Iglubau: „Das lernt man an der Uni nicht!“

© 

Badewanne, Nachmittagsschläfchen, Gemüsepfanne, eine Tasse heißen Milchkaffee - das war mein Event nach der Tour „Bau und Biwakieren in einer Schneehöhle“. Genuss ganz anderer Art erwartete uns am Sonntag, 19.,  und Monatag, 20. März 2017, unter der Leitung von Sepp Hümmer. Am 18. März und in der Nacht auf den 19. März hatten wir Dauerregen in Garmisch-Partenkirchen, Schneefallgrenze bei ca. 1800 m. In meinen Mails und auf dem Anrufbeantworter: keine Nachrichten. Demnach: los zur Alpspitzbahn!

Dort angekommen gibt es zwei Überraschungen: Es hört auf zu regnen und „Alpspitzbahn wegen Wind geschlossen“. Sepp ist vor Ort. Die anderen TeilnehmerInnen Philip, Christoph, Frank, Sven, Franz und Anke treffen ein. Es gibt zwei Absagen. Dank Sepp ist ausreichend Ausrüstung für alle da. Fürsorge und Weitblick nenne ich das! Und jetzt ist Flexibilität gefragt. Mit der Kreuzeckbahn geht es hinauf auf das Kreuzeck und weiter mit den Tourenschiern beziehungsweise Schneeschuhen an der Hochalm vorbei und die Schi-/Snowboard-Abfahrt Bernadein hinunter. Die Sonne zeigt sich inzwischen durch Wolkenlöcher. Es geht weiter durch den Wald zunächst Richtung Stuibenhütte und hinauf durch Latschengelände bis kurz vor den Stuibensee. Sepp hatte die Woche zuvor einen relativ windgeschützten Platz ausgekundschaftet.

Nach einer kurzen Pause, die Sepp gleich für das Sondieren und Markieren der Schneehöhlenplätze nutzt, können wir es kaum erwarten: Das Schaufeln beginnt. Die Anleitungen hatten wir zuvor per Mail erhalten. Sepp arbeitet vor, begleitet den Bau aller drei Höhlen und hört selbst nicht auf zu Schaufeln bis die perfekte Schneehöhle, die die Anleitung „Schalungsiglu I bis IV“ beinhaltete, vollendet war – mit breiten Schlafplätzen, Stehhöhe im innersten Bereich und einem Regal. Besonders gespannt war ich – und insbesondere die angehenden Bauingenieure des Teams- auf den Bau des Gewölbes. „Das lernt man an der Uni nicht!“ habe ich vernommen.

Drei TeilnehmerInnen steigen durch den Schlupftunnel in das Rundloch, bilden stehend einen Kreis, werden mit einem Biwaksack bis an den Höhlenrand bedeckt und darauf mit Schnee zugeschaufelt. Ich war gespannt, welche Gefühle diese Enge, vermeintliche Luftknappheit, Dunkelheit in mir auslösen würde. Umso mehr war ich erstaunt, dass es relativ hell blieb, die Luft zum Atmen erstaunlich gut, die Stimmen von außen immer dumpfer und – nach ca. 5 bis 10 Minuten war die ca. 50 Zentimeter hohe Schneedecke soweit erstellt, dass sie sich selbst trug und wir nacheinander wieder über den Tunnel hinauskrabbeln konnten. Froh war ich schon, als ich den Nacken wieder strecken, den Kopf wieder aufrecht halten konnte, bevor es an den Innenausbau ging.

Eingangsmarkierung mit den Schiern/Boards, Luftloch anbringen und Sauerstoffgehalt prüfen durch das Aufstellen einer Kerze, rundeten den Bau ab.

Unzählige Tipps, die mir auch für meine Bergtouren/Zeltübernachtungen dienen, flossen spielerisch von Sepp und den TeilnehmerInnen ein. In diesem Gelände und bei widrigen Wetterumständen wären sie überlebenswichtig. Jetzt vermittelt es mir Sicherheit und Vertrauen. Ich denke da zum Beispiel an die Lawinengefahrenhinweise, Schichten und Arten von Fußhüllen, damit der Schlafsack trocken bleibt, die Art und Weise des Schneeschmelzens, damit auch am Morgen wenn der Schnee hart ist, rasch heißes Wasser zur Verfügung steht, wie die Füße warm und trocken bleiben, worauf beim Material (Schaufel, Lawinenpiepser, Kochausrüstung, und vieles mehr) zu achten ist.

Abendessen zubereiten, den Himmel und die Bergstimmungen betrachten, den Abend ausklingen lassen bei Lawinensprenggeräuschen im Alpspitz-/Zugspitzgebiet; dann die Schneehöhle von Innen genießen mit dem sanften Kerzenlicht, im warmen Schlafsack, unter dem Schneegewölbe. Das vermittelt mir Ruhe und Geborgenheit.

Als „ältere“ Teilnehmerin blieb mir der zweistündliche nächtliche Kontrollgang, insbesondere zu Luftloch und Kerze, erspart. Dennoch bin ich einmal aufgestanden, habe den klaren Sternenhimmel auf knapp 1900 m bestaunt, um beruhigt und tief ergriffen von sooviel Schönheit wieder in den warmen und trockenen Schlafsack zu schlüpfen.

Mit den ersten Sonnenstrahlen zieht es mich wieder raus aus dem lieb gewonnenen „Heim“. Hier wird mir die Kurzlebigkeit und Vergänglichkeit von solchen Naturbauten bewusst. Ganz berührt betrachte ich die angestrahlten Berge, die Spuren auf der Alpspitze, das Schachenschloss, während der Nebel langsam von unten aufsteigt.

Gemütliches Frühstücken, Zusammenpacken und – hier bin ich wieder einmal überrascht, mit welcher Erfahrung wir begleitet werden: Die Schneeverhältnisse scheinen zeitlich optimal abgestimmt zu sein, um auf gleicher Route den Rückweg zu nehmen, ab der Bernadeinpiste, diesmal im Aufstieg, und wieder ganz in der Sonne. Nach der Olympiaabfahrt klingt an der Schibar „Kandahar“ die Runde aus. Ein wenig traurig über die kurze Begegnung mit Menschen, mit denen ich diese Erfahrungen teilen durfte, mich neugierig stimmen, was ihre Ideen, Visionen sind; mit denen ich in diesen 28 Stunden so viel Fürsorge und Achtsamkeit, Mutmachen wenn es mal anstrengend war, erlebt habe. Zugleich bin ich zuversichtlich, dass wir uns in der großen Familie „NaturFreunde“ bei einem weiteren spannenden Angebot wieder einmal treffen.

Petra Porath
NaturFreunde Garmisch-Partenkirchen