EU-Mercosur-Abkommen stoppen

Ein Beschluss des 31. Bundeskongresses der NaturFreunde Deutschlands

Seit 1999 verhandelt die EU-Kommission mit dem südamerikanischen Staatenbund Mercosur (Argenti­nien, Brasilien, Paraguay und Uruguay) über den Ab­schluss des EU-Mercosur-Abkommens. Im Juni 2019 wurde eine politische Verständigung über den Ab­schluss dieses Freihandelsabkommen erzielt. Mit dem EU-Mercosur-Abkommen soll die zerstörerische neoliberale Handelspolitik der EU fortgesetzt werden. Das Abkommen hilft vor allem den Konzerninteres­sen und wird die weitere Zerstörung der Urwälder, soziale Ungleichheit und eine unverantwortliche Ag­rarpolitik fördern.

Mit dem Freihandelsabkommen wird das extraktive Landwirtschaftsmodell der Agrarlobby weiter geför­dert, das durch Brandrodung des Urwalds, Überwei­dung und Zerstörung der Böden und die weitere Aus­weitung von Mastbetrieben und chemisch intensiven Monokulturen gekennzeichnet ist. Das Handelsab­kommen zerstört die Lebensgrundlagen vieler Klein­bäuer*innen und Arbeiter*innen, sowohl in den Staa­ten der EU als auch im südamerikanischen Staaten­bund Mercosur.

Die EU-Industrie und vor allem auch die Automobil­unternehmen haben Interesse am Zugang zu mög­lichst billigem brasilianischen Erz und Stahl. Durch diese Wirtschaftsinteressen wird der brasilianische Regenwald weiter zerstört und die extraktivistische Politik der Industriestaaten weiter intensiviert. Die brasilianische Stahlindustrie verwendet zur Verhüt­tung in ihren Stahlwerken keine Steinkohle, sondern Holzkohle. Durch die damit verbundene Regenwald­zerstörung wird der Klimawandel weiter angeheizt und riesige Flächen im Amazonasgebiet werden ge­rodet.

Um die Interessen der Industrie- und Agrarlobby durchzusetzen, werden Menschenrechtsaktivist*in­nen, Gewerkschafter*innen und Umweltschützer*in­nen bedroht und ermordet. Menschenrechtsverteidi­ger*innen berichten von tausenden Aktivist*innen und Gegner*innen dieser Politik, die in Polizeistatio­nen oder von paramilitärischen Einheiten gefoltert und gedemütigt wurden. Durch Todesschwadronen werden Aktivist*innen und Gegner*innen verschleppt und vielfach ermordet.

Durch das Freihandelsabkommen wird der Handel mit Agrarrohstoffen aus den Staaten des Mercosur forciert. Gleichzeitig soll der Export von Autos, che­mischen Erzeugnissen und Industriegütern aus den Staaten der EU gefördert werden. Durch seine Aus­richtung zerstört das Abkommen Arbeitsplätze in bei­den Regionen.

Die NaturFreunde Deutschlands lehnen das EU-Mer­cosur-Abkommen ab und setzen sich für eine grund­legende Veränderung der wirtschaftspolitischen Aus­richtung der EU-Außenhandelspolitik ein. Gemein­sam mit mehr als 450 Organisationen aus Südame­rika und Europa fordern die NaturFreunde Deutsch­lands die EU-Kommission und die Bundesregierung auf, dieses rückwärtsgewandte Freihandelsabkom­men zu stoppen und sich für eine grundlegende Ver­änderung der internationalen Beziehungen zwischen der EU und anderen Regionen und Staaten einzuset­zen. Die NaturFreunde Deutschlands erwarten von der Bundesregierung, dass sie sich für eine sofortige Beendigung der Verhandlungen über das Freihan­delsabkommen EU-Mercosur einsetzt.

Die NaturFreunde Deutschlands kritisieren das Frei­handelsabkommen EU-Mercosur vor allem, weil durch das Abkommen

