Für eine nachhaltige, klimagerechte und soziale Mobilitätswende: Bundesverkehrswegeplan 2030 zurückziehen

Ein Beschluss des 31. Bundeskongresses der NaturFreunde Deutschlands

Deutschland ist von einem dichten Netz an Autobahnen und Bundesstraßen durchzogen. Durch eine seit Jahrzehnten forcierte Förderung des motorisierten Individualverkehrs wurde großflächig Natur zerstört und bestehende Bahninfrastruktur abgebaut. Am 1. Januar 2020 gab es 13.191 Kilometer Bundesautobahnen und 37.842 Kilometer Bundesstraßen. Damit bildet das heute schon bestehende Bundesfernstraßennetz eines der dichtesten Fernstraßennetze Europas. Allein im Jahr 2019 wurden weitere 50 Kilometer Bundesautobahnen in Betrieb genommen. Seit der Vereinigung der beiden deutschen Staaten wurde das Autobahnnetz um mehr als 2.400 Kilometer erweitert.

Die NaturFreunde lehnen einen weiteren Neu- beziehungsweise Ausbau von Bundesfernstraßen ab. Vielmehr muss eine grundlegende Verkehrswende weg von der Straße, hin zu Bahn und öffentlichem Personenverkehr eingeleitet werden. Die NaturFreunde fordern von der Bundesregierung, dass sie die weitere Fokussierung auf neue Straßen endlich beendet und eine klima- und umweltverträgliche Mobilitätsplanung unterstützt. Mittel in zukünftigen Bundesverkehrswegeplänen müssen auf den Ausbau der Bahninfrastruktur und die Erhaltung, gegebenenfalls den Rückbau, bestehender Straßeninfrastruktur konzentriert werden. Der aktuelle Bundesverkehrswegeplan 2030 (BVWP 2030) ist als zukunftsfähige Grundlage für die Sicherstellung der Mobilität in einer auf Nachhaltigkeit und Umweltverträglichkeit ausgerichteten, industriell hoch entwickelten Gesellschaft nicht geeignet. Der BVWP 2030 ist zurückzuziehen.

Der aktuelle Bundesverkehrswegeplan hat keine ausreichende Bewertung von umwelt- und naturschutzfachlichen sowie raumordnerischen und städtebaulichen Gesichtspunkten vorgenommen. Durch den BVWP 2030 wird eine Mobilitätswende verhindert. Er fördert eine Verkehrsentwicklung, die mittel- und langfristig an Belastungs-, Tragfähigkeits- und Ressourcengrenzen stößt. Durch seine einseitige Orientierung auf wachsende Verkehrsleistungen steht der BVWP 2030 zentralen Politikzielen entgegen und konterkariert damit die vom Verkehrssektor zu erbringenden Beiträge zur Erreichung der von der Bundesregierung beschlossenen Ziele:

  • Im „Fahrplan für den Übergang zu einer wettbewerbsfähigen CO2-armen Wirtschaft bis 2050“ haben sich die Staaten der EU zu einer Reduzierung der Treibhausgasemissionen der Industrienationen von 80 bis 95 Prozent bis zum Jahr 2050 verpflichtet. Diese enthält ausdrücklich „die Verpflichtung, langfristige Strategien für eine CO2-arme Entwicklung durchzuführen“ und den „Übergang zu einer wettbewerbsfähigen CO2-armen Wirtschaft“ zu fördern.
     
  • In den Klimaschutzzielen der Bundesregierung, in denen 1,5 Grad Celsius als Erwärmungsobergrenze vereinbart wurde, wurde unter anderem im Aktionsprogramm Klimaschutz 2020 eine Reduzierung der Emission von Treibhausgasen gegenüber 1990 um 40 Prozent bis 2020 und die Verringerung des CO2-Ausstoßes des Verkehrssektors um 7 bis 10 Millionen Tonnen formuliert.
     
  • In der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie wurde als „Ziel eine Flächeninanspruchnahme von maximal 30 Hektar am Tag im Jahr 2020“ festgeschrieben.

