Verband international schrumpfen. Schon 1934 hatten Verbandszentrale und Mitgliederzeitschrift von Wien nach Zürich umziehen müssen. Quasi als Vermächtnis nahm die exilierte Verbandsspitze in einer programmatischen Gegenposition zur völkischen Anmaßung nochmals den progressiven Kern von „Heimat“ auf.

1940er bis 1970er Jahre

Trotz seines Missbrauchs im Dritten Reich blieb der Begriff „Heimat“ in der Nachkriegszeit populär, da er unterschiedliche Interessen bediente. In seiner Alltagsverwendung, so Dirk van Laak, war er unbestimmter denn je: „Nie war so häufig von 'Heimat' die Rede wie in der deutschen Nachkriegszeit, und nie schillerte dabei die Bedeutungsvielfalt derart.“ Diese Aussage ist zu modifizieren. Zum einen war die strikt völkische Variante in der breiteren Öffentlichkeit durchaus kompromittiert, zum anderen verschwand – noch viel nachhaltiger – ihre linke Interpretation praktisch vollständig.

In Teilen der Bevölkerung wurde der Begriff angesichts des verlorenen Weltkriegs zur kleinräumigen Alternative zum Nationalen. Einerseits, so Joachim Raschke, betraf das die Daheimgebliebenen: „Viele, die ihre Heimat nicht verloren hatten, reagierten auf den Zusammenbruch des Deutschen Reiches mit einer Wiederbelebung von Regionalbewusstsein.“ Selbst ein Großteil der mit dem „Heimatschutz“ verbundenen Organisationen und Personen versuchte, sich ohne wesentliche Änderungen in die neuen (west-)deutschen Verhältnisse einzupassen; man sei schließlich immer – auch zwischen 1933 und 1945 – unpolitisch gewesen. Andererseits fanden unter den heimatlos Gewordenen Anpassungsprozesse an die neuen Umfelder statt, die Raschke für durchaus verallgemeinerbar hält: „In der Geschichte fehlt es nicht an Beispielen dafür, dass Flüchtlinge das Land, das ihnen Zuflucht bietet, weit mehr zu schätzen wissen als viele Alteingesessene.“

Dass man angesichts hoher Flüchtlingszahlen die regionalen Ressourcen teilen musste, führte zu Spannungen und Abgrenzungsversuchen. Für Millionen Vertriebene, Kriegsgefangene und Ausgebombte war Heimat eben nicht mehr Realität, sondern Objekt der Sehnsucht. Da viele Vertriebene sich als ausgesprochen „deutsch“ verstanden, kanalisierten oft weit rechts stehende Vertriebenenverbände dieses „Heimweh“, verbanden es mit Forderungen nach Rückeroberung der „alten Heimat“ und ausgeprägtem Antikommunismus. 

Dagegen hatten es die der Arbeiterbewegung vor 1933 entstammenden Vorstellungen von „Heimat“ nach 1945 schwer. Man versuchte terminologischen Anschluss z.B. mit Projekten wie dem (seit 1952) gewerkschaftseigenen Wohnungsbau-Konzern „Neue Heimat“ und der Wiederbelebung der Genossenschaftsbewegung; doch die Versuche, sich damit in die bestehenden Formen des (kapitalistischen) Wirtschaftens zu integrieren scheiterten zu erheblichen Teilen. Noch schwerer hatte es der realutopische Begriff. Zu eben der Zeit, als Bloch sein fortschrittliches Bild von „Heimat“ philosophisch begründete, verschwand es aus dem Blickwinkel praktischer Politik.

Auch bei den Naturfreunden trat die in der Zwischenkriegszeit so bedeutsame realutopische Funktion kaum mehr in Erscheinung. Nach der Wiedergründung zwischen 1945 und 1949 setzte sich die weltanschauliche Spaltung aus der Weimarer Zeit fort. Doch unabhängig von der tatsächlichen ideologischen Verortung lastete der Druck des Antikommunismus auch auf sozialdemokratisch orientierten Verbandsteilen. Er wurde verschärft durch die als Verbot wahrgenommene Nichtzulassung des Verbands in der neu gegründeten DDR; dort ging er auf im „Kulturbund“ mit seinen  „Natur- und Heimatfreunde“-Arbeitsgemeinschaften, die den Anspruch hatten, einen „sozialistischen Heimatbegriff“ zu begründen, aber allenfalls „[d]em Namen nach […] an die 'Naturfreunde' der Arbeitersportbewegung vor 1933“ anknüpften.

