Der Verein LobbyControl fordert ein Lobbytransparenzgesetz und ein Lobbyregister
Wenn man Lobbyist*innen nach ihrer Arbeit fragt, wird gerne das Bild gezeichnet, Lobbyarbeit sei vor allem Übersetzungsarbeit: Die Aufgabe bestehe darin, der Politik zu erklären wie Wirtschaft funktioniere und den Auftraggebenden in Verbänden und Konzernen nahezubringen, wie die Politik ticke.
Dieses Bild ist allerdings stark vereinfacht. Die machtkritische Perspektive fehlt: Beim Lobbyismus haben wir es mit ungleich verteilten Ressourcen, privilegierten Zugängen zu Entscheidungsträger* innen und mit sehr viel Intransparenz zu tun. Es geht also nicht nur um Übersetzungsarbeit, nicht nur um Kommunikation, sondern auch um finanzielle und personelle Verflechtungen, den potenziellen Einfluss von Spender* innen und Zuwendungen und letztlich großen Machtungleichgewichten: Hinter manchem Interesse steckt eine finanziell gut ausgestattete, schlagkräftige Lobbyorganisation, nicht aber das Interesse des Gemeinwohls.
Was also tun gegen einen Lobbyismus, der nichts anderes widerspiegelt als die in der Gesellschaft vorhandenen Machtungleichgewichte? Wie verhindern wir, dass sich eben nicht die Starken und Finanzkräftigen zulasten der Schwächeren oder der Allgemeinheit durchsetzen? Die Antwort darauf kann nicht aus einer einzelnen Maßnahme bestehen und auch nicht aus einfachen Antworten, wie sie mancherorts zu vernehmen sind. Lobbyismus lässt sich nicht einfach verbieten, das wäre auch nicht sinnvoll. Ansetzen müssen wir daher an mehreren Stellen.
Dabei sind Gesetze und Regeln nur ein Aspekt, wenn auch ein zentraler, bei dem es in Deutschland noch viel zu tun gibt, beispielsweise im Bereich der Transparenz: Undurchsichtige Strukturen und Verfahren bevorteilen vor allem diejenigen, die ohnehin schon mit am Tisch der politischen Entscheider*innen sitzen und durch ihre Netzwerke an exklusive Informationen gelangen.
Verdeckte oder irreführende Lobbykampagnen, bei der die eigentlichen Auftraggeber* oder Geldgeber*innen im Hintergrund bleiben, verzerren politische Prozesse. Deshalb brauchen wir klare Transparenzregeln: Wer nimmt in wessen Auftrag und mit welchen Mitteln auf welche Gesetze oder Entscheidungen Einfluss? Das geht mit ganz einfachen Dingen los: Wer ist beispielsweise Lobbyist*in und muss sich deshalb an entsprechende Regeln halten? Aktuell fehlt ein verbindlicher Regelungsrahmen für die professionelle Lobbyarbeit. Genau das wäre aber eine Art Minimalstandard, um bei der Lobbykontrolle voranzukommen. Der gemeinnützige Verein LobbyControl fordert seit langem ein Lobbytransparenzgesetz, mit dem ein verpflichtendes Lobbyregister eingeführt würde.
Mehr Dokumentation von Einflussnahme
Kombiniert mit einer „legislativen Fußspur“, die Regierung und Parlament verpflichten würde, die Beteiligung von Interessenvertreter*innen an Gesetzgebungsverfahren umfassend offenzulegen, wäre schon einiges erreicht. Besonders einseitige Einflussnahme wäre damit zumindest sichtbar und somit kritisierbar. Dem Ziel einer ausgewogenen Beteiligung verschiedener Interessen würden wir ein Stück näher kommen. Doch Transparenz allein reicht nicht aus.
