Rede von Helene Hohmeier, Landesvorsitzende der NaturFreunde Hamburg, zur #StopCetaTTIP-Demo am 17.9.2016 in Hamburg
Ich erlebe meine Arbeitswelt als Erzieherin, sowie jede Auseinandersetzung für mehr Geld oder bessere Arbeitsbedingungen so, wie schon Rousseau es formulierte:
"Zwischen dem Schwachen und dem Starken ist es die Freiheit, die unterdrückt, und das Gesetz, das befreit."
Also Rousseau hätte sicher nichts dagegen, wenn wir heute aus Anlass dieser unübersehbaren entschlossenen Proteste, die einen langen Atem brauchen, diesen Satz etwas abwandeln:
"Zwischen dem Schwachen und dem Starken ist es der Freihandel, der unterdrückt, und das Gesetz, das befreit."
Den von Menschenhand gemachten größten Katastrophen des vorigen Jahrhunderts lag jeweils die Freiheit der Starken zugrunde. Die wirtschaftlich Mächtigen und ihre Regierungen haben die Welt unter sich aufgeteilt. Im Jahr 1918 wurden 20 Millionen, im Jahr 1945 wurden 60 Millionen Kriegstote gezählt. Die Gier der Starken nach Reichtum und Macht haben die Schwachen mit ihrem Leben bezahlt.
Ist es heute anders? Nein! Ich zitiere Papst Franziskus:
"Damit das System fortbestehen kann, müssen Kriege geführt werden, wie es die großen Imperien immer getan haben. Das globale Wirtschaftssystem führt zur Barbarei, es braucht den Krieg, und es stellt das Geld und nicht den Menschen in den Mittelpunkt.“
In meiner Krippengruppe sorge ich dafür, dass keines der mir anvertrauten Kleinkinder zu kurz kommt. Jeder Schmerz wird mit Zuwendung und Liebe geheilt.
Andernorts auf dieser Erde sterben Kinder wegen Hunger und Krankheit, während an den Börsen auf Lebensmittel- und Medikamentenpreise spekuliert wird. Auch hier begegnet uns wieder diese Freiheit, in diesem Fall für den Börsenhandel mit Wertpapieren. Die Analyse des früheren Welternährungsbeauftragten der UN Jean Ziegler sagt dazu: „Das ist Mord.“
Da dies so unfassbar ist und täglich Tausende Menschen, meist Kinder unter fünf Jahren trifft, möchte ich einen Kernsatz zur Kritik der politischen Ökonomie von Karl Marx zitieren, der an Aktualität nichts eingebüßt hat:
„Mit entsprechendem Profit wird Kapital kühn.
10 Prozent sicher, und man kann es überall anwenden;
20 Prozent, es wird lebhaft;
50 Prozent, positiv waghalsig;
für 100 Prozent stampft es alle menschlichen Gesetze unter seinen Fuß;
300 Prozent und es existiert kein Verbrechen, das es nicht riskiert,
selbst auf die Gefahr des Galgens.“
Liebe Gegnerinnen und Gegner von CETA und TTIP,
als Vertreterin der Friedensbewegung, als Vertreterin der NaturFreunde und natürlich als Gewerkschafterin, freue ich mich über euer Engagement hier und heute.
Nach Berlin und Hannover wird allein in unserem Land heute in sieben verschieden Städten zum dritten Mal massenhaft gegen TTIP, CETA und TISA demonstriert. Unsere sozialen Errungenschaften wie wichtige Verbote oder Regelungen zum Schutz der Gesundheit, zum Schutz der ArbeitnehmerInnen oder der Lebensmittelsicherheit, außerdemTarifverträge und kommunale Demokratie sind von CETA, TTIP und TISA bedroht.
Schlimmer noch: Dieses neuerliche Anheizen der Konkurrenz durch die Schaffung von Handelsvorteilen für die ganz Starken würde global den Graben zwischen Nord und Süd weiter vertiefen. Dabei sind die Reichsten der Reichen, die 60 Menschen, die die Hälfte des Vermögens auf dieser Welt ihr Eigentum nennen, auch innerhalb der Ländergrenzen der Vertragspartner, USA und EU, die Meistbegünstigten.
Wir wollen keine NATO der Wirtschaft der westlichen Industrieländer namens TTIP oder CETA, weil sie die wirtschaftliche und damit geopolitische Vormachtstellung gegenüber den BRICS-Staaten ausbaut. Erinnnert euch:
Dem politischen und militärischen Entspannungsprozess zwischen Ost und West in den 1970ern gingen die Verträge von Moskau und Warschau voraus. Krupp und Rheinmetall konnten am Verkauf von Röhren in die Sowjetunion ihr Geschäft machen. Die Konfrontation der Blöcke wurde, nicht zuletzt, deshalb eingedämmt, weil der Ost- Westhandel beiden Seiten Vorteile brachte. Gas und Ölpipelines aus Russland sind bis heute in Betrieb. Die Freihandelsabkommen, denen wir den Kampf angesagt haben, würden dazu führen, dass gefracktes Gas auf Schiffen aus den USA zu uns käme, damit wir von Russland energieunabhängig werden. So schafft Handelspolitik die Voraussetzungen für die Zuspitzung der Konfrontation.
Vor kurzem haben sich selbst Mitverursacher wie der deutsche Außenminister erschrocken gezeigt über die Kriegsdrohungen der NATO gegen Russland. Und zwar wurden Bedenken geäußert über die Manöver an Russlands Westgrenze, an denen die Bundeswehr selbst beteiligt war. Von den zahlreichen US-und NATO-Stützpunkten längs der Grenzen und dem Raketenabwehrschirm war keine Rede.
Weil eine gerechte Weltwirtschaftsordnung die Voraussetzung von dauerhaftem friedlichen Zusammenleben ist, warnt die Friedensbewegung :
TTIP/CETA als Wirtschafts-NATO und Militär-NATO gemeinsam sind auf Konfrontationskurs, deutlicher gesagt: Hier wird ein weiterer Krieg, diesmal auch uns selbst direkt betreffend, vorbereitet oder zumindest riskiert.
Deshalb werbe ich heute auch um eure Teilnahme an der bundesweiten Friedensdemo in Berlin am 8. Oktober unter dem Motto: Die Waffen nieder!
Kooperation statt NATO-Konfrontation!
Abrüstung statt Sozialabbau!
Fairer Welthandel statt TTIP und CETA!