Inmitten der revolutionär geprägten Anfänge der Weimarer Republik gründete sich im Dezember 1919 die anarchosyndikalistische Freie Arbeiter Union Deutschlands (FAUD).
Im gleichen Jahr kämpften Arbeiter*innen im Spartakusaufstand und beim Generalstreik im Ruhrgebiet. Die Münchner Räterepublik war entstanden und wenige Monate später wieder niedergeschlagen worden. Die Stimmung war aufgewühlt und der Zeitpunkt für eine anarchistische Organisierung günstig. Denn gerade radikale Arbeiter*innen suchten eine Alternative zu SPD und KPD. Sie wandten sich einem eigenständigen Strang der Arbeiter*innenbewegung zu, dessen Wurzeln in Deutschland bis ins 19. Jahrhundert zurückreichen.
Eine selbstverwaltete Gesellschaft als Ziel
Im Jahr 1897 gründeten die sogenannten Lokalisten die Freie Vereinigung deutscher Gewerkschaften (FVDG). Ihr Ziel war es, die Basis der Arbeiterschaft gegenüber den zentralistischen Gewerkschaftsorganisationen zu stärken und sie vor der Vereinnahmung durch die Sozialdemokraten zu schützen. 1919 benannte sich die FVDG in FAUD um. Ortsvereine entstanden daraufhin vor allem dort, wo die Industrialisierung einsetzte, und zudem zentralgewerkschaftliche Organisationen noch nicht Fuß gefasst hatten.
In ihren Hochburgen im Ruhrgebiet beteiligten sich Mitglieder der FAUD in der „Roten Ruhrarmee“ am Märzaufstand 1920 und initiierten zahlreiche Streiks. Sie verfügten über eine eigene Tageszeitung (Die Schöpfung) für das Rheinland und eine Wochenzeitung (Der Syndikalist), über Jugendgruppen, Frauenverbände und eigene Siedlungsprojekte.
Die Theorie des Anarchosyndikalismus lehnt die Trennung wirtschaftlicher, kultureller und politischer Kämpfe ab und fordert stattdessen den Kampf ums Ganze. Alle Teile des Lebens sollten selbstverwaltet sein. Die Anarchosyndikalisten verstehen sich dabei sowohl als ökonomische Kampforganisation wie auch als radikale Kulturbewegung.
Die Hochzeit des Anarchosyndikalismus in Deutschland war nach dem Ersten Weltkrieg mit rund 150.000 Mitgliedern im Jahr 1921. Doch schon damals deuteten sich strategische Uneinigkeiten an. Eine auf radikale, gewerkschaftliche Tageskämpfe setzende Strömung der FAUD wollte konkrete Verbesserungen der Arbeits- und Lebensbedingungen erkämpfen. Sie bemühten sich vor allem durch Schulungen im syndikalistischen Sinne neue Mitglieder zu gewinnen.
Dem gegenüber stand eine aktivistischere Strömung, die auf die unmittelbare Durchführung der sozialen Revolution drängte und dabei die gewerkschaftlichen Tageskämpfe eher vernachlässigen wollte. Besonders strittig war auch die Beteiligung der FAUD an den Betriebsrätewahlen. Mit den internen Konflikten ging ab 1921 auch ein Mitgliederschwund einher.
Eine Arbeiterkolonie in der Bakuninhütte
Mitglieder der FAUD waren auch als Siedler*innen tätig. Mit dem Ziel, eine „Arbeiterkolonie“ zu errichten, erwarben sie 1920 im thüringischen Meiningen Land zur landwirtschaftlichen Nutzung. 1927 errichteten sie dann die „Bakuninhütte“. Fritz Scherer, Kassierer der FAUD und freiheitsliebender Tippelbruder, engagierte sich als Hüttenwart. Die Hütte ist heute Naturfreundehaus (T 3).
Mit der endgültigen Entwaffnung der revolutionären Arbeiter*innen in den 1920er-Jahren verloren schließlich alle revolutionären Gruppierungen links der KPD einen Großteil ihrer Mitglieder, so auch die FAUD. Im Jahr 1933 löste sich die FAUD schließlich kurz vor der Machtübernahme der Nationalsozialisten offiziell auf und versuchte sich neu zu organisieren.
Anarchosyndikalist*innen kämpften in den folgenden Jahren im Untergrund gegen die Nazis und im Spanischen Bürgerkrieg gegen General Franco. Hunderte werden verschleppt, inhaftiert und ermordet. Erst im Jahr 1977 wurde in der BRD die bis heute bestehende Nachfolgeorganisation gegründet: die Freie ArbeiterInnen Union (FAU).
Julia Hoffmann