Wenn Superreiche, Konzerne und Wirtschaftsverbände den Parteien unbegrenzt viel Geld über Spenden oder Sponsoring zukommen lassen können, erzeugt das eine Schieflage. Solche Zuwendungen sollten streng begrenzt und zusätzlich transparenter werden. Ebenso brauchen wir strenge Regeln gegen Interessenkonflikte bei Nebentätigkeiten von Abgeordneten und Seitenwechseln. Aktuell ist es für Bundestagsabgeordnete ohne Weiteres möglich, neben ihrem Mandat zusätzlich Lobbyist*in zu sein. Das ist nicht vermittelbar und hier reicht es auch nicht, wenn das transparent ist. Gleiches gilt für die häufigen Seitenwechsel von hochrangigen Politiker* innen und Beamt*innen in Lobbyjobs. In all diesen – und weiteren - Bereichen müssen wir Regeln einführen oder bestehende ausbauen und vernünftig anwenden. Damit wäre schon einiges erreicht. Doch allein mit Regeln und Gesetzen lassen sich die strukturellen Probleme nicht lösen.
Stattdessen braucht es zusätzlich starke demokratische Institutionen und gut ausgestattete Behörden. Was zunächst dröge klingen mag, ist tatsächlich von nicht zu unterschätzender Bedeutung: Wenn es in Ministerien und Aufsichtsbehörden an Personal und hauseigener Expertise fehlt, steigt die Abhängigkeit von externem Wissen – eine Lücke, die gut ausgestattete Lobbyorganisationen oder externe Beratungsfirmen gerne füllen. Nur wenn auf Seiten der öffentlichen Hand genug Fachpersonal vorhanden ist, können die aus der Lobby kommenden Argumente, Studien und Gutachten überhaupt vernünftig abgewogen und eingeordnet werden.
Mehr Distanz zur regulierten Branche
Gesetze müssen von den Beamt*innen in den Ministerien verfasst werden und nicht von Anwaltskanzleien oder Fachverbänden, das muss klar sein. Notwendig ist eine gute Ausstattung mit Personal aber auch, um bestehende Regeln durchzusetzen. All zu oft sehen wir im Lobbyismus, dass es zwar Regeln gibt, diese aber nicht ordentlich angewandt werden, weil schlichtweg das Personal fehlt oder entsprechende Ermittlungsbefugnisse nicht gegeben sind. Nicht zuletzt muss sich in den Behörden auch eine politische Kultur ändern, die sich mitunter durch eine zu große, unkritische Nähe zu eben jener Branche auszeichnet, die eigentlich reguliert und beaufsichtigt werden soll. Man denke nur an den Dieselskandal, das Kraftfahrtbundesamt und die Automobilindustrie.
Doch die vielleicht wichtigste Waffe gegen einen überbordenden Lobbyismus liegt in der Gesellschaft selbst: eine starke, lebendige Zivilgesellschaft, sowohl organisiert als auch in Form von einzelnen aktiven und engagierten Menschen, die kritisch nachfragen, die ihre Abgeordneten ansprechen, die auf die Straße gehen. Menschen und Organisationen, die sich selbstlos, also nicht an eigenen wirtschaftlichen Interessen orientiert, in die Politik einbringen, die demonstrieren, recherchieren und eigenes Fachwissen produzieren – das sind die wichtigsten Gegengewichte zur Lobby-Power der großen Unternehmen und ihrer Verbände.
Gerade deshalb ist es sehr besorgniserregend, wenn die Handlungsspielräume für die organisierte Zivilgesellschaft auch hierzulande eingeengt werden. Die Aberkennung des Status der Gemeinnützigkeit für Attac und Campact sind dabei nur die jüngste Beispiele. Eine Zivilgesellschaft, die sich aktiv in politische Debatten und Willensbildung einbringt, ist unbedingt notwendig, um für einen fairen Ausgleich der Interessen zu sorgen. Versuchen der Diskreditierung oder der Beschränkung über das Steuerrecht – während Unternehmen ihre Lobbyausgaben steuerlich geltend machen können und viele Wirtschaftsverbände ebenfalls steuerlich begünstigt sind – müssen wir uns entschieden entgegen stellen, in Deutschland und in Europa.
Timo Lange