Welche Überraschungen der „Rote-Socken-Weg“ der NaturFreunde zu bieten hat

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Werner Schmidt (63) ist Vorsitzender der NaturFreunde Stuttgart-Heslach und Ansprechpartner für den Rote-Socken-Weg, einen von der Ortsgruppe angelegten, etwa sieben Kilometer langen Panorama-Wanderweg im Stuttgarter Süden. Wir haben mit ihm über sein Herzensprojekt gesprochen.

Vor zehn Jahren hat eure Ortsgruppe Stuttgart-Heslach den „Rote-Socken-Weg“ eröffnet. Die Jubiläumswanderung musstet ihr absagen?

Werner Schmidt: Ja, das Corona-Virus hat alle Planungen über den Haufen geworfen. Wir hoffen jetzt auf den Herbst, haben in den Medien aber darauf hingewiesen, dass nichts dagegen spricht, sich alleine oder – mit genügend Abstand – auch in Kleingruppen auf die Socken zu machen. Das Wandern ist auch in der Pandemie eine gute Möglichkeit, freie Zeit sinnvoll und gesund zu verbringen, zumal viele Kleinode der Naherholung direkt vor der Haustüre liegen.

Euer Weg, der ja eigentlich „NaturFreunde-Weg Stuttgart-Süd“ heißt, ist wirklich bekannt in Stuttgart und zu einer Art Marke geworden. Wie kam das mit den „roten Socken“?

Unser Wanderleiter Dr. Klaus Hrastnik hatte den Weg von vornherein als Ergänzung zum sogenannten „Blaustrümpflerweg“ des Schwäbischen Albvereins geplant. Der Volksmund machte dann den „Rote-Socken-Weg“ daraus. Natürlich hat unsere Verwurzelung in der Tradition der Arbeiterbewegung eine Rolle gespielt – und auch ein wenig Selbstironie. Aber letztlich ging es uns um etwas mehr Farbe im Stadtbezirk sowie darum, selbst ein Zeichen zu setzen.

Der Rote-Socken-Weg ist ein sieben Kilometer langer Rundkurs durch Stuttgarts Süden. Wie würdest du den Charakter beschreiben?

Neben vielen Bezügen zu Geschichte, Kultur und Architektur unseres Stadtbezirks hat der Weg auch landschaftlich einiges zu bieten, ist in seinen steilen Stücken sportlich anspruchsvoll und betont insbesondere die Eigenart Stuttgarts als Stadt zwischen Wald und Reben. Vieles, womit wir NaturFreunde uns beschäftigen, findet sich auf dem Weg wieder: Die städtische Wirtschafts- und Verkehrsentwicklung, Stolpersteine auf dem Weg berichten über Widerstand und Verfolgung in der NS-Zeit, es geht um den Zustand der Wälder, die an den Hängen liegenden Frischluftschneisen, Bau- und Kulturdenkmäler. Dazu kommen der Gedanke der Völkerverständigung sowie Anekdoten zur Landesgeschichte.

Der Flyer erzählt eine interessante Geschichte über die Mammutbäume am Weg. Von diesen Baumriesen mit der weichen, rot-braunen Borke gibt es im Wernhaldenpark mehr als 40, einige wurden schon um das Jahr 1860 gepflanzt. Nur ein Loth – etwa 16 Gramm – des teuren Samens sollten damals in Amerika gekauft werden. Durch mangelhafte Englischkenntnisse wurde daraus „a lot of“ und der überschüssige Samen im ganzen Land verteilt.

Auch dieser Wernhaldenpark hat eine besondere Geschichte?

Ja, der Name kommt von „Wülenhalde“, das ist der Ort, an dem einst die Schweine wühlten. Heute ist er der ökologisch wertvollste und landschaftlich reizvollste Teil des Rote-Socken-Weges. Anfang der 1980er Jahre wurde der Park in einem Jugendsozialprojekt entmüllt und instand gesetzt. Hier wird die Wanderung zur kleinen Bergtour bis zum Santiago-de-Chile-Platz, wo eine grandiose Aussicht wartet. Überhaupt bietet der Weg viele schöne Ausblicke in den Stuttgarter Kessel.

Der Weg ist extra so angelegt, dass man immer wieder auf die Stadt sieht und sich mit ihr beschäftigen kann, mit der Stadtentwicklung zum Beispiel aber auch mit dem Zustand der Wälder. Von oben versteht man vieles besser.

Seid ihr jetzt für alle die Roten Socken?

Diesen Ruf haben wir eigentlich schon immer, weil wir uns stets in politische Auseinandersetzungen einmischen. Und die nachhaltige Verbesserung der Verkehrs- und Wohnsituation in unserem Stadtteil Heslach, früher auch „Schwabenbronx“ genannt, ist für uns ebenso ein Thema wie das Erschließen neuer Wanderwege. Wir sind gut vernetzt und anerkannt.

Was macht eure Ortsgruppe sonst noch?

Einen gewissen Namen haben wir uns mit musikalisch-kabarettistischen Kulturveranstaltungen, friedens- und umweltpolitischen Aktivitäten sowie unserem Engagement in der Initiative Stolperstein und der Geschichtswerkstatt gemacht.

Gibt es weitere Pläne für den Weg?

Am Santiago-de-Chile-Platz, wir sprachen gerade darüber, stehen auch eine Moai-Statue von den Osterinseln sowie eine Statue der chilenischen Dichterin und Nobelpreisträgerin Gabriela Mistral. Wir wollen auch für den anderen chilenischen Nobelpreisträger Pablo Neruda, den „Dichter des Volkes“, ein Denkmal aufstellen. Am liebsten im Jahr 2023, wenn sich sein Todestag sowie der Militärputsch gegen die Unidad Popular zum 50. Mal jähren.

Interview: Samuel Lehmberg