Positionspapier des Fachbereichs NUST zur Makroregion Alpen

Der Bundesfachbereich Naturschutz, Umwelt und sanfter Tourismus (NUST) der NaturFreunde Deutschlands hat am 26. April 2014 folgende Position zur Makroregion Alpen beschlossen:

Ausgangslage:

Am 19.12.2013 hat die EU dieStrategie Makroregion Alpen(MRS Alpenbzw. EUSALP, European Strategy forthe Alpine Region)beschlossen.Das Gebiet der Makroregion ist nicht exakt bestimmt. Es umfasst den eigentlichen Alpenbogen sowie das Umland einschließlich der Metropolen wie z.B. München, Wien und Mailand. Ziel ist es, die Zusammenarbeit zwischen den Alpen und den umliegenden Metropolenund Regionen zu stärkenund der rein tatsächlichen engen Verflechtung durch überregionale Koordination Rechnung zu tragen, was zu Wachstum führen und für alle einen Mehrwert bringen soll.Im Einzelnen ist vieles noch weitgehend offen.

Seit 1991 bestehtdieAlpenkonvention, ein völkerrechtlich verbindlicherVertragzwischen den Alpenstaaten Deutschland, Frankreich, Italien, Liechtenstein, Monaco, Österreich, Schweiz und Sloweniensowie der EU.Flächenmäßig ist das Geltungsgebietauf den Alpenbogen beschränkt. Das Abkommen zielt auf die nachhaltige Entwicklung des Alpenraums und den Schutz der Interessen der ansässigen Bevölkerung ab und schließt die ökologische, soziale, wirtschaftliche und kulturelle Dimension ein.Dieser Rahmenvertrag wurde im Laufe derfolgenden Jahre durch sog. Protokolle ausgefüllt.Die Alpenschutzkommission CIPRA als Initiatorin der Alpenkonvention sieht sich weiterhin als Beschützerin der Alpeninteressen und will sich aktiv in den Prozess der Makroregion einbringen.

Beurteilung:

Auch wenn sich für die Alpen durch die neue Initiative gute Chancen bieten können, erscheint das Verhältnis von Makroregion und Alpenkonvention dennoch nicht unproblematisch.Da in der Alpenregion „nur“ rund 15 Millionen Menschen leben, in der Makroregiondagegen 66 Millionen, besteht schon rein aus dem Zahlenverhältnis heraus die Gefahr, dass das Umland die Bedürfnisse der Alpenbevölkerungdominieren könnte. Hinzu kommt ein Ungleichgewicht der wirtschaftlichen Stärke zugunstender Städte. Alpenregion undUmlandmetropolen können oft unterschiedliche Interessen haben, z.B. was die Nutzung der Wasservorräte oder das Potenzial der Alpen zur Energiegewinnung und -speicherung betrifft (Alpen als „grüne Batterien“). Die NaturFreunde sind auch besorgt, dass sich ev. eine einseitig wirtschaftliche Ausrichtung der MRS anbahnt, bei der ökologische, soziale und kulturelle Aspekte leicht unterzugehen drohen.Unter Umständen ergeben sich für die Alpen negative finanzielle Auswirkungen. Da für die Makroregion von der EU keine zusätzlichen Mittel vorgesehen sind, könnten den Alpen Fördergelder durch Verteilung auf einen größeren Kreis geschmälert werden.

Vom Verfahren her stimmt bedenklich, dass die Zivilgesellschaft trotz intensiver Bemühungen der CIPRA und weitere NGOs weder im Vorfeld zugelassen waren noch imnunmehrigen Steering Committee (Steuerungsgruppe) stimmberechtigt sind. NGOs hatten bei der Konferenz in Grenoble vom Oktober 2013, in der der Grundstein für die neue Strategie gelegt wurde, keinerlei Mitsprache. Nunmehr sind sie lediglich in den drei Untergruppen vertreten, in einer davon die CIPRA durch den Generalsekretär der NFI und Vizepräsident von CIPRA International Christian Baumgartner. Dort wird sie ihren Einfluss bestmöglich geltend machen, um die Weichenin die richtige Richtung zu stellen

Forderungen:

  • Die Ziele der Alpenkonvention und die dort festgeschriebenen Standards bilden die Mindestanforderung auch fürdie MRS Alpen und dürfen nicht verwässert werden. Der Alpenkonvention ist innerhalb der MRS ein hoher Stellenwert einzuräumen. MRS Alpen und Alpenkonvention sollen sich ergänzen und dadurch neue Synergien schaffen.
  • In der MRS stellen die Alpen den Kernraum und die umliegenden Metropolen denKooperationsraumdar.Die künftige Zusammenarbeit sollthematische Kooperationen mit Fokus nachhaltige Entwicklung zwischen inner-und außeralpinen Regionen mit flexibler Ausdehnung anstreben. Sie muss auf Augenhöhe stattfinden.
  • Die Entscheidungen über die internen alpenspezifischen Angelegenheiten müssendurch die regionalen Akteure und Körperschaften im Kernraum der Alpen selbstbestimmt getroffen werden.
  • Zentrale Themen für die MRS sollen sein:
    • Energie und Klimaschutz: Alpen und Metropolen machen sich gemeinsam auf den Weg in eine klimaverträgliche Energiezukunft mit Energiesparen, Energieeffizienz, alpenverträglichen erneuerbaren Energien und Modernisierung bestehender Wasserkraftanlagen. Kein Endausbau der alpinen Wasserkraft unter dem Deckmantel des Klimaschutzes!
    • Alpenquerender Verkehr und sanfte Mobilität: Alpenstaaten und EU entwerfen ein gemeinsames Verkehrskonzept zur umweltverträglichen Mobilität und unterstützen einegroßräumige Verlagerung von Personen- und Gütertransporten auf die Schiene.
    • Natürliche Ressourcen und Naturgefahren: Alpen und Metropolen fördern gemeinsam ökologische Netzwerke, Schutzgebiete und ökologische Korridore für die Biodiversität undüberprüfen alle Klimaschutzmaßnahmen hinsichtlich ihrer Nachhaltigkeit und Naturverträglichkeit.
    • Naturnaher und nachhaltiger Tourismus: Anbieter in den Alpen und in den umliegenden Regionen setzen sich künftig gemeinsam für einen nachhaltigen und klimaverträglichen Tourismus ein. Dazu gehören umweltfreundliche Anreisemöglichkeiten. Vor dem Hintergrund der sinkenden Schneesicherheit von Wintersportgebieten dürfenkeine touristischen Neuerschließungen von Gletschern und unberührten Landschaftenmehr erfolgen und kein Ausbau von tief liegenden Gebieten. Staatliche und private Förderinstitutionen beziehen die Anliegen des Naturschutzes und der Landschaftspflege in die Tourismusförderung ein (Art. 6 des Tourismusprotokolls der Alpenkonvention)und fördern nur nachhaltige klimaverträgliche Investitionen.
    • Jugend- und Altersfragen: Bessere Ausbildung und Qualifizierung, regionales Empowerment und stärkere Einbindung von bisher benachteiligten gesellschaftlichen Gruppen in den Alpen.

Fazit:

Wenn diese Forderungen durchgesetzt werden können, bietet die Makroregion tatsächlich eine gemeinsame Chance für die Alpen und das Umland. Im Hinblick auf die bisherige Entwicklung überwiegen derzeit die Bedenken. Die CIPRA wird viel Energie aufwenden müssen, um positive Ergebnisse im Sinne der Alpenkonvention zu erreichen.

Autorin: Christine Eben