Die Regierungen der USA und Mexikos haben sich bilateral auf gemeinsame „Grundzüge“ zur Reform des nordamerikanischen Freihandelsabkommens NAFTA (USA, Kanada, Mexiko) geeinigt. Mit dieser bilateralen Einigung wollen beide Regierungen an die kanadische Regierung herantreten und „damit auch Kanada eine Brücke zum Wiedereintritt in die Gespräche bauen“. Der US-amerikanische Präsident Donald Trump hatte in der Vergangenheit das Freihandelsabkommen immer wieder als „Desaster“ bezeichnet. Durch die bilaterale Verständigung zwischen Mexiko und den USA, die bewusst an der kanadischen Regierung vorbei diese Grundzüge ausgehandelt haben, könnte NAFTA „obsolet“ werden.
Bilaterale Verhandlungen sind Strategie
Die Verhandlungsstrategie der USA zur Veränderung des bestehenden NAFTA-Abkommens ist symptomatisch für die außenwirtschaftspolitische Strategie der USA. Als erster Schritt werden bestehende internationale Abkommen infrage gestellt, gekündigt oder die Kündigung angedroht. Als nächster Schritt werden multilaterale Abkommen bilateral verhandelt, um die US-amerikanische Position zu stärken. In einem dritten Schritt wird dann auf die anderen Vertragspartner – im NAFTA-Abkommen ist das Kanada – zugegangen und diesen bilateral ausgehandelte Ergebnisse vorgelegt.
Damit schafft es der US-amerikanische Präsident seine „America first“-Politik durchzudrücken. Wenn er jedoch ein neues bilaterales Abkommen mit Mexiko alleine schließen möchte, „bräuchte Trump eine Genehmigung vom US-Kongress und müsste zunächst ein entsprechendes Mandat für bilaterale Gespräche beantragen“. Die ehemalige US-Handelsbeauftragte Carla Hills machte deutlich, dass „Präsident Trump […] mit dem derzeitigen Mandat kein bilaterales Abkommen abschließen“ könne. Es wird sich in den nächsten Wochen zeigen, inwieweit die gemeinsamen Grundzüge der beiden Regierungen auch die Realität eines internationalen Abkommens widerspiegeln können.
Verlagerung von Wertschöpfungsanteilen in die USA
Bisher war es so, dass die USA die „Geltungsdauer eines neuen Abkommens auf fünf Jahre befristen wollte“, was aber von Mexiko und Kanada als zu kurze Zeitspanne abgelehnt wurde, da dies „Unternehmen zu wenig Investitionssicherheit geben würde“. Weitere Forderungen der US-amerikanischen Unterhändler*innen waren „höhere Wertschöpfungsanteile aus den NAFTA-Ländern in der Autoproduktion sowie eine Anhebung der Löhne in mexikanischen Autowerken“. An diesen beiden Forderungen zeigt sich überdeutlich, dass die USA mit Forderungen, die in internationalen Verträgen nicht geregelt werden können, da Löhne in den jeweiligen Nationalstaaten zwischen den Verhandlungspartner*innen ausgehandelt werden müssen, in die Vertragsverhandlungen geht, um für sich ökonomische Vorteile durchsetzen zu können.
Ziel der Verhandlungsstrategie der USA war, das Freihandelsabkommen NAFTA neu zu fassen. Trump argumentierte immer wieder, dass dieses Abkommen „vor allem die amerikanische Autoindustrie […] Arbeitsplätze in den USA“ koste. Deshalb wurden in den Vereinbarungen zwischen Mexiko und den USA nach Aussagen des US-Handelsbeauftragten Robert Lighthizer „unter anderem Regelungen für die Autoindustrie – etwa zur Herkunft von Bauteilen sowie zum Lohnniveau der Beschäftigten“ getroffen. Weiter seien „Vereinbarungen über zollfreien Warenhandel und zum Patentschutz für biologische Medikamente getroffen worden“. Die gemeinsamen Grundzüge sollen vorsehen, dass in der Autoproduktion der in den USA „produzierte Anteil von 62,5 auf 75 Prozent steigen“ soll. Auch solle „der Anteil an einem Auto steigen, der in einer Fabrik mit Stundenlöhnen von mindestens 16 Dollar hergestellt wurde“. Damit wird eine Verlagerung von Wertschöpfungsanteilen von Mexiko in die USA in Gang gesetzt werden. Wie dies real durchgesetzt werden kann, bleibt aufgrund der autonomen Investitionsentscheidungen der Autokonzerne jedoch im Unklaren. Für Autos, bei denen dieser Anteil von Stundenlöhnen von mindestens 16 Dollar nicht erreicht wird, „soll ein Zoll in Höhe von 2,5 Prozent fällig werden“.