Flüchtlingsaufnahme und Heimatverlust wirkten als Massenphänomene in die Naturfreunde hinein. So gab es z.B. Ärger darüber, dass Naturfreundehäuser nicht zurückgegeben wurden, weil dort noch bis in die 1950er Jahre Flüchtlinge „zwangseinquartiert“ wurden. Andererseits waren es nicht selten Flüchtlinge, die mit neuem Schwung alte Ortsgruppen wieder aufzubauen halfen. Für so manchen wurde der Verband eine Art Ersatzheimat. In der Bundeszeitschrift wurde über beides eher wenig berichtet. Vielleicht deshalb erweckt ihre Sichtung den Eindruck, man sei sich in dieser Phase des „Heimat“-Begriffs nicht ganz sicher gewesen – obwohl er dem Anschein nach häufiger verwendet wurde als vor 1933. 

In der neuen Bundeszeitschrift Wandern + Bergsteigen (seit 1949) war der Begriff zunächst eingebunden in die verbandsinterne Erinnerungskultur: „Zum zweiten Male hat der Ungeist unserer Zeitepoche, der Geist des Terrors, unsere Heimat an den Rand des Abgrunds gebracht“. Unter der Überschrift „Niederdeutsche Heimaterde“ (1951) wurde eines im Osten Gefallenen gedacht, und noch 1958 formulierte August Schuy „Nachdenkliches zum Volkstrauertag. Betrachtungen über Lebensschicksale in unserer Heimat“.

Häufiger aber meinte das Wort ein leicht positiv unterlegtes, konkretes Umfeld. So wandte sich ein Aufruf 1950 „An alle Natur- und Heimatfreunde in Stadt und Land, in Büro und Werkstatt“. Anderswo gab es Verweise auf Berge der Heimat (die Dolomiten), die alte Heimat (in der Erinnerung eines Flüchtlings), das Licht der Heimat (in einem Wanderbericht aus dem Inntal) sowie Tipps für die Fotografen („Das Heimatbild“). Unpolitisch gedacht blieb der Bedeutungsinhalt sogar im Bericht zur Bundesversammlung in Hannover unter dem alt-neuen Bundesvorsitzenden Xaver Steinberger, der damit an sein Lavieren von 1933 anschloss. Wenn man beklagte „Das Volk wurde für den Krieg erzogen, ihr natürliches Empfinden für Heimatliebe wurde gefälscht und mißbraucht“, könnte das auch in konservativen Zusammenhängen gestanden haben. A.C. George, bis 1933 mit Steinberger in der Reichsleitung, war nun Schriftleiter der Bundes-Zeitschrift; sein Aufsatz „Wir wandern durch unsere deutsche Heimat“ kommt fast ohne soziale Bezüge aus. Kritisch wurde man selten; mit offenen Sinnen durch die „Heimat“ zu wandern wurde 1953 gar zur „staatspolitische[n] Aufgabe der Naturfreunde“ geadelt. Wenn sich die Texte eines August Schuy aus dem linkeren Hessen davon im ausgedrückten Wertsystem kaum unterschieden, ließ das weniger auf inhaltliche Übereinstimmungen als auf fehlende Trennschärfe in den Alltagsverwendungen des Begriffs schließen. Explizit politischer Bezug beschränkte sich auf Interventionen wie der des Würzburger Naturfreunds und Bundestagsabgeordneten Hannsheinz Bauer gegen die militärische Nutzung des Gebiets um die Wimbachgrießhütte.

Man wurde Mitglied der „Arbeitsgemeinschaft Deutscher Heimat-, Wander- und Naturschutzbünde“, beteiligte sich am „Tag des Baumes – in unserer Heimat“, oder bewarb die innerverbandlich hoch aktive Arbeitsgemeinschaft Natur- und Heimatkunde. Unter der Losung „Die Heimat erzählt von der Urzeit bis zur Gegenwart“ und also ganz ohne negativen Beiklang veranstalteten die (linken) württembergischen Naturfreunde 1951 eine öffentlichkeitswirksame Schau auf dem Gartenschaugelände Killesberg in Stuttgart. Ausstellungen zum Thema gab es auch in Nürnberg und im Landesverband Baden; unter dieser Überschrift beschrieben wurden Fauna und Flora ebenso wie Regionen. Es ging um die erwanderte Heimat, man verband Heimat und Sprache (am niederdeutschen Beispiel) und lobte eine natur- und kunstnahe Inzeller Schule wie einen alten Heimatkunde-Lehrer. Als ästhetische Wertung erschien sie im Titel einer Sonderveröffentlichung zur bayerischen Landesversammlung samt Naturfreundetag 1957 in Kempten: „Unsere bayerische Heimat mit ihren Schönheiten an Seen, Flüssen und auf Bergen“.