  • die einseitig auf Wachstum und Export ausgerich­tete Außenwirtschaftspolitik der EU weiter geför­dert wird;
  • Klimagerechtigkeit verhindert und die Klimakrise durch die Abholzung des Amazonasregenwaldes und die Absatzförderung für besonders klima­schädliche Autos verschärft wird;
  • Arbeitnehmer*innenrechte aufgrund der zuneh­menden Konkurrenz zwischen den Unternehmen beschnitten werden;
  • eine exportorientierte Agrarpolitik sowohl in den Staaten der EU als auch in den Mercosur-Staaten gefördert wird;
  • die ungerechte Weltwirtschaftsordnung, die zu ei­ner Benachteiligung der Staaten des globalen Sü­dens führt, weiter zu Lasten der südamerikani­schen Staaten verschlechtert wird und dadurch das wirtschaftliche Ungleichgewicht zwischen Eu­ropa und Südamerika zunimmt;
  • eine weitere Deindustrialisierung und Zerstörung von kleinen und mittleren Unternehmen in den Staaten des Mercosur forciert wird;
  • der weitere Ausbau der industrialisierten Agrarbe­triebe und damit die Zerstörung der kleinen und
  • mittelständischen Landwirtschaftsbetriebe zu­nimmt;
  • der Export von Pestiziden in die Staaten des Mer­cosur erleichtert und damit die Nutzung von Pes­tiziden in Südamerika deutlich verstärken wird;
  • die biologische Vielfalt durch die zunehmende Zerstörung des Regenwaldes und die industriali­sierte Agrarpolitik noch aktiver gefährdet wird;
  • das Tierwohl und die lokale Lebensmittelerzeu­gung noch mehr gefährdet wird und durch die Förderung der industrialisierten, exportorientier­ten Agrarfabriken sowohl in den Staaten des Mer­cosur als auch in den Staaten der EU die Existenz von Kleinbäuer*innen, kleinen Landwirtschafts­betrieben und Agrargenossenschaften vernichtet wird;
  • die billigen Fleischimporte und der zunehmende Soja- und Zuckerrohranbau gefördert und damit zu einer weiteren Zerstörung der Umwelt beige­tragen wird;
  • die weitere Intensivierung von Gentechnik- und Pestizideinsatz gefördert und damit zu einer Zu­nahme der Gewässerverschmutzung beigetragen und das Recht auf sauberes Trinkwasser für Mil­lionen Menschen infrage gestellt wird;
  • die Zunahme von Menschenrechtsverletzungen gefördert und zu einer weiteren Verschlechterung der Menschenrechtslage in den Mercosur-Staaten, insbesondere in Brasilien, beigetragen wird;
  • durch die industrielle Landwirtschaft und die För­derung des exportorientierten Bergbaus Landkon­flikte verschärft werden und die Vertreibung von Kleinbäuer*innen und Indigenen von ihrem ange­stammten Land weiter zunehmen wird;
  • die Beschleunigung der Abholzung im Amazonas durch seine einseitige Exportorientierung der Landwirtschaft und des Bergbaus gefördert wird und damit die weitere Zerstörung lebenswichtiger natürlicher Ressourcen zunimmt.

Ausdrücklich solidarisieren sich die NaturFreunde Deutschlands mit den sozialen Bewegungen, Gewerk­schaften und NGOs aus Europa und Südamerika, die sich gegen das EU-Mercosur-Abkommen engagieren. Der Widerstand der NaturFreunde gegen dieses Ab­kommen ist Teil ihrer internationalen Solidaritätsar­beit und ihres Einsatzes für die Schaffung einer ge­rechten Weltwirtschaftsordnung. Nicht mehr die Pro­fitinteressen multinationaler Konzerne, sondern die Interessen der Mehrheit der Menschen müssen in den Mittelpunkt der Außenwirtschaftspolitik der EU-Kommission gerückt werden. Daher setzen sich die

NaturFreunde für eine weitere Intensivierung der Zu­sammenarbeit der sozialen Bewegungen in beiden Regionen ein und werden ihre Zusammenarbeit mit sozialen und ökologischen Initiativen und Verbänden in den Staaten des Mercosur ausbauen.

Die NaturFreunde Deutschlands setzen sich für eine Beendigung der Verhandlungen über neoliberale Freihandelsabkommen ein und fordern die Bundes­regierung auf, sich innerhalb der EU für eine soziale und klimagerechte Außenhandelspolitik der EU ein­zutreten. Von der Bundesregierung erwarten die Na­turFreunde, dass sie die rückwärtsgewandte Wirt­schaftsideologie, die hinter diesen neoliberalen Frei­handelsabkommen steht, beendet und sich für eine grundlegende Veränderung der internationalen Be­ziehungen einsetzt.

Die NaturFreunde Deutschlands fordern

  • die Bundesregierung auf, sich innerhalb der EU für eine sofortige Beendigung der Verhandlungen über das Freihandelsabkommen EU-Mercosur einzusetzen;
  • die Bundesregierung auf, die Kritik an dem Ab­kommen der EU-Mitgliedstaaten wie Österreich, Frankreich, Belgien oder Luxemburg sowie des Europäischen Parlaments zu unterstützen;
  • die Bundesregierung auf, sich gegen den Versuch der EU-Kommission mit einem Zusatzabkommen das EU-Mercosur-Abkommen durchzusetzen, zu wenden;
  • die Fraktionen im Deutschen Bundestag und im EU-Parlament auf, gegen die Ratifizierung des Freihandelsabkommen EU-Mercosur zu stimmen.

Die NaturFreunde werden

  • sich weiterhin aktiv im Netzwerk Gerechter Welt­handel und in der internationalen Koalition „Stop Mercosur“ engagieren und die internationale Ver­netzung des Widerstandes gegen das Freihandels­abkommen unterstützen;
  • sich in den Bundesländern, Städten und Regionen an regionalen Bündnissen für einen gerechten Welthandel beteiligen;
  • die Kontakte zu Initiativen und sozialen Bewegun­gen in den Staaten des Mercosur ausbauen und sich für eine engere Vernetzung einsetzen;
  • Materialien und Referent*innen zum Freihandels­abkommen EU-Mercosur zur Verfügung stellen.

Empfänger*innen: Abgeordnete des Europaparla­ments, des Bundestags und der Landesparlamente sowie die Europäische Kommission, die Bundesregie­rung und die Landesregierungen

Verabschiedet vom 31. Bundeskongress der NaturFreunde Deutschlands, der vom 8.–10. Oktober 2021 in Falkensee bei Berlin tagte.