Verhandlungen an Kanada vorbei
Für die nächste Zeit gibt es aus Sicht der US-amerikanischen Verhandler*innen zwei Wege. Entweder lässt sich „Kanada in die Vereinbarung mit Mexiko einbeziehen“ oder die USA schließt mit Kanada „ein gesondertes Abkommen“ ab. Um gegenüber der kanadischen Regierung weiter Druck aufzubauen, hat Trump „Kanada unterdessen mit neuen Strafzöllen auf Autos“ gedroht, wenn es zu keiner neuen Übereinkunft komme. Trump selbst geht davon aus, dass NAFTA in seiner heutigen Form der Vergangenheit angehört. Er sprach davon, dass er „den Namen NAFTA künftig nicht mehr verwenden, sondern vom ‚Amerikanisch-mexikanischen Handelsabkommen‘ reden“ werde. Damit macht er deutlich, dass er an einer trinationalen Einigung zwischen Mexiko, Kanada und den USA kein besonderes Interesse hat. Aufgrund der unterschiedlichen Interessenlagen dürfte Kanada an den mit Mexiko ausgehandelten Veränderungen des NAFTA-Abkommens auch kein sonderliches Interesse haben, wenngleich die Lohnhöhe zwischen Kanada und den USA keine Rolle spielt, da beide Staaten ähnlich hohe Löhne in der Automobilindustrie zahlen. Bereits 2014 berichtete die Süddeutsche Zeitung, dass die Mittelklasse Kanadas höher bezahlt werde als die Mittelklasse der USA.
USA erlebte einen beispiellosen Deindustrialisierungsprozess
Aufgrund des Deindustrialisierungsprozesses von Teilen der USA seit den 1980er Jahren haben die Industriearbeitsplätze deutlich abgenommen. Diese Entwicklung musste auch die Autogewerkschaft UAW verkraften. Nachdem sie in den „siebziger Jahren noch stolze eineinhalb Millionen Mitglieder [hatte], sind es heute gerade einmal 350.000“. Die Löhne in den US-amerikanischen Autowerken sind relativ hoch. Nach einer Studie des „Center for Automotive Research“ (CAR) betrugen die Stundensätze für die Beschäftigten bei Daimler 65 Dollar, „während die Angestellten im VW-Werk in Chattanooga, Tennesse, im Schnitt für nur 38 Dollar arbeiten“. In den anderen Automobilwerken in den USA liegen die Stundensätze bei Honda bei durchschnittlich 49 Dollar in der Stunde, bei Toyota bei 48 Dollar und bei Hyundai/Kia bei 41 Dollar.
Mexiko – Industrielle Produktion für die USA
Die Verlagerung der Produktion innerhalb der US-amerikanischen Automobilkonzerne lässt sich gut am Beispiel General Motors (GM) nachvollziehen. So arbeiteten bei GM 2009 „weltweit 235.000 Menschen, davon 68.000 in den übrig gebliebenen 34 US-Werken“. Die Einigung zwischen den USA und Mexiko war auch für die USA notwendig, da die niedrigen Stundensätze bei den mexikanischen Automobilzulieferern eine Grundvoraussetzung für den Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit der US-amerikanischen Automobilindustrie sind. Deshalb haben zwischen 2007 und 2012 die internationalen Automobilkonzerne in Mexiko Direktinvestitionen in Höhe von etwa 15 Milliarden Dollar vorgenommen, zwischen 2010 und 2017 waren es über 20 Milliarden Dollar. So lagen im Jahr 2015 die Arbeitskosten im verarbeitenden Gewerbe in Mexiko bei 5,37 Euro, während sie in den USA bei 33,96 Euro und in Kanada bei 27,98 Euro lagen. In der mexikanischen Automobilindustrie „kostet eine Arbeitsstunde zwischen acht und zehn Euro, in den USA 40 Euro und in Deutschland 45 bis 50 Euro“.
Zwischen Januar und November 2016 wurden in Mexiko von Nissan 791.437 Fahrzeuge produziert, von General Motors 649.823, von FCA Mexiko 425.498, von Volkswagen 389.455, von Ford 363.396, von Honda 241.758, von Mazda 138.977, von Toyota 128.680 und von Kia 94.078. Die Produktion von Autos hat im Jahr 2016 „um zwei Prozent auf 3,46 Millionen Fahrzeuge zugelegt“. Von den in Mexiko produzierten Autos werden etwa 77 Prozent in die USA exportiert.
Zukunft noch ungewiss
Die Verhandlungen über das Freihandelsabkommen NAFTA machen deutlich, dass die US-amerikanische Administration bereit ist, für die US-amerikanischen Interessen alle bestehenden Abkommen infrage zu stellen und die internationale Vertragsarchitektur zu ihren Gunsten zu verändern. Eine solche Politik des „Rechts des Stärkeren“ lehnen die NaturFreunde ab und werden sich weiterhin für die Durchsetzung von internationalen Handelsverträgen einsetzen, in denen soziale und ökologische Standards, Menschenrechte und die Sicherung der Verbraucher*innenrechte im Zentrum stehen.
Uwe Hiksch
Mitglied des Bundesvorstands der NaturFreunde Deutschlands