Nach Ende der unmittelbaren Nachkriegszeit in den späten 1950er Jahren war der Begriff am präsentesten in bundes- wie landesweiten und örtlichen Arbeitsgemeinschaften „Natur- und Heimatkunde“, die sich nicht nur mit der Wanderleiter-Ausbildung beschäftigten. 1957 veranstaltete die Bundesfachgruppe ihr bereits viertes Bundestreffen mit Schwerpunkten im Naturschutz, Botanik und Vor- und Frühgeschichte. In den 1960er Jahren nahm man an Kundgebungen und Aktionen teil und folgte anlässlich einer Gemeinschaftsaktion gegen den Rheinausbau im Bodenseeraum einem Aufruf „An alle Freunde unserer Heimat“ oder leistete bei einer Umweltkundgebung einen Redebeitrag zum Thema „Wald und Heimat“. Eine Schweizer Notiz, „Demokratischer Heimatschutz“, stand ebenfalls im Zusammenhang einer Umweltaktion am Rhein. 1977 erschien ein detaillierter historischer Abriss des Bundesfachgruppen-Leiters Herbert Guttmann – beginnend mit den Zusammenschlüssen natur- und heimatkundlicher Arbeitsgemeinschaften im Juni 1927. Besonderer Wert gelegt wurde auf die Rolle naturwissenschaftlicher Kenntnisse. Zwei Jahre darauf nahm man neben einem ausführlichen Bericht über ein Seminar im Odenwald Abschied vom schon in den 1920er Jahren aktiven ehemaligen Bundesfachgruppenleiter Sepp Meyer.

Der „Heimat“-Begriff begann, durch den neutraleren Begriff „Umwelt“ ersetzt zu werden. Die Bundesfachgruppe wie ihre regionalen Gliederungen arbeiteten nun eng mit den neu geschaffenen Referaten zum Umweltschutz zusammen. Dass der gesellschaftliche Aufbruch Mitte der 1960er Jahre auch das Wort „Heimat“ erfasst hatte, fand im Schrifttum mehrfach Niederschlag. Waldemar Besson beispielsweise hatte seinen Vortrag „Der Heimatgedanke in der modernen Welt“ 1966 bei einer Kundgebung mehrerer Naturschutzbünde in Hannover gehalten; wegen seines programmatischen Charakters wurde er zur Gänze in Wandern + Bergsteigen abgedruckt. Im Mittelpunkt stehen bei Besson die Beziehungen von Mensch, Natur und Arbeit – und der Versuch, ein Gefühl von „Heimat“ als Voraussetzung für einen rationalen Umgang mit der Welt zu begründen. Wiederabgedruckt wurde 1968 auch der Vortrag eines Vertreters aus dem Bundesinnenministerium zu „Heimat in der Industriewelt“. Dennoch taucht der Begriff seither außerhalb des Fachgruppen-Kontexts nur mehr selten auf.

Dass er nicht negativ belegt war, verdeutlichen Überschriften wie „Für viele eine zweite Heimat“ (wie sich 1977 Bad Oeynhausen als Gastgeber der Bundeskonferenz präsentierte) oder 1985 das Titelblatt zum 19. Bundeskongress, „Dortmund. Heimat und Sozialkunde“; im Heft selbst begründete der ehemalige Bundesvorsitzende Herbert Faller unter diesem Titel die Notwendigkeit der Beschäftigung mit dem Themenfeld.