Der BVWP 2030 unternimmt keinerlei ernsthafte Bemühungen, durch infrastrukturelle Weichenstellungen eine Mobilitätswende zu unterstützen. Mit seiner Priorisierung des Straßenverkehrs wird er notwendigen Verlagerungen von Verkehrsströmen auf Schiene und Wasser nicht gerecht.

Die NaturFreunde fordern eine grundlegende Neukonzeption des BVWP 2030 als integrativen Nationalen Mobilitätsplan, der K limaschutz- und Umweltziele mit dem Thema Mobilitätsentwicklung und neue Mobilitätsansätze verbindet. Zentraler Bestandteil eines solchen Nationalen Mobilitätsplans muss die Einhaltung der klimapolitischen Ziele im Verkehrssektor sein. Bisher hat der Verkehrssektor dazu einen völlig unzureichenden Beitrag geleistet.

Die NaturFreunde Deutschlands fordern,

  • die rückwärtsgewandte und umweltzerstörende Verkehrspolitik aus ökologischen, gesundheitspolitischen und sozialen Gründen zu beenden;
  • einen flächendeckenden, bezahlbaren ÖPNV für alle;
  • eine soziale und ökologische Verkehrswende mit dem Ziel einer Halbierung des Autoverkehrs und Klimaneutralität im Verkehr bis 2035;
  • ein Bundesmobilitätsgesetz zu beschließen, das die Ziele der Verkehrsvermeidung, Verringerung des Energie- und Ressourcenverbrauchs und die Verlagerung des Verkehrs auf umweltfreundliche Verkehrsträger in den Mittelpunkt stellt;
  • den Stopp aller Planungen für Public-Private-Partnership-Projekte im BVWP 2030 und die bereits privatisierten Straßenabschnitte in öffentliches Eigentum überzuführen;
  • die Reduzierung des Individualverkehrs und den flächendeckenden Ausbau und die Stärkung des ÖPNV;
  • die Verabschiedung und Umsetzung eines integrierten Gesamtkonzepts für eine klimafreundliche Mobilität;
  • einen grundsätzlichen Stopp beim Aus- und Neubau von Bundesfernstraßen und eine Konzentration der Mittel für die Bundesfernstraßen in die Erhaltungs- und Ersatzinvestitionen;
  • eine generelle Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h auf Autobahnen, 80 km/h außerorts und eine Regelgeschwindigkeit von 30 km/h innerorts.

Die NaturFreunde Deutschlands fordern die Bundesregierung auf,

  • einen sofortigen Stopp der Planung und des Baus von neuen Autobahnen und Bundesstraßen zu erlassen;
  • den BVWP 2030 zurückzuziehen und durch ein Bundesmobilitätsgesetz mit den Zielen der Ressourcenschonung, des minimalen Flächenverbrauchs, der Nachhaltigkeit und der Klimagerechtigkeit zu ersetzen;
  • eine an den Anforderungen des Klimaschutzes orientierte grundlegende Überprüfung der Bedarfspläne für ein Bundesmobilitätsgesetz vorzunehmen;
  • im Rahmen der Fassung eines Bundesmobilitätsgesetzes eine aktive und partizipative Bürger*innenbeteiligung zu ermöglichen;
  • die Investitionen in Bundesstraßen auf notwendige Erhaltungs- und Ersatzinvestitionen in die bestehenden Bundesfernstraßen zu beschränken.

Die NaturFreunde werden

  • sich weiter aktiv an den bundesweiten Verkehrs- und Mobilitätswendebündnissen beteiligen;
  • sich im Bündnis „Bahn für alle“ für einen flächendeckenden Ausbau der Bahn engagieren;
  • sich in Bundesländern, Städten und Regionen an regionalen Verkehrswendebündnissen beteiligen;
  • Materialien und Referent*innen zur Verfügung stellen.

Empfänger*innen: Abgeordnete des Bundestags und der Landesparlamente, die Bundesregierung und die Landesregierungen

Verabschiedet vom 31. Bundeskongress der NaturFreunde Deutschlands, der vom 8.–10. Oktober 2021 in Falkensee bei Berlin tagte.