Grüne und SPD legen Bedenken gegen Schiedsgerichte ad acta – Proteste geplant
Die Berliner Ampelkoalition macht ernst mit der Ratifizierung des umstrittenen Freihandelsabkommens CETA zwischen der Europäischen Union und Kanada. Bisher wurde CETA nur vorläufig angewendet, und zwar ohne die Klauseln zu Schiedsgerichten und zum Investitionsschutz. Ende Juni einigten sich die Koalitionäre dann auf eine „Handelsagenda der Ampel“ und brachten einen Antrag auf vollständige Ratifizierung des CETA-Abkommens in den Bundestag ein. In der letzten Sitzung vor der Sommerpause wurde dieser in erster Lesung beraten.
Die Ampel-Agenda gibt der Bundesregierung den Auftrag zu Gesprächen mit Kanada und der EU über eine Interpretationserklärung des gemeinsamen CETA-Komitees, die sich gegen eine missbräuchliche Anwendung der CETA-Klauseln zum Investitionsschutz wenden soll. Die zweite und dritte Lesung im Bundestag soll stattfinden, sobald das Komitee „in diesem Herbst eine entsprechende Erklärung verabschiedet hat“.
Am rechtsverbindlichen Inhalt von CETA ändert eine solche Erklärung aber nichts. Weiterhin gilt, dass die Ratifizierung von CETA der Umwelt schadet und die Durchsetzung von sozialen Standards behindert. Das Abkommen bleibt der Ideologie des Neoliberalismus verhaftet, stärkt die Rechte von Investor*innen und verschiebt die gesellschaftlichen Kräfteverhältnisse auf Kosten demokratischer Gestaltungsmöglichkeiten. Bei Konflikten zwischen Investor*innen und Staaten sollen dem Abkommen zufolge anstelle ordentlicher Gerichte internationale Schiedsgerichte zuständig sein. Das untergräbt die demokratische Gewaltenteilung zwischen Parlament, Regierung und Gerichten und eröffnet Investor*innen die Möglichkeit, nationale Gesetze zu unterlaufen.
Durch die im Abkommen vorgesehene „regulatorische Kooperation“ können internationale Konzerne bereits im Vorfeld von parlamentarischen Beratungen an der Erarbeitung von Gesetzen mitwirken und dabei auf Regierungen Druck ausüben, um unliebsame Vorhaben der Parlamente zu verhindern. Dadurch können Schutzrechte zugunsten der Umwelt und von Arbeitnehmer* oder Verbraucher*innen auf der Strecke bleiben, wenn diese Verpflichtungen für Investor*innen mit sich bringen sollen. Gentechnik und Fracking etwa könnten leichter durchgesetzt werden.
Für die Ratifizierung des Abkommens setzt sich seit Langem der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) ein, die hierzulande wohl einflussreichste Lobbyorganisation. Der BDI will durch CETA deutsche Investitionen im Ausland geschützt sehen.
CETA ist nur eines von vielen Freihandelsabkommen, die die EU derzeit verhandelt, und hat Pilotcharakter. Gegen die Ratifizierung des Abkommens bereitet ein Aktionsbündnis, dem die NaturFreunde Deutschlands angehören, weitere Proteste vor. Geplant sind etwa Besuche von Wahlkreisbüros von Grünen- und SPD-Abgeordneten, eine Menschenkette und eine Aktion vor der Grünen-Parteizentrale in Berlin.
Jürgen Voges