Warum Europafeinde es schwer haben müssen

Ein Wahlaufruf von Maritta Strasser, Bundesgeschäftsführerin der NaturFreunde Deutschlands

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Am 26. Mai steht Europa zur Wahl – und die erste und wichtigste Frage ist die der Wahlbeteiligung. Von ihr hängt ab, ob diejenigen Einfluss gewinnen, die sich mit dem erklärten Ziel wählen lassen, unsere europäische Heimat als Raum der Freiheit, des Friedens und des Rechts zu zerstören. Oder ob eine Reform Europas zu mehr Demokratie, Nachhaltigkeit und sozialer Gerechtigkeit möglich bleibt.

„Einig und untergehakt“

Wir Europäer*innen haben nur gemeinsam die Chance auf eine lebenswerte Zukunft. Nur einig haben wir Gewicht im Kampf gegen den Klimawandel, können wir eine gentechnikfreie Landwirtschaft verteidigen und Umweltgifte zurückdrängen. Nur untergehakt bieten wir erstarkenden Diktaturen ebenso die Stirn wie den demokratisch gewählten, aber sich antidemokratisch und verantwortungslos verhaltenden Donald Trumps, Recep Erdogans und Jair Bolsonaros dieser Welt.

Nicht zu wählen ist auch eine Wahl – eine gegen Europa und eine gegen die Möglichkeit, überhaupt noch demokratisch Einfluss zu nehmen auf unser Leben. Denn ein geschwächtes Europa, ein Europaparlament in der Hand von Europafeinden, wird den Konzernen noch weniger entgegensetzen können.

Auf die Straße für Europa!
Zehntausende Menschen werden am 19. Mai in europäischen Städten für die Zukunft Europas auf die Straße gehen. Denn eine hohe Wahlbeteiligung von demokratisch gesinnten Menschen kann den Vormarsch der Nationalist*innen stoppen.
www.ein-europa-fuer-alle.de 

Richtig ist: Die Europäische Union kann nicht bleiben, wie sie ist. Sie muss sich ändern und die eigenen Werte wieder ernst nehmen, wenn sie überdauern soll. Mit einer in Handelsabkommen verankerten Paralleljustiz für Konzerne hat die EU-Kommission jahrelang die Rechtsstaatlichkeit untergraben – und rückt erst auf Druck von Protesten und nach Urteilen des Europäischen Gerichtshofs von diesem Kurs ab. Auch im Bemühen um eine naturverträgliche, klimafreundliche und das Tierleid reduzierende Landwirtschaft hat Europa bislang kläglich versagt. Und beim Schutz der Gesundheit, bei Verbraucher- und bei Arbeitnehmerrechten ist ebenfalls noch Luft nach oben. Zudem werden Steuerhinterziehung und Korruption in Europa – übrigens auch in Deutschland – viel zu halbherzig bekämpft.

Aber niemand soll sich täuschen lassen, dass Fortschritte auf nationaler Ebene leichter und schneller zu erreichen wären. Unter dem Druck von Konzernen und Großmächten sind einzelne Staaten viel hilfloser als eine demokratisch verfasste Staatengemeinschaft.

Es ist kein Zufall, dass antieuropäische Kampagnen wie die Brexit-Kampagne von Regierungen und Konzernen unterstützt werden, denen ein einiges Europa zu mächtig ist. Trumps Freude über das knappe Votum der Briten spricht Bände. Der amerikanische Präsident will und kann nicht verhandeln, er kennt nur Erpressung und Starrköpfigkeit. Er will ein schwaches Europa, um uns seinen Willen aufzudrücken. Das ist auch Putins Interesse und der Grund, warum russische Medien rechte Verschwörungstheorien verbreiten helfen.

„Aufgebaut aus der Vernunft“

Die Europafeinde haben es auch deshalb so leicht, weil die neoliberale Ideologie die europäische Politik in den letzten zweieinhalb Jahrzehnten erfolgreich unterwandert hat. Demokratie wurde als Bürokratie verunglimpft, die Kürzung öffentlicher Ausgaben zur heiligen Kuh erklärt. Aber wo, wenn nicht in Europa, wollen wir wirklich wirksam den Hebel umlegen hin zu einer Politik, die Gemeinwohl wieder Vorrang gibt vor ökonomischen Einzelinteressen?

Die Europäische Union wurde aufgebaut von zur Vernunft erschrocken Nationen – nach der Erfahrung von Krieg und Völkermord durch die Nationalsozialisten. Nie wieder soll solcher Hass in Europa die Völker zu dieser Grausamkeit befähigen.

Hass und Hetze gewinnen heute wieder an Boden. Dass Menschen frei und gleich an Rechten sind, wird immer häufiger abgestritten. Darauf müssen wir antworten. Jeden Tag. Und indem wir am 26. Mai unsere Stimme erheben – und sie bei der Europawahl für eine Partei abgeben, die für eine bessere Zukunft der Europäischen Union streitet.

Maritta Strasser
ist Bundesgeschäftsführerin der NaturFreunde Deutschlands und entschiedene Verfechterin eines progressiven demokratischen Europa