Gehörte Faller zum politischeren Teil des Verbands, so stand der Landesverband Bayern eher für politische Zurückhaltung. Sein Mitteilungsblatt am Ende der fünfziger Jahre hieß „Unsere bayerische Heimat und ihre Berge“; seine Mitgliederzeitschrift Naturfreund rief 1960 auf „Lernen wir die Heimat kennen!“ und kritisierte damit den Wunsch vieler, eher in die Ferne zu schweifen als die eigene Region zu erkunden. Texte wie „Die schöne Heimat“ – hier eines Beiträgers aus Westfalen (!) – luden zum Wandern ein. Als die Bundesgruppe und viele Landesverbände die Ende der 1960er Jahre modischen Volkswandertage ablehnten, nutzten sie bayerische Ortsgruppen als Plattformen der Selbstdarstellung – so beim „Heimatwandertag in Bobingen bei Augsburg“. Einer der damals führenden Köpfe des Landesverbands, Heinrich Zillinger, übernahm es jedoch auch, das Thema „Heimatgedanke und Naturschutz“ im Sinne des Bundesverbands zu diskutieren, wobei er zwischen „Heimatgedanken“ und „Völkerverständigung und Friedensliebe“ keinen Gegensatz sah.

Die bayerische Mitgliederzeitschrift setzte weniger auf kritische Interventionen als auf sozialkundliche Unterweisung, in der politische Institutionen erläutert wurden. Man war deutlich staatstragend. Ganz in diesem Sinne liest man Mitte der 1960er Jahre von einem Konflikt, in dem unter der Überschrift „Heimat – was ist denn das?“ der Wehrpflicht das Wort geredet wurde; die bittere Reaktion eines alten Naturfreunds in der Folgenummer setzte dagegen den antimilitaristischen Grundcharakter der Naturfreunde. Isoliert im Schrifttum des Gesamtverbands und vielleicht auf Bayern beschränkt, belegt dies doch, dass der ansonsten so sachlich genutzte Begriff vereinzelt auch ins Konservative changieren konnte. 

Die 1980er bis in die Gegenwart

Seit den 1970er Jahren und parallel zum Aufkommen der Umwelt- und Neuen Sozialen Bewegungen, in denen Heimatbezüge durchaus strategisch wurden, löste in der Naturfreunde-Publizistik der eher technokratische Begriff „Umwelt“ den „Heimat“-Begriff fast vollständig ab. Ein Seminarbericht wie „Natur und Heimat“ von 1983 gehört zu den Ausnahmen aus den 1980er und 1990er Jahren. Doch es gab einen weiteren Grund für die seltenere Nutzung des „Heimat“-Begriffs, denn er wurde repolitisiert. In breiten Teilen der Bevölkerung begann die Erfahrung sozialer Unsicherheit zu dominieren, und die liberal gedachte Zivilgesellschaft war in die Krise geschlittert. Es entstand das weit verbreitete Gefühl, an einer nicht wirklich steuerbaren Epochenschwelle zu stehen. Frank Deppe beobachtet, wie das verunsicherte (Wahl-)Volk Zuflucht im „starken Nationalstaat als dem Garanten innerer und äußerer Sicherheit“ suchte, was ihn zum „Identifikationsobjekt für das Bedürfnis nach nationaler Geltung und Überlegenheit“ machte. Die damit erstarkende nationale Anwandlung von „Heimat“ stieß nicht nur bei den Naturfreunden auf Widerstand.

Deshalb sucht man den Begriff seit der Jahrtausendwende in bundesweiten Publikationen meist vergebens. Selbst ein Text zur Aufnahme von Flüchtlingen 2012 trägt die Überschrift „Zuhause“ – obwohl doch linke Gruppen „Heimat“ in diesem Zusammenhang kreativ und in progressiver Absicht adaptierten. Allenfalls berichtet man unter diesem Namen über ein NaturFreunde-Projekt zur Wasserqualität oder bewirbt Bundeswandertage mit Bezug zu „Heimatgeschichte“. Weiterhin und regelmäßig gibt es Informationen zu den Fachgruppen „Natur- und Heimatkunde“, beispielsweise der Landesverbände Teutoburger Wald und Nordrhein-Westfalen. Letztere präsentiert sich 2004 selbstbewusst mit einer komplexen Skizze ihrer Arbeitsgebiete von der Biologie bis hin zur Sozialgeschichte unter dem griffigen Titel „Antiquiert, aber brandaktuell und hochinteressant“. Geradezu heimelig wirkt der Leserbrief „Kalifornische Heimatabende“ zu einem Naturfreundehaus in der Nähe von San Francisco.

