Schlusskonferenz – Geschichte und Zukunft der Klimadiplomatie

Das neue Buch von Nick Reimer

Schlusskonferenz. Geschichte und Zukunft der Klimadiplomatie
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Im Deutschen Staatstheater in Hamburg können die Besucher in dem Drama mitspielen, das auf der internationalen Bühne seit 1995 jedes Jahr von den Vereinten Nationen aufgeführt wird: Weltklimakonferenz. Der Zuschauer ist nicht nur Beobachter, er vertritt ein Land, das mit der Eintrittskarte bestimmt wird, und muss sich in die Rolle hineindenken, die das Land beim Klimaschutz spielt, um bei den Verhandlungen mitzumachen. Aussuchen kann sich der Besucher nicht, ob er Delegierter des Klimasünders USA ist, des rohstoffreichen Russlands, der Ölbarone aus Saudi-Arabien oder eines im Pazik versinkenden Inselstaates. Und damit alles möglichst realitätsnah ist, machen auch mit: die Klimawissenschaftler Hartmut Grassl und Mojib Latif, die Umweltaktivisten Christoph Bals und Klaus Mielke und die Umweltjournalisten Thoralf Staud und Nick Reimer, letzterer Chefredakteur von klimaretter.info und auch aktiv in der Redaktion der NATURFREUNDiN. Reimer gehört zu den profunden Kennern der Weltklimakonferenzen.

Woran hakt es beim Klimaschutz?
Wir brauchen nicht nach Hamburg zu fahren, denn Nick Reimer kommt das große Verdienst zu, in seinem neuen Buch „Schlusskonferenz“ über die internationale Klimadiplomatie verständlich, kurzweilig und anekdotenreich zu informieren. Wer wissen will, um was es geht, was hinter verschlossenen Türen passiert und warum der Klimaschutz nicht so recht vorankommt, muss dieses Buch lesen. Es klärt auf über die Verhandlungsprozesse, den Wissentransfer und die Einflusnahme auf die Entscheidungen. Es beschreibt die Anfänge, das Entstehen des Kyoto-Vertrages, die Schande von Kopenhagen und die Vorbereitung auf Paris, die Schlusskonferenz, wo ein neuer Beginn gesucht werden soll.

Das Buch kommt zur richtigen Zeit, denn im Dezember werden auf der UN-Klimakonferenz (COP 21) in Paris wieder Vertreter aus 195 Staaten versuchen, die Welt zu retten. Das wiederholt sich nun seit 1995: Die Diplomatenmaschine dreht auf, Wissenschaftler des IPCC warnen vor dem Klima-GAU, Nichtregierungsorganisationen übertreffen sich mit immer neuen Vorschlägen.

Nick Reimer: Schlusskonferenz – Geschichte und Zukunft der Klimadiplomatie; 208 Seiten mit Erläuterungen zum Konferenzvokabular und Chronologie aller bisherigen Klimakonferenzen; oekom verlag, München, 2015; ISBN 9783865817464; 14,95 Euro.

Unverbindliches wird als Erfolg verkauft
Auf der COP 19 im November 2013 in Warschau etwa wurden 6.186 Delegierte, 4.731 Beobachter und 1.020 Journalisten gezählt. Und in der französichen Hauptstadt werden im Dezember noch mehr erwartet. Erneut wird dann wieder gestritten, gefeilscht, gedealt, nächtelang durchverhandelt und am Ende alles getan, unzureichende Maßnahmen als Erfolg zu bezeichnen. Reimer lässt die Klimakonferenzen Revue passieren, für die 1992 der Erdgipfel in Rio de Janeiro das Mandat erteilt hatte. Der engagierte Umweltjournalist erhellt die besondere Atmosphäre, die auf den UN-Klimakonferenzen herrscht. Das ist die Erfahrung: Auch wenn immer neue und manchmal auch hoffnungsvolle Ankündigungen gemacht werden, so fehlt am Ende bisher stets das ententscheidende Wort „verbindlich“.

Es mangelt nicht am Wissen
Das muss in Paris anders sein, sollen unsere Enkel uns für unser Nichtstun verfluchen. Denn der unzureichende Klimaschutz ist keine Frage des fehlenden Wissens, sondern des Versagens, daraus die notwendigen Konsequenzen zu ziehen. Also lesen und Druck machen, auch damit wir am Ende nicht wie die frühere EU-Klimakommissarin Connie Hedegaard sagen müssen „Wir hassen Klimakonferenzen.“

Michael Müller
Diese Rezension ist zuerst erschienen in NATURFREUNDiN 3-2015.