Tabuisiert ist der Begriff also keineswegs; er wird einfach selten genutzt. In der Praxis der Verbandsebenen unterhalb der Bundesebene findet man ihn erwartungsgemäß etwas häufiger, in Themenkontexten wie Liedkultur, Heimatabenden, Beschreibungen naher und ferner Regionen und lokalen Mitgliederwerbemaßnahmen.

Zusammenfassung und Ausblick

Daheim ist der „Heimat“-Begriff bei den NaturFreunden also gegenwärtig nicht. Der Blick auf die eingangs genannten fünf „Heimat“-Konzeptionen und ihre Nutzung in fünf Phasen der Verbandsgeschichte macht deutlich, dass das nicht immer so war – obwohl er auch früher im Wertesystem der Naturfreunde nie zentral war.

Schon zur Zeit der Entstehung der Naturfreunde verweigerte man sich nationalistischen Vorstellungen. Der Begriff beschrieb in aller Regel konkrete Landschaften. Naturfreundlicher „Heimatschutz“ war Naturschutz im Sinne der Interessen der Arbeitenden. In den im Naturfreund abgedruckten Gedichten wird Sehnsucht deutlicher, auch hier in der Absicht, Heimatregionen als gleichwertig aufzufassen. Poetisch scheint an einzelnen Stellen die für die Naturfreunde so wichtige Verbindung von Arbeit, Natur und Solidarität auf als Annäherung an das Konzept von „Arbeiterbewegung als Heimat“.

In der Zwischenkriegszeit waren die deutschen Naturfreunde geprägt von der ideologischen wie organisatorischen Spaltung der Arbeiterbewegung. Generell wurde der „Heimat“-Begriff eher deskriptiv verwendet; er hatte starken, durchaus auch positiven Bezug zu konkreten Nah- wie Fernräumen. Konstitutiv war seine naturwissenschaftliche Komponente. In linkeren Verbandsteilen trat hinzu die sozial-utopische Vorstellung als Vorschein einer gerechteren Welt. 

Die „utopische Heimat“ aus der Weimarer Zeit verschwand nach dem Zweiten Weltkrieg im öffentlichen Diskurs wie bei den Naturfreunden. In den unmittelbaren Nachkriegsjahren griff „Heimat“ im Gegensatz zum stark auf Nahräume bezogenen Begriff in der Öffentlichkeit bei den Naturfreunden weiter aus: Er diente der verbandlichen Erinnerungskultur, in der der Opfer von Faschismus und Krieg gedacht wurde, wie (und überwiegend) deskriptiven Zwecken. Aufgrund seiner integralen naturwissenschaftlichen Komponente meinte er weniger emotionale Identifikation als das Verstehen eigener und fremder Mitwelten. Die Arbeitsgemeinschaften für Natur- und Heimatschutz näherten sich schon früh ökologischen Diskursen an. Konservativere Anspielungen blieben vereinzelt; chauvinistische Nutzungsmuster gab es nicht. Im Kern vertraten die Naturfreunde ein pluralistisches Konzept ohne xenophobe Konnotationen.

Mit den 1970er Jahren ging die Nutzung des Begriffs zurück. Das Wort „Umwelt“ ersetzte ihn wohl auch, weil es die emotionale Seite weniger betonte. Die populären Konturen von „Heimat“ erschienen innerhalb der Naturfreunde-Bewegung als zu vage und wohl auch zu konservativ, um wirklich nutzbar zu sein. Wo der Begriff zur Selbstdarstellung genutzt wurde, geschah das im Rahmen eines offenen „Heimat“-Verständnisses. Die Wiederaneignung des Begriffs durch die Neuen Sozialen Bewegungen und die akademische Debatte gingen an den Naturfreunde-Publikationen weitgehend vorbei. Außen vor blieben auch die verspielteren und ironischeren Versionen, die die populären kommerziellen und teilweise konservativen Versionen prägten.  

Seit den 1990er Jahren spielt der „Heimat“-Begriff in der breiteren Verbands-Diskussion keine wesentliche Rolle mehr. Doch in Zeiten von AfD und Pegida stellt sich die Frage nach den weltanschaulichen Übergängen von einer verunsicherten, auch radikalisierten gesellschaftlichen Mitte zu völkischen Ideologien. Beider Begriffe von „Heimat“ sind nicht gleich, schließen sich aber in Teilen auch nicht aus. Noch stehen angesichts der politischen Kräfteverhältnisse kommerzielle und konservative Versionen (inklusive ihrer ironischspielerischen Komponenten) im Vordergrund. Doch zumindest an den Rändern können sie mit völkischen Denkmustern verschmelzen. Eine der damit verbundenen Strategien ist der Versuch, den „Heimat“-Begriff mit völkischer Natur- und Umweltpolitik zu verbinden.

Hermann Bausingers verhaltener Optimismus aus den 1980er Jahren, dass der Begriff einen stabil liberalen, offenen und aktiven Bedeutungskern entwickeln könnte, scheint angesichts heutiger Erfahrungen verfrüht gewesen zu sein. Der doch recht deutliche konservative und nach rechts offene gesellschaftliche Begriff von „Heimat“ hat seine seit der Nachkriegszeit hegemoniale Position behalten. Hegemonien, politische wie kulturelle, sind allerdings Konjunkturen unterworfen, historisch bedingt und gesellschaftlich umkämpft. Dies trifft zu auch auf hegemoniale semantische Gehalte in der Sprache. Ob man will oder nicht, das Wort ist Teil der kulturellen Auseinandersetzung um die sozialen, ökologischen und politischen Verhältnisse. Ein aktuell so erfolgreicher Aufruf im Kampf gegen rechts wie „Solidarität statt Heimat“ ist gewiss gut gemeint, doch konstruiert die Titelgebung einen Gegensatz, der den Begriff „Heimat“ auf die aktuell hegemonialen Nutzungen verkürzt, ihn damit ohne Not seiner progressiven Traditionen entkleidet und kampflos der Rechten und dem Kommerz überlässt. Kritische Sozialwissenschaftler wie Oskar Negt würden dem widersprechen. Als Bildungskonzept könnte er nämlich helfen, die dem Menschen eigene Fremdheit zwischen „Vernunft und Gefühl, Verstand und Sinne[n]“ zu überbrücken: „Das würde die Wissenschaft in die Lebenswelt einbeziehen, und Heimat, als organisierendes Zentrum dieser Lebenswelt, würde eine orientierende Funktion der Befreiung gewinnen.“ Es würde Rückgriff genommen auf sein utopisch-progressives Verständnis. 

Inwieweit man eine solidarischere Welt auch ohne einen Begriff von „Heimat“ erreichen kann, sei hier dahingestellt. Die Begriffsgeschichte zeigt jedenfalls, dass Kernbedeutung und emotionaler Gehalt nicht nur von rechts gefüllt werden können. In diesem Sinne hat Uwe Hiksch im Rahmen der FARN-Initiative der NaturFreunde Deuschlands für den Bundesvorstand erste Schritte in Richtung einer wieder flexibleren Handhabung des Begriffs gemacht, unter Bezug auf dessen Reaktivierung auch von links, doch ohne Verweis auf die alte sinnstiftende Idee von „Arbeiterbewegung als Heimat“ oder auf die realutopische Funktion, wie sie in früheren Phasen der Naturfreunde-Geschichte zur Verfügung stand.  

Was also tun im naturfreundlichen Alltagsgeschäft? Meine persönliche Konsequenz ist, dass ich den Begriff angesichts seiner Vielschichtigkeit (und damit Missverständlichkeit bzw. Missbrauchbarkeit) nicht aktiv nutze, aber auch nicht Angst davor habe, wenn ihn jemand – mit großer Wahrscheinlichkeit ohne viel nachzudenken – verwendet. Alltagssprache funktioniert in aller Regel „intuitiv“ und unreflektiert. Außerhalb der klassisch rechten Szene ist der Heimatbegriff ja offen bis hin zum spielerischen und ironischen Umgang damit. Auch deshalb bringt es wenig, ihn zu tabuisieren. Im Wissen um die Komplexität der Geschichte des Begriffs „Heimat“ (und seines progressiven Potenzials) lassen sich konservativen, eventuell sogar deutlich rechten Begriffsvorstellungen rational(er)e Versionen entgegenstellen. Auch das könnte eine Aufgabe der NaturFreunde als Kulturverband sein, die sich in der täglichen Vereinspraxis neben anderen, befriedigenderen Aktivitäten realisieren ließe. Warum sich also nicht auf ein Gespräch einlassen?

Klaus-Dieter Groß
für die Online-Zeitschrift "NaturFreundeGeschichte/NatureFriendsHistory"